Psychosoziale Prozessbegleitung: Unterschied zwischen den Versionen

 
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''„(2) Psychosoziale Prozessbegleitung ist geprägt von Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und der Trennung von Beratung und Begleitung. Sie umfasst weder die rechtliche Beratung noch die Aufklärung des Sachverhalts und darf nicht zu einer Beeinflussung des Zeugen oder einer Beeinträchtigung der Zeugenaussage führen. Der Verletzte ist darüber sowie über das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht des psychosozialen Prozessbegleiters von diesem zu Beginn der Prozessbegleitung zu informieren.“'' (BGBL I 2015, 2529)
''„(2) Psychosoziale Prozessbegleitung ist geprägt von Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und der Trennung von Beratung und Begleitung. Sie umfasst weder die rechtliche Beratung noch die Aufklärung des Sachverhalts und darf nicht zu einer Beeinflussung des Zeugen oder einer Beeinträchtigung der Zeugenaussage führen. Der Verletzte ist darüber sowie über das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht des psychosozialen Prozessbegleiters von diesem zu Beginn der Prozessbegleitung zu informieren.“'' (BGBL I 2015, 2529)


Der Bundesverband Psychosoziale Prozessbegleitung e.V. (BPP), der 2008 gegründet wurde, hat Qualitätsstandards entwickelt und bietet durch eine Tätigkeitsbeschreibung der psychosozialen Prozessbegleitung eine Orientierung für die psychosozialen Prozessbegleiter*innen in der beruflichen Praxis (vgl. BPP 2016, 1 ff.). Die Qualitätsstandards werden durch den BPP regelmäßig überprüft und ggfs. modifiziert. Die in Betracht kommenden Tätigkeiten sind in einzelne Phasen gegliedert. Das Erstgespräch dient dem gegenseitigen Kennenlernen, dem Informationsaustausch über das Strafverfahren, sowie der Aufklärung über Pflichten von Zeugen. Es kann zu einer Vermittlung eines anwaltlichen Beistands, Abklärung aktueller Gefährdungssituationen und Antragstellung auf (sozial-) gesetzliche Leistungen genutzt werden. Im Hinblick auf eine mögliche Anzeigeerstattung werden Konsequenzen und Risiken aufgezeigt (vgl. BPP 2016, 13 f.).  
Der Bundesverband Psychosoziale Prozessbegleitung e.V. (BPP), der 2008 gegründet wurde, hat Qualitätsstandards entwickelt und bietet durch eine Tätigkeitsbeschreibung der psychosozialen Prozessbegleitung eine Orientierung für die psychosozialen Prozessbegleiter*innen in der beruflichen Praxis (vgl. BPP 2016, 1 ff.). Die Qualitätsstandards werden durch den BPP regelmäßig überprüft und ggfs. modifiziert. Die in Betracht kommenden Tätigkeiten sind in einzelne Phasen gegliedert.  
 
Das Erstgespräch dient dem gegenseitigen Kennenlernen, dem Informationsaustausch über das Strafverfahren, sowie der Aufklärung über Pflichten von Zeugen. Es kann zu einer Vermittlung eines anwaltlichen Beistands, Abklärung aktueller Gefährdungssituationen und Antragstellung auf (sozial-) gesetzliche Leistungen genutzt werden. Im Hinblick auf eine mögliche Anzeigeerstattung werden Konsequenzen und Risiken aufgezeigt (vgl. BPP 2016, 13 f.).  


In der Phase der Prozessvorbereitung kann eine Begleitung zu Vernehmungen, ein Besuch des Gerichts, das Kennenlernen des vorsitzenden Richters, insbesondere bei Kindern, welche Opfer geworden sind, erfolgen (vgl. BPP 2016, 15 f.).  
In der Phase der Prozessvorbereitung kann eine Begleitung zu Vernehmungen, ein Besuch des Gerichts, das Kennenlernen des vorsitzenden Richters, insbesondere bei Kindern, welche Opfer geworden sind, erfolgen (vgl. BPP 2016, 15 f.).  
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* Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB).  
* Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB).  


Daneben haben Opfer nach § 406g Abs. 3 Satz I i.V.m. § 397a Abs. I Nr. 5 StPO ebenfalls bei folgenden Straftaten ein Recht auf eine Beirodnung einer psychosozialen Prozessbegleitung:
Daneben haben Opfer dieser Altersgruppe nach § 406g Abs. 3 Satz I i.V.m. § 397a Abs. 1 Nr. 5 StPO ebenfalls bei folgenden Straftaten ein Recht auf eine Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung:


* Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB),
* Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB),
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* Raub und Erpressung (§§ 249, 250, 252 und 255 StGB).
* Raub und Erpressung (§§ 249, 250, 252 und 255 StGB).


Bei einer erfolgreichen Begründung der besonderen Schutzbedürftigkeit muss auch Opfern, unabhängig ihres Alters, nach § 406g Abs. 3 StPO auf Antrag eine psychosoziale Prozessbegleitung beigeordnet werden. Der Terminus der besonderen Schutzbedürftigkeit ist in der Strafprozessordnung nicht definiert. Laut Art. 22 Abs. 3 der EU-Opferschutzrichtlinien werden Opfer, „die infolge der Schwere der Straftat eine beträchtliche Schädigung erlitten haben; Opfer, die  Hasskriminalität und von in diskriminierender Absicht begangene Straftaten erlitten haben, die insbesondere im Zusammenhang mit ihren persönlichen Merkmalen stehen könnten; Opfer, die aufgrund ihrer Beziehung zum und Abhängigkeit vom Täter besonders gefährdet sind“ (Amtsblatt EU 2012, L315/72 ) als Opfergruppen, welche unter eine besondere Schutzbedürftigkeit fallen können, benannt.   
Bei einer erfolgreichen Begründung der besonderen Schutzbedürftigkeit muss auch Opfern, unabhängig ihres Alters, nach § 406g Abs. 3 StPO auf Antrag eine psychosoziale Prozessbegleitung beigeordnet werden. Der Terminus der besonderen Schutzbedürftigkeit ist in der Strafprozessordnung nicht definiert. Laut Art. 22 Abs. 3 der EU-Opferschutzrichtlinien werden unter anderem Opfer, „die infolge der Schwere der Straftat eine beträchtliche Schädigung erlitten haben; Opfer, die  Hasskriminalität und von in diskriminierender Absicht begangene Straftaten erlitten haben, die insbesondere im Zusammenhang mit ihren persönlichen Merkmalen stehen könnten; Opfer, die aufgrund ihrer Beziehung zum und Abhängigkeit vom Täter besonders gefährdet sind“ (Amtsblatt EU 2012, L315/72 ) als Opfergruppen, welche unter eine besondere Schutzbedürftigkeit fallen können, benannt.   


Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner, die ihren Angehörigen durch eine Straftat verloren haben, können ebenfalls eine psychosoziale Prozessbegleitung beantragen.  
Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner, die ihren Angehörigen durch eine Straftat verloren haben, können ebenfalls eine psychosoziale Prozessbegleitung beantragen.  
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= Weblinks =
= Weblinks =
Amtsblatt EU (2012). L315/72. Verfügbar unter [https://www.frauenrechte.de/online/images/downloads/frauenhandel/EU-Opferschutzrichtlinie.pdf] [01.02.2017].


Bundesgesetzblatt Teil I (BGBL I) (1986). Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung der Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz) (2496-2500). Verfügbar unter  
Bundesgesetzblatt Teil I (BGBL I) (1986). Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung der Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz) (2496-2500). Verfügbar unter  
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