Opportunitätsprinzip: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Legalitätsprinzip verpflichtet die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen eines Anfangsverdachts, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (§§ 152 Abs. 2, 160 <nowiki>StPO</nowiki>) und bei hinreichendem Tatverdacht gemäß § 170 Abs. 1 <nowiki>StPO</nowiki> öffentliche Klage zu erheben (sog. Verfolgungs - und Anklagezwang). Die Polizei als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 163 Abs. 1 <nowiki>StPO</nowiki> zur Erforschung von strafbaren Handlungen verpflichtet, ohne von sich aus über die Notwendigkeit entscheiden zu dürfen, während sie bei der Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr nach dem Opportunitätsprinzip zu handeln befugt ist, also nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat, ob sie überhaupt einschreiten will (Entschließungsermessen) und welche von mehreren zulässigen Maßnahmen sie treffen will (Auswahlermessen). Das Legalitätsprinzip bezweckt die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG). Es ist insofern die notwendige Ergänzung zum Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft, die im Einzelfall nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens darüber entscheidet, ob das Strafverfahren durchgeführt werden soll. Die Verletzung des Legalitätsprinzips durch vorsätzliche Nichtverfolgung eines Verdächtigen ist gemäß § 258 a <nowiki>StGB</nowiki> als Strafvereitelung im Amt strafbar. Obgleich das Legalitätsprinzip bei Schaffung der Strafprozessordnung im Jahre 1877 unbezweifelbar als einer der tragenden Grundsätze des Strafverfahrens angesehen und anerkannt wurde, ist dieses Prinzip in der Folgezeit, insbesondere soweit es seine uneingeschränkte Geltung auch im Bereich der Kleinkriminalität betrifft, Gegenstand vielfacher Kritik gewesen. Diese Kritik hat sich in zahlreichen gesetzgeberischen Maßnahmen niedergeschlagen (s.o. §§ 153 ff. <nowiki>StPO</nowiki>), durch welche dem Opportunitätsprinzip stetig mehr Raum gegeben wurde. Zur Begründung wurden folgende Aspekte herangezogen :
Das Legalitätsprinzip verpflichtet die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen eines Anfangsverdachts, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (§§ 152 Abs. 2, 160 <nowiki>StPO</nowiki>) und bei hinreichendem Tatverdacht gemäß § 170 Abs. 1 <nowiki>StPO</nowiki> öffentliche Klage zu erheben (sog. Verfolgungs - und Anklagezwang). Die Polizei als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 163 Abs. 1 <nowiki>StPO</nowiki> zur Erforschung von strafbaren Handlungen verpflichtet, ohne von sich aus über die Notwendigkeit entscheiden zu dürfen, während sie bei der Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr nach dem Opportunitätsprinzip zu handeln befugt ist, also nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat, ob sie überhaupt einschreiten will (Entschließungsermessen) und welche von mehreren zulässigen Maßnahmen sie treffen will (Auswahlermessen). Das Legalitätsprinzip bezweckt die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG). Es ist insofern die notwendige Ergänzung zum Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft, die im Einzelfall nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens darüber entscheidet, ob das Strafverfahren durchgeführt werden soll. Die Verletzung des Legalitätsprinzips durch vorsätzliche Nichtverfolgung eines Verdächtigen ist gemäß § 258 a <nowiki>StGB</nowiki> als Strafvereitelung im Amt strafbar. Obgleich das Legalitätsprinzip bei Schaffung der Strafprozessordnung im Jahre 1877 unbezweifelbar als einer der tragenden Grundsätze des Strafverfahrens angesehen und anerkannt wurde, ist dieses Prinzip in der Folgezeit, insbesondere soweit es seine uneingeschränkte Geltung auch im Bereich der Kleinkriminalität betrifft, Gegenstand vielfacher Kritik gewesen. Diese Kritik hat sich in zahlreichen gesetzgeberischen Maßnahmen niedergeschlagen (s.o. §§ 153 ff. <nowiki>StPO</nowiki>), durch welche dem Opportunitätsprinzip stetig mehr Raum gegeben wurde. Zur Begründung wurden folgende Aspekte herangezogen :


a) Zunächst ist ein Wandel im Rahmen der Straftheorien festzustellen. Die sog. absoluten Straftheorien, basierend auf dem Vergeltungsgedanken wurden von sog. relativen Straftheorien, deren Anknüpfungspunkt die General- und Spezialprävention bildet, abgelöst. Diese Entwicklung reibt sich insofern mit dem Legalitätsprinzip, als dieses eine Strafverfolgung in allen und damit auch in jenen Fällen fordert, in denen eine Strafe weder zur Einwirkung auf den jeweiligen Täter ( Spezialprävention ) noch zur Abschreckung anderer potentieller Täter ( Generalprävention ) notwendig und geboten erscheint.
a) Zunächst ist ein Wandel im Rahmen der Straftheorien festzustellen. Die sog. absoluten Straftheorien, basierend auf dem Vergeltungsgedanken wurden von sog. relativen Straftheorien, deren Anknüpfungspunkt die General- und Spezialprävention bildet, abgelöst. Diese Entwicklung reibt sich insofern mit dem Legalitätsprinzip, als dieses eine Strafverfolgung in allen und damit auch in jenen Fällen fordert, in denen eine Strafe weder zur Einwirkung auf den jeweiligen Täter ([[Spezialprävention]]) noch zur Abschreckung anderer potentieller Täter ([[Generalprävention]]) notwendig und geboten erscheint.


b) Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Massenphänomen der Bagatellkriminalität. Der Gesetzgeber hat in diesem Bereich keine materiellrechtliche Lösung vorgenommen, sondern strafprozessual mit Schaffung des Ausnahmekatalogs der §§ 153 ff. <nowiki>StPO</nowiki> dem Opportunitätsprinzip Rechnung getragen. Eine strikt durchgehaltene strafrechtliche Ahndung auch kleinster Verfehlungen entspräche zwar dem Gleichheitsgebot, würde andererseits aber auch ein „Volk der Vorbestraften“ hervorbringen.
b) Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Massenphänomen der Bagatellkriminalität. Der Gesetzgeber hat in diesem Bereich keine materiellrechtliche Lösung vorgenommen, sondern strafprozessual mit Schaffung des Ausnahmekatalogs der §§ 153 ff. <nowiki>StPO</nowiki> dem Opportunitätsprinzip Rechnung getragen. Eine strikt durchgehaltene strafrechtliche Ahndung auch kleinster Verfehlungen entspräche zwar dem Gleichheitsgebot, würde andererseits aber auch ein „Volk der Vorbestraften“ hervorbringen.
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2. Ermessen
2. Ermessen
Gesetzliche Tatbestände können der Verwaltung ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zwingend vorschreiben ( „Muss-Vorschrift“ ); in diesen Fällen wird von "gebundener" Verwaltung gesprochen. Bei einer Vielzahl von verwaltungsrechtlichen Normen wird allerdings der Verwaltung die Möglichkeit eröffnet, bei einer konkreten Entscheidung zwischen mehreren Maßnahmen zu wählen oder von einer gesetzlich zugelassenen Handlungsmöglichkeit in bestimmter Weise Gebrauch zu machen. Im Gesetz ist dann durch die Wortbildung wie „kann“, „darf“, „befugt“ oder ähnliche Begriffe zum Ausdruck gebracht, dass die Verwaltung in solchen Fällen nach ihrem eigenen Ermessen handeln darf. Der Gesetzgeber hat der Verwaltung solche Möglichkeiten eingeräumt, weil er nicht in der Lage ist, die Vielfalt aller menschlichen Verhältnisse vorauszusehen und für jedes Verhalten eine bestimmte Rechtsfolge anzuordnen. Einen derartigen Versuch unternahm die Kodifikation des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, dessen vielfältige Kasuistik schließlich doch nicht für die Regelung aller in Betracht kommenden Fälle ausreichte. Die Ermessensausübung ist in den Grenzen des § 114 S. 1 <nowiki>VwGO</nowiki> (Verwaltungsgerichtsordnung) auf die Prüfung von Ermessensfehlern, also Überschreitung, Unterschreitung und Fehlgebrauch des Ermessens sowie unter Beachtung der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze über die Ermessenreduktion auf Null beschränkt. Ermessensüberschreitung ist dann gegeben, wenn die Behörde eine Rechtsfolge wählt, die sich außerhalb des gesetzlich festgelegten Rahmens einer Norm befindet. Dagegen wird von Ermessensunterschreitung gesprochen, wenn die Behörde, das ihr eingeräumte Ermessen überhaupt nicht ausübt. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde nicht alle Gesichtspunkte, die sie zur Entscheidungsfindung benötigt, in ihr Ermessen mit einbezieht oder aber sich von unsachlichen Erwägungen leiten lässt. Eine Ermessensreduktion auf Null ist einschlägig, wenn bei Anwendung einer Vorschrift alle denkbaren Ergebnisse bis auf eines von vornherein ermessensfehlerhaft sind. In diesem Fall ist die Behörde gehalten, die einzig zulässige Entscheidung zu treffen. Für die eigentliche Ermessensentscheidung ist dann kein Spielraum mehr gegeben. Vielmehr hat der Betroffene einen Anspruch auf die begehrte Rechtsfolge.  
Gesetzliche Tatbestände können der Verwaltung ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zwingend vorschreiben („Muss-Vorschrift“); in diesen Fällen wird von "gebundener" Verwaltung gesprochen. Bei einer Vielzahl von verwaltungsrechtlichen Normen wird allerdings der Verwaltung die Möglichkeit eröffnet, bei einer konkreten Entscheidung zwischen mehreren Maßnahmen zu wählen oder von einer gesetzlich zugelassenen Handlungsmöglichkeit in bestimmter Weise Gebrauch zu machen. Im Gesetz ist dann durch die Wortbildung wie „kann“, „darf“, „befugt“ oder ähnliche Begriffe zum Ausdruck gebracht, dass die Verwaltung in solchen Fällen nach ihrem eigenen Ermessen handeln darf. Der Gesetzgeber hat der Verwaltung solche Möglichkeiten eingeräumt, weil er nicht in der Lage ist, die Vielfalt aller menschlichen Verhältnisse vorauszusehen und für jedes Verhalten eine bestimmte Rechtsfolge anzuordnen. Einen derartigen Versuch unternahm die Kodifikation des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, dessen vielfältige Kasuistik schließlich doch nicht für die Regelung aller in Betracht kommenden Fälle ausreichte. Die Ermessensausübung ist in den Grenzen des § 114 S. 1 <nowiki>VwGO</nowiki> (Verwaltungsgerichtsordnung) auf die Prüfung von Ermessensfehlern, also Überschreitung, Unterschreitung und Fehlgebrauch des Ermessens sowie unter Beachtung der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze über die Ermessenreduktion auf Null beschränkt. Ermessensüberschreitung ist dann gegeben, wenn die Behörde eine Rechtsfolge wählt, die sich außerhalb des gesetzlich festgelegten Rahmens einer Norm befindet. Dagegen wird von Ermessensunterschreitung gesprochen, wenn die Behörde, das ihr eingeräumte Ermessen überhaupt nicht ausübt. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde nicht alle Gesichtspunkte, die sie zur Entscheidungsfindung benötigt, in ihr Ermessen mit einbezieht oder aber sich von unsachlichen Erwägungen leiten lässt. Eine Ermessensreduktion auf Null ist einschlägig, wenn bei Anwendung einer Vorschrift alle denkbaren Ergebnisse bis auf eines von vornherein ermessensfehlerhaft sind. In diesem Fall ist die Behörde gehalten, die einzig zulässige Entscheidung zu treffen. Für die eigentliche Ermessensentscheidung ist dann kein Spielraum mehr gegeben. Vielmehr hat der Betroffene einen Anspruch auf die begehrte Rechtsfolge.  


3. Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
3. Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Anonymer Benutzer