Post-panopticon/Post-Panotikum: Unterschied zwischen den Versionen

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Der englische Utilitarist und Strafvollzugsreformer Jeremy Bentham erfand 1791 ein Gebäude, in dem man sich der Beobachtung nicht mehr entziehen konnte und gab ihm den Namen Panoptikum. Der französische Philosoph des späten 20. Jahrhunderts Michel Foucault bezeichnete dieses Ordnungsprinzip als wesentlich für westlich-liberale Gesellschaften, die er auch Disziplinargesellschaften nennt. In Anlehnung daran entwickelte er seinen Begriff des Panoptismus als Symbol für die Überwachungs- und Herrschaftsstrukturen (Foucault,1994, 116). Dieses Panoptikum erfreut sich heute „bester Gesundheit“, unterliegt jedoch einem fortwährenden Gestaltwandel. Es bedient sich elektronisch optimierter, „cyborgisierter“ Muskeln, die ihm mehr Macht verleihen, als es sich Foucault oder gar Bentham je hätten vorstellen können (Bauman/Lyon, 2011, 74). Die heutigen Erscheinungsformen der Überwachung gehen weit über die damaligen Aspekte hinaus. Durch die Entwicklung immer neuer Medien und Sicherheitsstandards kommt es mehr und mehr zu einer größeren Verschiebung des Privaten in die Gesellschaft.
Der englische Utilitarist und Strafvollzugsreformer Jeremy Bentham erfand 1791 ein Gebäude, in dem man sich der Beobachtung nicht mehr entziehen konnte und gab ihm den Namen Panoptikum. Der französische Philosoph des späten 20. Jahrhunderts Michel Foucault bezeichnete dieses Ordnungsprinzip als wesentlich für westlich-liberale Gesellschaften, die er auch Disziplinargesellschaften nennt. In Anlehnung daran entwickelte er seinen Begriff des Panoptismus als Symbol für die Überwachungs- und Herrschaftsstrukturen (Foucault,1994, 116). Dieses Panoptikum erfreut sich heute „bester Gesundheit“, unterliegt jedoch einem fortwährenden Gestaltwandel. Es bedient sich elektronisch optimierter, „cyborgisierter“ Muskeln, die ihm mehr Macht verleihen, als es sich Foucault oder gar Bentham je hätten vorstellen können (Bauman/Lyon, 2011, 74). Die heutigen Erscheinungsformen der Überwachung gehen weit über die damaligen Aspekte hinaus. Durch die Entwicklung immer neuer Medien und Sicherheitsstandards kommt es mehr und mehr zu einer Verschiebung des Privaten in die Gesellschaft.


==Etymologie==
==Etymologie==
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==Historie/Entwicklung des Begriffs==
==Historie/Entwicklung des Begriffs==
Das Panoptikum war von Bentham als Gebäudetypus für Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse und sonstige Anstalten konzipiert worden. Es erlaubte einem Wachmann von der Warte eines zentralen Turms aus, sämtliche kreisförmig um ihn herum angeordneten Zellen und Räume im Blick zu haben, ohne seinerseits von den Insassen gesehen zu werden (http://www.zeit.de/kultur/literatur/2013-08/zygmunt-bauman-david-lyon-daten-drohnen-disziplin).
Das Panoptikum war von Bentham als Gebäudetypus für Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse und sonstige Anstalten konzipiert worden. Es erlaubte einem Wachmann von der Warte eines zentralen Turms aus, sämtliche kreisförmig um ihn herum angeordneten Zellen und Räume im Blick zu haben, ohne seinerseits von den Insassen gesehen zu werden (http://www.zeit.de/kultur/literatur/2013-08/zygmunt-bauman-david-lyon-daten-drohnen-disziplin).
Die Insassen sollten in der ständigen Furcht leben, gesehen zu werden und sich vorsorglich anpassen. Oder wie es Foucault in Überwachen und Strafen formuliert: "Derjenige, welcher der Sichtbarkeit unterworfen ist und dies weiß, übernimmt die Zwangsmittel der Macht und spielt sie gegen sich selber aus; er internalisiert das Machtverhältnis, in welchem er gleichzeitig beide Rollen spielt; er wird zum Prinzip seiner eigenen Unterwerfung."  (Foucault, 1994, 268) Von diesem Konstruktionsprinzip erhoffte sich Bentham, dass sich alle Insassen zu jeder Zeit unter Überwachungsdruck regelkonform verhalten (also abweichendes Verhalten vermeiden), da sie davon ausgehen müssten, beobachtet zu werden. Dies führe vor allem durch die Reduktion des Personals zu einer massiven Kostensenkung im Gefängnis- und Fabrikwesen, denn das Verhältnis zwischen effektiv geleisteter Überwachungsarbeit und erzeugter Angst, beobachtet zu werden, ist sehr hoch.
Die Insassen sollten in der ständigen Furcht leben, gesehen zu werden und sich vorsorglich anpassen. Oder wie es Foucault in Überwachen und Strafen formuliert: "Derjenige, welcher der Sichtbarkeit unterworfen ist und dies weiß, übernimmt die Zwangsmittel der Macht und spielt sie gegen sich selber aus; er internalisiert das Machtverhältnis, in welchem er gleichzeitig beide Rollen spielt; er wird zum Prinzip seiner eigenen Unterwerfung."  (Foucault, 1994, 268) Von diesem Konstruktionsprinzip erhoffte sich Bentham, dass sich alle Insassen zu jeder Zeit unter Überwachungsdruck regelkonform verhalten (also abweichendes Verhalten vermeiden), da sie davon ausgehen müssten, beobachtet zu werden. Dies führe vor allem durch die Reduktion des Personals zu einer massiven Kostensenkung im Gefängnis- und Fabrikwesen, denn das Verhältnis zwischen effektiv geleisteter Überwachungsarbeit und erzeugter Angst, beobachtet zu werden, ist sehr hoch. Bentham selber versteht das Panoptikum als effizientes Mittel zur Erreichung eines gesamtgesellschaftlichen Zweckes. Ziel ist die Maximierung der Freiheit derjenigen, die außerhalb des Gefängnisses in der Folge eines funktionierenden Disziplinarbaus in Sicherheit leben können. Gleichzeitig diskutiert er die maximale Freiheit der Gefangenen nach gesellschaftlicher Reintegration wie auch außerhalb des Kontrollhauses.  
==Überwachung heute==
==Überwachung heute==
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