Organisierte Kriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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== Geschichte ==
== Geschichte ==
Als Vorläufer von Organisierter Kriminalität in Deutschland werden in der Literatur häufig die sog. Ringvereine aufgeführt. Die Ringvereine waren von Straffälligen gegründete, eingetragene Vereine, die offiziell der gegenseitigen Hilfe in sozialen Notlagen und der kulturellen Betätigung dienen sollten. Tatsächlich förderten sie aber auch die kriminellen Aktivitäten ihrer Mitglieder und übten die Funktion einer Standesorganisation aus, die Regeln setzten und auch gewaltsam durchsetzten. 1890 wurde der erste "Reichsverein ehemaliger Strafgefangener" gegründet. Diesem Beispiel folgten bald weitere ähnliche Zusammenschlüsse in Berlin und anderen Städten. 1898 bildeten die Berliner Ganovenvereine einen Dachverband, den "Ring Berlin". Zwischen 1929 und 1933 zählte man in Deutschland 62 Ringvereine mit rund 1600 Mitgliedern. Zu den lukrativsten Marktsegmenten und Deliktsfeldern gehörte neben der Schutzgelderpressung, Zuhälterei, der organisierten Einbruchskriminalität, insbesondere der Kokain- und Waffenhandel. Hierarchisch gegliedert bildete der „Große Ring“ (Berlin) zusammen mit dem „Mitteldeutschen Ring“ (Mittel- und Westdeutschland) und dem „Norddeutschen Ring“ den „Deutschen Ring“, der bis Mitte der 30-er Jahre bestand.
Die Nationalsozialisten gingen massiv gegen die Ringvereine und ihre Mitglieder vor. Sie wurden zuerst verboten, ihre Mitglieder verhaftet und viele verstarben in den Konzentrationslagern. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es zwar Versuche, die Vereine wieder ins Leben zu rufen, eine tatsächliche Renaissance gab es allerdings nie.
Die Herausbildung von Formen der Organisierten Kriminalität wird von den meisten Autoren mit der Zeit der Prohibition (1919-1933) in den USA in Verbindung gebracht. Die erste tiefgründigere Auseinandersetzung mit dem Begriff „Organized Crime“ erfolgte durch die sog. Chicago-Crime-Commission im Jahre 1919.
Die in der Prohibitionszeit gut organisierten Banden von Alkoholschmugglern und Händlern suchten sich nach 1933 neue Betätigungsfelder. Sie fanden sie zunächst im Glücksspiel, dem Rauschgiftschmuggel und –handel sowie im Bereich der Prostitution. Die dominierende Rolle italo-amerikanischer Tätergruppen hat ihren Ursprung nicht nur in den 2,1 Millionen italienischen Auswanderern, die bis zum Ausbruch des 1.Weltkrieges in die USA kamen.
Sie steht auch in Verbindung der mit der Machtergreifung Mussolinis verbundenen Kampfansage gegen die sizilianische Mafia und die neapolitanische Camorra, die eine Vielzahl ehemaliger Mitglieder dieser Organisation vertrieb.
Deutschland war nach dem II. Weltkrieg bis Ende der 60ziger Jahre nach Auffassung von Politikern und Kriminalstrategen weithin kein Betätigungsfeld von OK. Der Grund für diese Einschätzung lag im Wesentlichen darin, dass mit dem Begriff Organisierte Kriminalität über viele Jahre fast ausschließlich mafiose Strukturen oder Begriffe, wie „Verbrecher-Syndikat“ verbunden wurden. Diese Formen der Organisation und Begehung von Straftaten wurden jedoch für die damalige Bundesrepublik Deutschland als nicht existent bezeichnet.
Ausgelöst durch die Aufnahme des Begriffes „Organized Crime“ in den kriminalpolitischen Sprachgebrauch der USA und durch einen deutlichen qualitativen und quantitativen Anstieg bestimmter Erscheinungsformen kollektiv begangener Straftaten in Deutschland, wandte man sich hier in den Jahren 1971 bis 1973 erstmalig dem Versuch zu, das Phänomen Organisierte Kriminalität zu beschreiben. 1973 legte Kerner eine Untersuchung zur „professionellen und organisierten Kriminalität“ mit bemerkenswerten Erkenntnissen vor. So stellt er fest, dass einerseits in Deutschland keine konzern- oder syndikatsähnlichen Organisationsformen bekannt seien. Andererseits konstatiert er Anhalte für die Verwischung der tradierten Grenzen zwischen Wirtschafts- und Organisierter Kriminalität.
Wesentliche Veranstaltungen im Bereich der Polizei waren die Arbeitstagung „Organisierte Kriminalität – Phänomen und Bekämpfung“ (13-15.02.1973 an der PFA) und die Arbeitstagung „Organisiertes Verbrechen“ (21.-25.10.1974) beim Bundeskriminalamt.
Die wesentlichen Inhalte dieses Diskussionsprozesses lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Organisiertes Verbrechen hat in Deutschland (noch) nicht die Quantität und Qualität der amerikanischen Entwicklung angenommen.
Gleichwohl wurden zunehmend folgende Charakteristika bei kollektiv begangenen Straftaten festgestellt:
Auftreten internationaler Tätergruppen (insbesondere bei Delikten des Rauschgifthandels, der Kfz-Kriminalität und des Waffenhandels)
Zunehmend straffere Organisation innerhalb der Tätergruppen
Planvollere Tatausführung
Orientierung an besonders gewinnträchtigen Bereichen
Ausüben von Druck auf Zeugen und Mittäter
Konspiration
Hohes Maß an Mobilität
Zu diesem Zeitpunkt herrschte weitgehend Übereinstimmung darüber, dass Terrorismus eine Erscheinungsform der OK sei.
In den folgenden Jahren entwickelte sich unter Wissenschaftlern und Praktikern ein Meinungsstreit über Existenz und Inhalt von OK. Erste Definitionsentwürfe entstehen. Für die Praxis der Strafverfolgung erwuchs die Notwendigkeit, das OK phänomenologisch zuzuordnen und zu definieren.




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