Normgenese: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine andere Annäherung stellt der spieltheoretische Ansatz dar. Dieser sieht in jeder Form von kooperativem Verhalten zur Lösung einer Mängellage, ein Äquivalent zu Normen. Der zum Zweck des Überholens anderer zur Seite tretende Passant, auf einer überfüllten Rolltreppe, würde so zum Normsender einer schlichten Norm á la: „Links geh‘, rechts steh!“.
Eine andere Annäherung stellt der spieltheoretische Ansatz dar. Dieser sieht in jeder Form von kooperativem Verhalten zur Lösung einer Mängellage, ein Äquivalent zu Normen. Der zum Zweck des Überholens anderer zur Seite tretende Passant, auf einer überfüllten Rolltreppe, würde so zum Normsender einer schlichten Norm á la: „Links geh‘, rechts steh!“.
Normgenese ist stets auch ein Begleiter von Machtbildung. Popitz spricht von der dauerhaften Besetzung von Verfügungsgewalten. In diesem Prozess dient die Normgenese der normativen Absicherung von Positionsvorteilen.
Normgenese ist stets auch ein Begleiter von Machtbildung. Popitz spricht von der dauerhaften Besetzung von Verfügungsgewalten. In diesem Prozess dient die Normgenese der normativen Absicherung von Positionsvorteilen.
Wenngleich unter Soziologen, wie Sozialpsychologen, oftmals deutliche Kritik an der Eignung des "utilitaristischen Ansatzes" geäußert wird, geht doch eine Vielzahl dieser Sozialwissenschaftler von einer Abhängigkeit zwischen der Entstehung von Normen einerseits und den damit verbundenen Kosten und Nutzen andererseits aus.  
Wenngleich unter Soziologen, wie Sozialpsychologen, oftmals deutliche Kritik an der Eignung des "[[Utilitarismus|utilitaristischen Ansatzes]]" geäußert wird, geht doch eine Vielzahl dieser Sozialwissenschaftler von einer Abhängigkeit zwischen der Entstehung von Normen einerseits und den damit verbundenen Kosten und Nutzen andererseits aus.  
Nach Victor Kraft ergeben sich die Normen (der Moral) daraus, dass alle Menschen das Ziel haben, ihre Begehren zu befriedigen. Nachdem dies aber, so Kraft, nicht möglich sei, ohne dass die Menschen sich gegenseitig behindern bzw. ohne dass es zum Kampf kommt, muss die Befriedigung der individuellen Begehren insoweit eingeschränkt werden, als dass alle wenigstens ihre lebenswichtigen Begehren befriedigen können. Genau diese Funktionen erfüllen die Normen (der Moral) (Kraft, 1973, S. 72).
Nach Victor Kraft ergeben sich die Normen (der Moral) daraus, dass alle Menschen das Ziel haben, ihre Begehren zu befriedigen. Nachdem dies aber, so Kraft, nicht möglich sei, ohne dass die Menschen sich gegenseitig behindern bzw. ohne dass es zum Kampf kommt, muss die Befriedigung der individuellen Begehren insoweit eingeschränkt werden, als dass alle wenigstens ihre lebenswichtigen Begehren befriedigen können. Genau diese Funktionen erfüllen die Normen (der Moral) (Kraft, 1973, S. 72).
Unter Soziologen existiert also ein gewisser Konsens bezüglich der Brauchbarkeit der wirtschaftwissenschaftlichen „Theorie der Verfügungsrechte“ zur Erklärung von Normenentstehung. (vgl.Opp, 1983)
Unter Soziologen existiert also ein gewisser Konsens bezüglich der Brauchbarkeit der wirtschaftwissenschaftlichen „[http://de.wikipedia.org/wiki/Theorie_der_Verf%C3%BCgungsrechte Theorie der Verfügungsrechte]“ zur Erklärung von Normenentstehung. (vgl.Opp, 1983)


=== 2.1 Die Nutzentheorie ===
=== 2.1 Die Nutzentheorie ===
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=== 2.2 Entstehung von Normen durch die Existenz externer Effekte ===
=== 2.2 Entstehung von Normen durch die Existenz externer Effekte ===


Individuelle Handlungspräferenzen und -entscheidungen können in Konflikt zu Handlungspräferenzen anderer Gruppenmitglieder stehen. Eine solche störende Außenwirkung einer Handlungentscheidung bezeichnet Opp auch als externen Effekt. Allerdings können externe Effekte auch positiver Natur sein, also dann, wenn sie für andere Gruppenmitglieder von Nutzen sind (vgl. positive Externalität). Kommt es zu derartigen gegenseitigen Beeinträchtigungen bei der Zielerreichung und Bedürfnisbefriedigung (z.B. zwei Menschen möchten denselben Apfel ernten und verzehren) dann bedarf es einer Regulation. Die Wahrscheinlichkeit des Entstehens von Normen ist dann stets sehr hoch. Negative Externalitäten werden dabei internalisiert. Es bleibt jedoch auch (um im Bespiel zu bleiben) die (möglicherweise gewalttätige) Aneignung des Apfels und dessen exklusiver Verzehr durch ein Individuum. Negative Externalitäten sind somit eliminiert. Dies schlösse eine Normbildung i.e.S. aus.
Individuelle Handlungspräferenzen und -entscheidungen können in Konflikt zu Handlungspräferenzen anderer Gruppenmitglieder stehen. Eine solche störende Außenwirkung einer Handlungentscheidung bezeichnet Opp auch als [http://de.wikipedia.org/wiki/Externer_Effekt externen Effekt]. Allerdings können externe Effekte auch positiver Natur sein, also dann, wenn sie für andere Gruppenmitglieder von Nutzen sind (vgl. positive Externalität). Kommt es zu derartigen gegenseitigen Beeinträchtigungen bei der Zielerreichung und Bedürfnisbefriedigung (z.B. zwei Menschen möchten denselben Apfel ernten und verzehren) dann bedarf es einer Regulation. Die Wahrscheinlichkeit des Entstehens von Normen ist dann stets sehr hoch. Negative Externalitäten werden dabei internalisiert. Es bleibt jedoch auch (um im Bespiel zu bleiben) die (möglicherweise gewalttätige) Aneignung des Apfels und dessen exklusiver Verzehr durch ein Individuum. Negative Externalitäten sind somit eliminiert. Dies schlösse eine Normbildung i.e.S. aus.




=== 2.2.1 Prominentes Beispiel: die „Labrador Indianer“ ===
=== 2.2.1 Prominentes Beispiel: die „Labrador Indianer“ ===
[[bild:Labrador_indianer.jpg|miniatur|150px|right|Zeichnung eines Labrador Indianers. Aus Brockhaus' Konversations-Lexikon, 14. Auflage.]]
[[bild:Labrador_indianer.jpg|miniatur|150px|right|Zeichnung eines Labrador Indianers. Aus Brockhaus' Konversations-Lexikon, 14. Auflage.]]
Harold Demsetz (1967, S. 34-37) beschreibt in seinem Aufsatz die Entwicklung von privaten Eigentumsrechten auf der von den Labrador Indianern bewohnten/verwalteten Insel. Das verhältnismäßig frühe Entstehen dieser Eigentumsrechte, bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts, begründet Demsetz mit dem Aufkommen des zeitgleich einsetzenden Pelzhandels. Zuvor war das Jagen von Wild jedem uneingeschränkt erlaubt. Besitz an Wild konnte sich ausschließlich auf die schließlich erlegte Jagdbeute beziehen, nicht jedoch auf das freilebende Tier. Mithin fühlte sich kein Jäger für den Erhalt des Wildbestandes verantwortlich, niemand investierte in konservierende Maßnahmen. Mit jedem erlegten Tier wuchs der Jagdaufwand für die Jäger. Das Jagdverhalten eines Jägers A zog also negative externe Effekte für die anderen Jäger nach sich. Diese für die anderen entstehenden Kosten nennt man daher externe Kosten. Da es zu keinem Kostenausgleich in dem Sinne kommt, dass Jäger A den Jäger B für dessen künftigen Mehraufwand entschädigt, mehr noch Jäger A dies in seinem Jagdverhalten keineswegs berücksichtigt / kalkuliert, werden die externen Kosten von Jäger A nicht internalisiert. Bei einem ausreichend großen Wildbestand und einem Jagdverhalten, welches nur der individuellen Bedürfnisbefriedigung dient, sind die externen Kosten derart gering, dass die Einführung eines Verteilungsschlüssels, bzw. Vorkehrungen zur Internalisierung dieser Kosten (letztlich einer Norm), vermutlich mit einem Mehr an Kosten verbunden wären. Im Ergebnis entstand also zunächst keine Norm, die die Güterverteilung reglementierte.
Harold Demsetz (1967, S. 34-37) beschreibt in seinem Aufsatz die Entwicklung von privaten Eigentumsrechten auf der von den Labrador Indianern bewohnten/verwalteten Insel. Das verhältnismäßig frühe Entstehen dieser Eigentumsrechte, bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts, begründet Demsetz mit dem Aufkommen des zeitgleich einsetzenden Pelzhandels. Zuvor war das Jagen von Wild jedem uneingeschränkt erlaubt. Besitz an Wild konnte sich ausschließlich auf die schließlich erlegte Jagdbeute beziehen, nicht jedoch auf das freilebende Tier. Mithin fühlte sich kein Jäger für den Erhalt des Wildbestandes verantwortlich, niemand investierte in konservierende Maßnahmen. Mit jedem erlegten Tier wuchs der Jagdaufwand für die Jäger. Das Jagdverhalten eines Jägers A zog also negative externe Effekte für die anderen Jäger nach sich. Diese für die anderen entstehenden Kosten nennt man daher externe Kosten. Da es zu keinem Kostenausgleich in dem Sinne kommt, dass Jäger A den Jäger B für dessen künftigen Mehraufwand entschädigt, mehr noch Jäger A dies in seinem Jagdverhalten keineswegs berücksichtigt / kalkuliert, werden die externen Kosten von Jäger A nicht [http://de.wikipedia.org/wiki/Internalisierung_%28Sozialwissenschaften%29 internalisiert]. Bei einem ausreichend großen Wildbestand und einem Jagdverhalten, welches nur der individuellen Bedürfnisbefriedigung dient, sind die externen Kosten derart gering, dass die Einführung eines Verteilungsschlüssels, bzw. Vorkehrungen zur Internalisierung dieser Kosten (letztlich einer Norm), vermutlich mit einem Mehr an Kosten verbunden wären. Im Ergebnis entstand also zunächst keine Norm, die die Güterverteilung reglementierte.
Durch den aufkommenden Pelzhandel stieg die Jagdaktivität der Indianer über deren individuelles Maß hinaus. Pelze waren gegen andere Güter einzutauschen und gewannen an Wert. Das übermäßige Jagdverhalten dezimierte den Wildbestand und es entstanden hohe externe Kosten, die aus a) den erschwerten Jagdbedingungen und b) dem gestiegenen Wert des Pelzes resultierten.
Durch den aufkommenden Pelzhandel stieg die Jagdaktivität der Indianer über deren individuelles Maß hinaus. Pelze waren gegen andere Güter einzutauschen und gewannen an Wert. Das übermäßige Jagdverhalten dezimierte den Wildbestand und es entstanden hohe externe Kosten, die aus a) den erschwerten Jagdbedingungen und b) dem gestiegenen Wert des Pelzes resultierten.
Diese Bedingungen schufen die Voraussetzungen zur Entstehung von Eigentumsrechten.
Diese Bedingungen schufen die Voraussetzungen zur Entstehung von Eigentumsrechten.
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