Prognosefehler: Unterschied zwischen den Versionen

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Prognosefehler gibt es in den Natur- wie in den Geistes- und Sozialwissenschaften und deshalb auch bei den Kriminalprognosen. Prognosefehler gibt es bei Makro-, Meso- und Mikroprognosen. Die Fehler können theoretischer Natur sein (wenn die zugrundeliegende Theorie unzulänglich ist, ist es die Prognose häufig auch), sie können methodischer Natur im engeren Sinne sein (technische Mängel des Prognoseinstruments: Mängel in der Validität, Reliabilität) oder methodischer Natur im weiteren Sinne (unzulängliche Anwendung in der Praxis).  
Prognosefehler gibt es in den Natur- wie in den Geistes- und Sozialwissenschaften und deshalb auch bei den Kriminalprognosen. Prognosefehler gibt es bei Makro-, Meso- und Mikroprognosen. Die Fehler können theoretischer Natur sein (wenn die zugrundeliegende Theorie unzulänglich ist, ist es die Prognose häufig auch), sie können methodischer Natur im engeren Sinne sein (technische Mängel des Prognoseinstruments: Mängel in der Validität, Reliabilität) oder methodischer Natur im weiteren Sinne (unzulängliche Anwendung in der Praxis).  


Bei letzteren liegen die Folgen für konkrete Personen auf der Hand, dienen individuell Kriminalprognosen doch in aller Regel der Vorbereitung von Entscheidungen über die Verhängung, Ausgestaltung oder Aufhebung von freiheitsentziehenden Maßnahmen. Daher findet sich auch wesentlich mehr Literatur über Prognosefehler bei personenbezogenen Kriminalprognosen als über Fehler bei anderen Prognosen im Bereich der Kriminologie.
Bei Individualprognosen geht es um Freiheit oder Unfreiheit konkreter Personen. Gutachten auf dieser Ebene dienen der Entscheidungsfindung über die Verhängung, Ausgestaltung oder Aufhebung von freiheitsentziehenden Maßnahmen. Daher findet sich auch wesentlich mehr Literatur über Prognosefehler bei personenbezogenen Kriminalprognosen als über Fehler bei anderen Prognosen im Bereich der Kriminologie.


Kriminalprognostiker arbeiten insofern unter ungünstigen Bedingungen, als sie den Eintritt relativ seltener Ereignisse über einen relativ langen Zeitraum vorhersagen sollen - und das mit nur geringer Kenntnis der künftigen Lebenssituation des Betroffenen und der auf ihn einwirkenden Einflüsse. Das zu prognostizierende Ereignis ist häufig die polizeilich ermittelte und gerichtlich festgestellte "Rückfälligkeit" in strafbares Verhalten. Bedenkt man die Komplexität des Prozesses, der zu so einem Ereignis führt - neben den täterbezogenen Variablen vor allem auch die Interaktionen und die normativen Zuschreibungsprozesse des Kriminalisierungsprozesses (selektives Anzeigeverhalten, Selektivität im polizeilichen Ermittlungs- und staatsanwaltschaftlichen Erledigungsverhalten, Unwägbarkeiten des richterlichen Handelns), dann drängt sich die Frage auf, ob irgend jemand der sonst an einem Strafprozess Beteiligten wohl das Risiko negativer Konsequenzen aufgrund eines auf so unsicherer Grundlage erstellten Prognosegutachtens hinzunehmen bereit wäre (vgl. Pollähne 2006: 245).
Kriminalprognostiker arbeiten insofern unter ungünstigen Bedingungen, als sie den Eintritt relativ seltener Ereignisse über einen relativ langen Zeitraum vorhersagen sollen - und das mit nur geringer Kenntnis der künftigen Lebenssituation des Betroffenen und der auf ihn einwirkenden Einflüsse. Das zu prognostizierende Ereignis ist häufig die polizeilich ermittelte und gerichtlich festgestellte "Rückfälligkeit" in strafbares Verhalten. Bedenkt man die Komplexität des Prozesses, der zu so einem Ereignis führt - neben den täterbezogenen Variablen vor allem auch die Interaktionen und die normativen Zuschreibungsprozesse des Kriminalisierungsprozesses (selektives Anzeigeverhalten, Selektivität im polizeilichen Ermittlungs- und staatsanwaltschaftlichen Erledigungsverhalten, Unwägbarkeiten des richterlichen Handelns), dann drängt sich die Frage auf, ob irgend jemand der sonst an einem Strafprozess Beteiligten wohl das Risiko negativer Konsequenzen aufgrund eines auf so unsicherer Grundlage erstellten Prognosegutachtens hinzunehmen bereit wäre (vgl. Pollähne 2006: 245).
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