Motiv: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Interesse an Motiven setzt einerseits die Annahme voraus, dass ein Motiv mit der Persönlichkeit eines Handelnden verknüpft ist, und andererseits die Annahme, dass sich aus dem insofern persönlichkeitsgebundenen Motiv Aufschlüsse über Hintergründe einer Handlung ergeben können.
Das Interesse an Motiven setzt einerseits die Annahme voraus, dass ein Motiv mit der Persönlichkeit eines Handelnden verknüpft ist, und andererseits die Annahme, dass sich aus dem insofern persönlichkeitsgebundenen Motiv Aufschlüsse über Hintergründe einer Handlung ergeben können.


In der Psychologie wird das Motiv als "relativ überdauernde Disposition" unterschieden von der Motivation als Beweggrund "für das Hervorbringen einer konkreten Handlung" (GREUEL u. a., 1998, S.169). Solche Unterscheidung ist in der kriminologischen Literatur eher implizit zu finden: Solange in der Kriminologie die Vorstellung herrschte, dass ein Verbrecher verbrecherische Persönlichkeits-/Charakterzüge hat, war es naheliegend, ihm überdauernde verbrecherische Motive zu unterstellen. Wenn die Situation, in der Devianz auftritt, in den Mittelpunkt rückt, werden die womöglich wechselnden Motivationen interessanter, die auf ein Handlungsmotiv zurückwirken und es verändern können (vgl. die Bedingungen, die FELSON in seinem Routineaktivitäten-Ansatz als Voraussetzung einer Tat postuliert). SUTHERLAND geht in der Theorie der differenziellen Assoziation davon aus, dass auch Motive, die im Zusammenhang mit deviantem Verhalten stehen, gelernt werden (ALBRECHT in: HEITMEYER & HAGAN, 2002, S.765).  
In der Psychologie wird das Motiv als "relativ überdauernde Disposition" unterschieden von der Motivation als Beweggrund "für das Hervorbringen einer konkreten Handlung" (GREUEL u. a., 1998, S.169). Solche Unterscheidung ist in der kriminologischen Literatur eher implizit zu finden: Solange in der Kriminologie die Vorstellung herrschte, dass ein Verbrecher verbrecherische Persönlichkeits-/Charakterzüge hat, war es naheliegend, ihm überdauernde verbrecherische Motive zu unterstellen. Wenn die Situation, in der Devianz auftritt, in den Mittelpunkt rückt, werden die womöglich wechselnden Motivationen interessanter, die auf ein Handlungsmotiv zurückwirken und es verändern können (vgl. die Bedingungen, die FELSON in seinem Routineaktivitäten-Ansatz als Voraussetzung einer Tat postuliert). SUTHERLAND geht in der Theorie der differenziellen Assoziation davon aus, dass nicht die Motive selbst gelernt werden, die im Zusammenhang mit deviantem Verhalten stehen, wohl aber die Richtung und Bewertung der Motive (SUTHERLAND in: SACK & KÖNIG, 1974, S.396ff).  


==Facetten des Motivbegriffs==
==Facetten des Motivbegriffs==
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===intrinsisch/extrinsisch===  
===intrinsisch/extrinsisch===  
Motive können als intrinsisch oder extrinisch beschrieben werden: Der Besitz eines bestimmten Kleidungsstücks ist für mich so eng mit meinem Selbstwertempfinden verknüpft, dass ich es besitzen muss; wenn ich es nicht kaufen kann, stehle ich es (intrinsisch). Ohne dies Kleidungsstück zu stehlen, werde ich niemals die Anerkennung meiner peer-group erlangen (extrinisch).  
Motive können als intrinsisch oder extrinisch beschrieben werden: Der Besitz eines bestimmten Kleidungsstücks ist für mich so eng mit meinem Selbstwertempfinden verknüpft, dass ich es besitzen muss; wenn ich es nicht kaufen kann, stehle ich es (intrinsisch). Ohne dies Kleidungsstück zu stehlen, werde ich niemals die Anerkennung meiner peer-group erlangen (extrinisch). Intrinsische Motive sind so eher intrapsychisch angesiedelt, während extrinsische soziale Prozesse spiegeln. Gleichzeitig lassen extrinsische Motive wieder nach deren intrinsischer Verankerung fragen (warum ist mit die Anerkennung durch die peer-group wichtiger als die Norm?).


Die Annahmen der Kontrolltheorie könnten als Widerstreit intrinsischer und extrinsischer Motive beschrieben werden: Das intrinsische Motiv zu einer kriminellen Handlung steht den extrinsischen Motiven gegenüber, die sich aus den sozialen Bezügen ergeben.
Die Annahmen der Kontrolltheorie könnten als Widerstreit intrinsischer und extrinsischer Motive beschrieben werden: Das intrinsische Motiv zu einer kriminellen Handlung steht den extrinsischen Motiven gegenüber, die sich aus den sozialen Bezügen ergeben.
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==Literatur==
==Literatur==


Albrecht, G. in: Heitmeyer, W., Hagan, J.: Internationales Handbuch der Gewaltforschung. Wiesbaden 2002
Albrecht, G.: Soziologische Erklärungsansätze individueller Gewalt und ihre empirische Bewährung. In: Heitmeyer, W., Hagan, J. (Hrsg.): Internationales Handbuch der Gewaltforschung. Wiesbaden 2002


Greuel, L., Offe, S., Fabian, A., Wetzels, P., Fabian, T., Offe, H., Stadler, M.: Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage. Theorie und Praxis der forenisch-psychologischen Begutachtung. Weinheim 1998
Greuel, L., Offe, S., Fabian, A., Wetzels, P., Fabian, T., Offe, H., Stadler, M.: Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage. Theorie und Praxis der forenisch-psychologischen Begutachtung. Weinheim 1998
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Schwind, H.-D.: Kriminologie. Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen. 17., neuberabeitete und erweiterte Auflage. Heidelberg u.a. 2007
Schwind, H.-D.: Kriminologie. Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen. 17., neuberabeitete und erweiterte Auflage. Heidelberg u.a. 2007
Sutherland, E.H.: Die Theorie der differentiellen Kontakte. In: Sack, F. & König, R. (Hrsg.): Kriminalsoziologie. Frankfurt 1974


http://de.wikipedia.org/wiki/Motiv_%28Psychologie%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Motiv_%28Psychologie%29
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