Punitivität: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine ältere These, die auch zur Erklärung von Punitivität taugen kann, wird in der gegenwärtigen Diskussion kaum gewürdigt. Rusche und Kirchheimer (1939) haben in ihrer Untersuchung zu Strafvollzug und Arbeitsmarkt den Zusammenhang von Strafform und Produktionsverhältnissen betont. Der Wert eines Menschen hänge von den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ab: Mit Industrialisierung einhergehend löste die Einsperrung die Körperstrafe als dominierende Strafform im Strafvollzug ab. Arbeitskräftemangel nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die [[Resozialisierung]] zum dominierenden Strafziel werden, das Gefängnis trat wieder in den Hintergrund, Geldstrafen und [[Diversion]] wurden populärer. Durch den Fortschritt der Produktivkräfte ist der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft aber gesunken, folglich wird wieder härter gestraft, d h. länger eingesperrt. Western und Beckett (1999) etwa behandeln die steigenden Gefangenenraten in den USA folglich auch als staatliche Intervention in den Arbeitsmarkt.
Eine ältere These, die auch zur Erklärung von Punitivität taugen kann, wird in der gegenwärtigen Diskussion kaum gewürdigt. Rusche und Kirchheimer (1939) haben in ihrer Untersuchung zu Strafvollzug und Arbeitsmarkt den Zusammenhang von Strafform und Produktionsverhältnissen betont. Der Wert eines Menschen hänge von den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ab: Mit Industrialisierung einhergehend löste die Einsperrung die Körperstrafe als dominierende Strafform im Strafvollzug ab. Arbeitskräftemangel nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die [[Resozialisierung]] zum dominierenden Strafziel werden, das Gefängnis trat wieder in den Hintergrund, Geldstrafen und [[Diversion]] wurden populärer. Durch den Fortschritt der Produktivkräfte ist der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft aber gesunken, folglich wird wieder härter gestraft, d h. länger eingesperrt. Western und Beckett (1999) etwa behandeln die steigenden Gefangenenraten in den USA folglich auch als staatliche Intervention in den Arbeitsmarkt.


[[Gouvernementalité | Gouvernementalitäts]]studien
Auch im Bereich der [[Gouvernementalité | ''Governmentality studies'']] ist das Thema Punitivität behandelt worden:


+ Punitivität als <i>Denial</i> bzw <i>Acting out</i>: Garland (2001) deutet ein verschärftes Sanktionsklima als Reaktion auf den in den letzten Jahrzehnten augenscheinlich gewordenen Kriminalitätsanstieg. Im harten und expressiven Strafen zeige sich der Versuch des Staates, seine traditionelle, aber mittlerweile illusorisch gewordene Rolle als Beschützer seiner Bürger vor Feinden nicht nur von außen, sondern auch von innen symbolisch zu bekräftigen und seine Macht gegenüber den Feinden von innen zu demonstrieren.
+ Punitivität als <i>Denial</i> bzw <i>Acting out</i>: Garland (2001) deutet ein verschärftes Sanktionsklima als Reaktion auf den in den letzten Jahrzehnten augenscheinlich gewordenen Kriminalitätsanstieg. Im harten und expressiven Strafen zeige sich der Versuch des Staates, seine traditionelle, aber mittlerweile illusorisch gewordene Rolle als Beschützer seiner Bürger vor Feinden nicht nur von außen, sondern auch von innen symbolisch zu bekräftigen und seine Macht gegenüber den Feinden von innen zu demonstrieren.
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