Punitivität: Unterschied zwischen den Versionen

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Diese Indikatoren können nicht einzeln Punitivität darstellen und verfügen jeweils über eigene Problematiken, die bei einer Untersuchung berücksichtigt werden müssen. So schlägt sich etwa im Anzeigeverhalten der Bevölkerung auch deren Strafverlangen nieder. Da aber erstens das Anzeigeverhalten auch von anderen Bedürfnissen, Interessen, Einstellungen und situativen Faktoren abhängt und man zweitens schwer unterscheiden kann, inwiefern mit einer gestiegenen Zahl von Anzeigen eine gestiegene Zahl anzeigbarer Delikte einhergeht, ist dieser Indikator eher als problematisch zu erachten.<br>
Diese Indikatoren können nicht einzeln Punitivität darstellen und verfügen jeweils über eigene Problematiken, die bei einer Untersuchung berücksichtigt werden müssen. So schlägt sich etwa im Anzeigeverhalten der Bevölkerung auch deren Strafverlangen nieder. Da aber erstens das Anzeigeverhalten auch von anderen Bedürfnissen, Interessen, Einstellungen und situativen Faktoren abhängt und man zweitens schwer unterscheiden kann, inwiefern mit einer gestiegenen Zahl von Anzeigen eine gestiegene Zahl anzeigbarer Delikte einhergeht, ist dieser Indikator eher als problematisch zu erachten.<br>
Auch ein »hard indicator« wie die Gefängnispopulation ist nicht grundsätzlich eindeutig: so variiert deren Größe in den USA von Bundesstaat zu Bundesstaat und befindet sich in einigen auch auf westeuropäischem Niveau (Albrecht 2004).<br>
Auch ein vermeintlicher »hard indicator« wie die Gefangenenrate ist nicht grundsätzlich eindeutig: so variiert zum Beispiel deren Größe in den USA von Bundesstaat zu Bundesstaat und befindet sich in einigen auch auf westeuropäischem Niveau (Albrecht 2004). Es ist auch möglich, daß ein großer Unterschied zwischen Gefangenenrate und der Rate der tatsächlich verurteilten Häftlinge besteht (Kommer 2004).<br>
Ein häufig verwendeter empirischer Indikator für Punitivität ist die Messung der Strafeinstellungen von Befragten.
Ein häufig verwendeter empirischer Indikator für Punitivität ist die Messung der Strafeinstellungen von Befragten. Hierzu werden vielfach Standardfragen verwendet, deren Validität angezweifelt werden kann (cf. hierzu z.&nbsp;B. Sessar 2001; Obergfell-Fuchs und Kury 2004; cf. Streng 2004 und Green 2006 auch zum folgenden). Hutton (2005) vergleicht in einer schottischen Untersuchung, die sowohl eine [[Quantitative Methoden|Face-to-Face-Befragung]], [[Qualitative Methoden|Fokusgruppen]] als auch eine Art [[Qualitative Methoden|<i>Deliberative poll</i>]] umfaßte, neben den Ergebnissen der unterschiedlichen Erhebungsmethoden und den Auswirkungen von Zusatzinformationen zum Entstehung und Tathergang eines Verbrechens auch »individualist« und »structuralist accounts« von Verbrechen (cf. Garland 2002). Während die individualistischen Darstellungen eine Moralgeschichte erzählen und eine einzelne Sanktion notwendig machen (der Befragte bekommt eine Rolle als Richter zugewiesen), beleuchten die strukturellen Darstellungen eher die Umstände von Kriminalität, wobei dann Themen wie gesellschaftliche Ungerechtigkeit, Bildung etc. bedeutsam werden (der Befragte bekommt hier die Rolle eines Sozialreformers oder Politikers). Beide Arten der Darstellung folgen vollkommen unterschiedlichen Logiken und sind miteinander inkompatibel, was die sich stark unterscheidenden Ergebnisse von Umfragen zu Strafeinstellungen erklären kann: Während Umfragen, bei denen Kriminalität ohne Zusatzinformationen auf einer strukturellen Ebene abgefragt werden, eher eine punitive öffentliche Meinung erzeugen, resultieren Methoden, die den Befragten die Möglichkeit zu Dialog geben, Zusatzinformationen geben und die Darstellung der Kriminalität individuell einfassen, eher in liberalen Einstellungen.<br>
Hierzu werden vielfach Standardfragen verwendet, deren Validität angezweifelt werden kann (cf. hierzu z.&nbsp;B. Sessar 2001; Obergfell-Fuchs und Kury 2004; cf. Streng 2004 und Green 2006 auch zum folgenden). Hutton (2005) vergleicht in einer schottischen Untersuchung, die sowohl eine [[Quantitative Methoden|Face-to-Face-Befragung]], [[Qualitative Methoden|Fokusgruppen]] als auch eine Art [[Qualitative Methoden|<i>Deliberative poll</i>]] umfaßte, neben den Ergebnissen der unterschiedlichen Erhebungsmethoden und den Auswirkungen von Zusatzinformationen zum Entstehung und Tathergang eines Verbrechens auch »individualist« und »structuralist accounts« von Verbrechen (cf. Garland 2002). Während die individualistischen Darstellungen eine Moralgeschichte erzählen und eine einzelne Sanktion notwendig machen (der Befragte bekommt eine Rolle als Richter zugewiesen), beleuchten die strukturellen Darstellungen eher die Umstände von Kriminalität, wobei dann Themen wie gesellschaftliche Ungerechtigkeit, Bildung etc. bedeutsam werden (der Befragte bekommt hier die Rolle eines Sozialreformers oder Politikers). Beide Arten der Darstellung folgen vollkommen unterschiedlichen Logiken und sind miteinander inkompatibel, was die sich stark unterscheidenden Ergebnisse von Umfragen zu Strafeinstellungen erklären kann: Während Umfragen, bei denen Kriminalität ohne Zusatzinformationen auf einer strukturellen Ebene abgefragt werden, eher eine punitive öffentliche Meinung erzeugen, resultieren Methoden, die den Befragten die Möglichkeit zu Dialog geben, Zusatzinformationen geben und die Darstellung der Kriminalität individuell einfassen, eher in liberalen Einstellungen.<br>


== Deutungsansätze für Punitivität ==
== Deutungsansätze für Punitivität ==
Anonymer Benutzer