Psychosoziale Prozessbegleitung: Unterschied zwischen den Versionen

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Durch das am 01.01.2017 in Kraft getretene Gesetz zur '''psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG)''' haben bundesweit sowohl Kinder, Jugendliche als auch Erwachsene, die insbesondere Opfer von Gewalt- oder Sexualstraftaten geworden sind, einen gesetzlichen Anspruch hierauf. Es handelt sich hierbei um eine professionelle Betreuung und Begleitung der Opfer während des gesamten Strafverfahrens, welche bei einer Befürwortung des Antrages durch das Gericht kostenlos ist (vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2016, 19 f.).  
Durch das am 01.01.2017 in Kraft getretene Gesetz zur '''psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG)''' haben bundesweit sowohl Kinder, Jugendliche als auch Erwachsene, die insbesondere Opfer von Gewalt- oder Sexualstraftaten geworden sind, einen gesetzlichen Anspruch hierauf. Es handelt sich hierbei um eine professionelle Betreuung und Begleitung der Opfer während des gesamten Strafverfahrens, welche bei einer Befürwortung des Antrages durch das Gericht kostenlos ist (vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2016, 19 f.).  






== Entstehung und rechtliche Ausgangssituation ==
== Entstehung und rechtliche Ausgangssituation ==


Der juristische aber auch der gesellschaftliche Fokus im Strafprozess lag weit bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Beschuldigten. Der Verletzte einer Straftat diente lediglich als Zeuge zur Sachverhaltsaufklärung (vgl. Freudenberg 2013, 99).
Der juristische aber auch der gesellschaftliche Fokus im Strafprozess lag weit bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Beschuldigten. Der Verletzte einer Straftat diente lediglich als Zeuge zur Sachverhaltsaufklärung (vgl. Freudenberg 2013, 99).
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Die  psychischen und sozialen Belastungen, welche neben der Straftat durch den gesamten Strafprozess entstanden, fanden bei den Regelungen zum Opferschutz bis dahin weniger Beachtung. In der Strafprozessordnung des § 406h Abs. 1 Nr. 5 StPO wurde zwar aufgeführt, dass Opfer frühzeitig Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen, etwa in Form einer Beratung oder einer psychosozialen Prozessbegleitung, erhalten können, jedoch exisitierte diesbezüglich keine konkrete Aufgaben- bzw. Tätigkeitsbeschreibung. Erst am 03.12.2015 hat der Bundestag das 3. Opferrechtsreformgesetz mit dem Gesetz zur psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) verabschiedet und somit gesetzliche Grundlagen zur Ausgestaltung und eine klare Zielformulierung geschaffen (vgl. BGBL I 2015, 2529).
Die  psychischen und sozialen Belastungen, welche neben der Straftat durch den gesamten Strafprozess entstanden, fanden bei den Regelungen zum Opferschutz bis dahin weniger Beachtung. In der Strafprozessordnung des § 406h Abs. 1 Nr. 5 StPO wurde zwar aufgeführt, dass Opfer frühzeitig Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen, etwa in Form einer Beratung oder einer psychosozialen Prozessbegleitung, erhalten können, jedoch exisitierte diesbezüglich keine konkrete Aufgaben- bzw. Tätigkeitsbeschreibung. Erst am 03.12.2015 hat der Bundestag das 3. Opferrechtsreformgesetz mit dem Gesetz zur psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) verabschiedet und somit gesetzliche Grundlagen zur Ausgestaltung und eine klare Zielformulierung geschaffen (vgl. BGBL I 2015, 2529).


>tt> == Gesetzliche Grundlagen und Aufgaben ==
 
 
== Gesetzliche Grundlagen und Aufgaben ==


Im Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) und in § 406g der Strafprozessordnung sind die rechtlichen Grundlagen der psychosozialen Prozessbegleitung verankert.   
Im Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) und in § 406g der Strafprozessordnung sind die rechtlichen Grundlagen der psychosozialen Prozessbegleitung verankert.   
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=== Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung ===
=== Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung ===


Die Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung sind in § 2 PsychPbG geregelt.
Die Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung sind in § 2 PsychPbG geregelt:


''„(1) Psychosoziale Prozessbegleitung ist eine besondere Form der nicht rechtlichen Begleitung im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung und Unterstützung im gesamten Strafverfahren mit dem Ziel, die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden. “'' (BGBL I 2015, 2529)
''„(1) Psychosoziale Prozessbegleitung ist eine besondere Form der nicht rechtlichen Begleitung im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung und Unterstützung im gesamten Strafverfahren mit dem Ziel, die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden. “'' (BGBL I 2015, 2529)
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Bei der Prozessbegleitung im Hauptverfahren findet eine elementare Versorgung der Zeugin/des Zeugen während des Zeitraumes der Hauptverhandlung statt. Dies kann die Organisation einer sichereren An- und Abreise, die Vermeidung der Begegnung mit dem/der Angeklagten, die Betreuung während der Wartezeit, die Kooperation mit den Prozessverantwortlichen, insbesondere mit der Nebenklagevertretung, eine altersangemessene Übersetzung juristischer Begriffe beinhalten (vgl. BPP 2016, 16 f.). Die Anwesenheit der Prozessbegleiter*innen in der Hauptverhandlung ist gewährleistet (vgl. § 406g Abs. 1 StPO).  
Bei der Prozessbegleitung im Hauptverfahren findet eine elementare Versorgung der Zeugin/des Zeugen während des Zeitraumes der Hauptverhandlung statt. Dies kann die Organisation einer sichereren An- und Abreise, die Vermeidung der Begegnung mit dem/der Angeklagten, die Betreuung während der Wartezeit, die Kooperation mit den Prozessverantwortlichen, insbesondere mit der Nebenklagevertretung, eine altersangemessene Übersetzung juristischer Begriffe beinhalten (vgl. BPP 2016, 16 f.). Die Anwesenheit der Prozessbegleiter*innen in der Hauptverhandlung ist gewährleistet (vgl. § 406g Abs. 1 StPO).  
In der abschließenden Phase der Prozessnachbereitung findet eine Aufklärung des Verfahrensausganges und Nachbesprechung der Verhandlung statt. Es können Belastungen aufgearbeitet und weitere Hilfsangebote vermittelt werden. Bei der Einlegung von Rechtsmitteln kann weiterhin die Prozessbegleitung erfolgen (vgl. BPP 2016, 17).  
In der abschließenden Phase der Prozessnachbereitung findet eine Aufklärung des Verfahrensausganges und Nachbesprechung der Verhandlung statt. Es können Belastungen aufgearbeitet und weitere Hilfsangebote vermittelt werden. Bei der Einlegung von Rechtsmitteln kann weiterhin die Prozessbegleitung erfolgen (vgl. BPP 2016, 17).  




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Kommt es zu keiner Beiordnung durch das Gericht können Betroffene auf eigene Kosten eine psychosoziale Prozessbegleitung in Anspruch nehmen.
Kommt es zu keiner Beiordnung durch das Gericht können Betroffene auf eigene Kosten eine psychosoziale Prozessbegleitung in Anspruch nehmen.


== Berufliche Qualifikation ==
== Berufliche Qualifikation ==


Nach § 4 PsychPbG liegt die Verantwortung hinsichtlich der Anforderungen und Ausgestaltung an die Qualifikation der Prozessbegleiter*innen bei den Ländern.
Nach § 4 PsychPbG liegt die Verantwortung hinsichtlich der Anforderungen und Ausgestaltung an die Qualifikation der Prozessbegleiter*innen bei den Ländern.
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Das Wissen über Hilfsangebote vor Ort für Opfer müssen sich die psychosozialen Prozessbegleiter*innen selbst aneignen. Die regelmäßige Fortbildung fällt ebenso in die Verantwortung der ausgebildeten Fachkräfte (vgl. BGBL I 2015, 2529).
Das Wissen über Hilfsangebote vor Ort für Opfer müssen sich die psychosozialen Prozessbegleiter*innen selbst aneignen. Die regelmäßige Fortbildung fällt ebenso in die Verantwortung der ausgebildeten Fachkräfte (vgl. BGBL I 2015, 2529).


== Kritik und Kriminologische Relevanz ==
== Kritik und Kriminologische Relevanz ==


Durch die psychosoziale Prozessbegleitung sollen Opfer von Straftaten professionell begleitet werden, Belastungen aufgrund des Strafverfahrens verringert und (Re-) Traumatisierungen vermieden werden (vgl. Riekenbrauck 2016, 30).  
Durch die psychosoziale Prozessbegleitung sollen Opfer von Straftaten professionell begleitet werden, Belastungen aufgrund des Strafverfahrens verringert und (Re-) Traumatisierungen vermieden werden (vgl. Riekenbrauck 2016, 30).  
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In § 2 Abs. 1 Satz 2 PyschPbG wird die „Sekundärviktimisierung“ aufgegriffen. Eisenberg führt diesbezüglich an, dass dadurch eine Opferrolle unterstellt und die Unschuldsvermutung somit unterlaufen wird. Insbesondere im Jugendstrafverfahren könnte es zu einer Verletzung der wesentlichen Grundsätze kommen. Es könnte auf der einen Seite zu einer gewissen Erwartungshaltung durch das Gericht kommen und auf der anderen Seite könnte es beim jugendlichen Beschuldigten zu einem „zumindest subjektiv empfundenen Erwartungsdruck“ kommen, welcher wiederum dazu führen kann, dass ein „falsches Geständnis“ abgelegt wird (vgl. Eisenberg 2016, 34).
In § 2 Abs. 1 Satz 2 PyschPbG wird die „Sekundärviktimisierung“ aufgegriffen. Eisenberg führt diesbezüglich an, dass dadurch eine Opferrolle unterstellt und die Unschuldsvermutung somit unterlaufen wird. Insbesondere im Jugendstrafverfahren könnte es zu einer Verletzung der wesentlichen Grundsätze kommen. Es könnte auf der einen Seite zu einer gewissen Erwartungshaltung durch das Gericht kommen und auf der anderen Seite könnte es beim jugendlichen Beschuldigten zu einem „zumindest subjektiv empfundenen Erwartungsdruck“ kommen, welcher wiederum dazu führen kann, dass ein „falsches Geständnis“ abgelegt wird (vgl. Eisenberg 2016, 34).


== Literatur ==
== Literatur ==


Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2016). Opferfibel: Rechte von Verletzten und Geschädigten in Strafverfahren. Frankfurt a.M.: Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co.KG.
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2016). Opferfibel: Rechte von Verletzten und Geschädigten in Strafverfahren. Frankfurt a.M.: Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co.KG.
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= Weblinks =
= Weblinks =


Bundesgesetzblatt Teil I (BGBL I) (1986). Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung der Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz) (2496-2500). Verfügbar unter  
Bundesgesetzblatt Teil I (BGBL I) (1986). Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung der Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz) (2496-2500). Verfügbar unter  
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