Prognosen sind in manchen Bereichen der Naturwissenschaften - insbesondere in der Astrophysik - auf geradezu wunderbare Weise genau.

In den Humanwissenschaften, wo es um das zukünftige Verhalten von Menschen geht, ist es schwierig, korrekte Vorhersagen zu erstellen. Dies gilt in besonderer Weise für die Art von Vorhersagen von kriminellem Verhalten, die als Entscheidungsgrundlage für gerichtliche Entscheidungen über den Freiheitsentzug dienen (d.h. für individuelle Kriminalprognosen).

Kriminalprognostiker arbeiten insofern unter ungünstigen Bedingungen, als sie den Eintritt relativ seltener Ereignisse über einen relativ langen Zeitraum vorhersagen sollen - und das mit nur geringer Kenntnis der künftigen Lebenssituation des Betroffenen und der auf ihn einwirkenden Einflüsse. Das zu prognostizierende Ereignis ist häufig die polizeilich ermittelte und gerichtlich festgestellte "Rückfälligkeit" in strafbares Verhalten. Bedenkt man die Komplexität des Prozesses, der zu so einem Ereignis führt - neben den täterbezogenen Variablen vor allem auch die Interaktionen und die normativen Zuschreibungsprozesse des Kriminalisierungsprozesses (selektives Anzeigeverhalten, Selektivität im polizeilichen Ermittlungs- und staatsanwaltschaftlichen Erledigungsverhalten, Unwägbarkeiten des richterlichen Handelns), dann drängt sich die Frage auf, ob irgend jemand der sonst an einem Strafprozess Beteiligten wohl das Risiko negativer Konsequenzen aufgrund eines auf so unsicherer Grundlage erstellten Prognosegutachtens hinzunehmen bereit wäre (vgl. Pollähne 2006: 245).



Literatur

Pollähne, Helmut (2006) Kriminalprognostik zwischen richtigen Basisraten und falschen Positiven: Theoretische, methodologische und juristische Aspekte. In: Stephan Barton (Hrsg) "...weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!" Prognosegutachten, Neurobiolgoie, Sicherungsverwahrung. Baden-Baden: Nomos, 221-258.