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Die Geschichte des § 175 des deutschen StGB beginnt im Jahre 1871. Seinerzeit wurden explizite homosexuelle Handlungen und Sodomie unter diese Strafnorm subsumiert.
Die Geschichte des § 175 des deutschen StGB beginnt im Jahre 1871. Seinerzeit wurden explizite homosexuelle Handlungen und Sodomie unter diese Strafnorm subsumiert.
In seiner Fassung vom 01.09.1935 erfuhr der Paragraph durch die Nationalsozialisten eine Verschärfung, welche nunmehr alle denkbaren homosexuellen Handlungen unter Strafe stellte. Es folgten weitere Anpassungen in den Jahren 1941 und 1949 (in der BRD: Übernahme des bereits 1935 formulierten Gesetzes). Im Jahre 1969 fiel das „Totalverbot“ von Homosexualität mit der Einführung von Schutzaltern für Jungen (21 Jahre) und Mädchen (14 Jahre). Dieses Schutzalter wurde, im Jahre 1973, für Jungen auf 18 Jahre herabgesetzt. Erst am 10.06.1994 wurde das Gesetz (auf dem Gebiet der alten Bundesländer) gestrichen. Als das zur Legitimation der Strafnorm angeführte Schutzgut wurde stets die „Volksgesundheit“, bzw. ab 1973 die „ungestörte sexuelle Entwicklung des männlichen Jugendlichen“ herangezogen. Neben dieser legitimatorischen Begründung bestand (historisch betrachtet) stets auch die Absicht der Sicherstellung eines Nachwuchses zur Aufrechterhaltung der Wehrhaftigkeit des Landes (vgl. Henner Hess / Johannes Stehr, 1987, S. 42). Doch bereits die seit 1970 sinkenden Verurteilungszahlen bildeten den Wandel der gesellschaftlichen Wertvorstellungen trefflich ab. Schließlich reagierte der Gesetzgeber mit Streichung des Gesetzes. So veranschaulicht der § 175 StGB, wie zwischenzeitlich inkriminiertes Verhalten schließlich wieder zu legalem Handeln metamorphosiert und wie gesellschaftliche Prozesse - wie Säkularisierung, Aufklärung und Toleranz - dies ermöglichen.
In seiner Fassung vom 01.09.1935 erfuhr der Paragraph durch die Nationalsozialisten eine Verschärfung, welche nunmehr alle denkbaren homosexuellen Handlungen unter Strafe stellte. Es folgten weitere Anpassungen in den Jahren 1941 und 1949 (in der BRD: Übernahme des bereits 1935 formulierten Gesetzes). Im Jahre 1969 fiel das „Totalverbot“ von Homosexualität mit der Einführung von Schutzaltern für Jungen (21 Jahre) und Mädchen (14 Jahre). Dieses Schutzalter wurde, im Jahre 1973, für Jungen auf 18 Jahre herabgesetzt. Erst am 10.06.1994 wurde das Gesetz (auf dem Gebiet der alten Bundesländer) gestrichen. Als das zur Legitimation der Strafnorm angeführte Schutzgut wurde stets die „Volksgesundheit“, bzw. ab 1973 die „ungestörte sexuelle Entwicklung des männlichen Jugendlichen“ herangezogen. Neben dieser legitimatorischen Begründung bestand (historisch betrachtet) stets auch die Absicht der Sicherstellung eines Nachwuchses zur Aufrechterhaltung der Wehrhaftigkeit des Landes (vgl. Henner Hess / Johannes Stehr, 1987, S. 42)(Siehe auch unter [http://de.wikipedia.org/wiki/Bev%C3%B6lkerung "Peuplierung"].). Doch bereits die seit 1970 sinkenden Verurteilungszahlen bildeten den Wandel der gesellschaftlichen Wertvorstellungen trefflich ab. Schließlich reagierte der Gesetzgeber mit Streichung des Gesetzes. So veranschaulicht der § 175 StGB, wie zwischenzeitlich inkriminiertes Verhalten schließlich wieder zu legalem Handeln metamorphosiert und wie gesellschaftliche Prozesse - wie Säkularisierung, Aufklärung und Toleranz - dies ermöglichen.


=== 4.2 Weitere Beispiele ===
=== 4.2 Weitere Beispiele ===
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