Meinungsfreiheit

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Die Meinungsfreiheit ist das Recht auf die unbehinderte Äußerung der eigenen Ansichten über alles und jedes - und insbesondere über politische und gesellschaftliche Fragen. Mit der Meinungsfreiheit unvereinbar ist die Zensur von Büchern oder Zeitschriften, von Internetbeiträgen oder anderen Meinungsäußerungen in Schrift, Wort oder Bild. Mit der Meinungsfreiheit unvereinbar sind auch Einschränkungen der Informationsfreiheit (Meinungsbildung ist eine Voraussetzung der Meinungsäußerung) und der Demonstrationsfreiheit (als kollektiver Form der öffentlichen Meinungsäußerung). Wenn in einer Gesellschaft nicht alle Mitglieder ihre Meinung frei bilden und öffentlich äußern dürfen, dann ist die Gesellschaft keine freie Gesellschaft. Und kein Individuum ist frei, wenn es seine Meinung nicht frei bilden und äußern darf.

Meinungsfreiheit ist in den Menschenrechtskonventionen als Menschenrecht anerkannt und in Deutschland auch als Grundrecht im Grundgesetz verankert. Im einzelnen gibt es aber weltweit und in jeder Gesellschaft unterschiedliche Ansichten über den Inhalt und die Grenzen der Meinungsfreiheit. In vielen Staaten wird insbesondere keine Kritik an der Regierung oder an den gesellschaftlichen Verhältnissen geduldet. Kritiker (Dissidenten) werden häufig strafrechtlich verfolgt (prisoners of conscience).

Kriminologisch relevant ist die Meinungsfreiheit wegen der Straftaten, die im Kontext der Äußerung oder Unterdrückung von Meinungen begangen werden. Solche Straftaten gibt es in allen Gesellschaften, weil es überall Konflikte um den Inhalt und die Grenzen der Meinungsfreiheit gibt - und weil diese Konflikte typischerweise auch von Konflikten um die Grenze zwischen dem strafrechtlich Verbotenen und dem strafrechtlich Erlaubten begleitet werden.

Umstritten sind typischerweise die Grenzen zwischen der Meinungsfreiheit auf der einen Seite und der persönlichen Ehre (Beleidigung), bzw. der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Androhung von Straftaten), bzw. der Achtung vor den Symbolen und der Sicherheit des Staates (Staatsschutzdelikte) auf der anderen Seite.

Konflikte um die Grenzen der Meinungsfreiheit sind oft Ausdruck von Konflikten um das Selbstverständnis eines Staates und um den Status gesellschaftlicher Gruppen. Solche Konflikte erregen oft große öffentliche Aufmerksamkeit, bzw. Skandale. Konflikte um die Grenzen der Meinungsfreiheit kennen die Rollen der autoritären Regierung, des Zensors, des anstößigen Tabuverletzers, des Psychopathen, des Geächteten und in seiner bürgerlichen Existenz Vernichteten, aber auch des Helden mit Zivilcourage und des für seine Meinung inhaftierten oder getöteten Märtyrers.

Geschichte

"Wenn nicht Meinung gegen Meinung offen gesagt wird, lässt isch die bessere nicht herausfinden" (Herodot, 485-425 v. Chr.)


Einschränkungen der Meinungsfreiheit

Amerika

In den USA verbietet der 1791 verabschiedete Zusatzartikel (Amendment) zur Verfassung dem Kongress, Gesetze zu verabschieden, die die Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit oder das Petitionsrecht einschränken. Außerdem verbietet der Artikel die Einführung einer Staatsreligion und die Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Religionen durch Bundesgesetz. In einer knappen Entscheidung hob der Supreme Court 1969 die Bestrafung einer Person auf, die aus Protest gegen den Vietnam-Krieg die US-Flagge verbrannte. Einer der Richter erklärte damals: „Wenn es ein Grundprinzip des ersten Verfassungszusatzes gibt, ist dies das Prinzip, das der Regierung verbietet, den Ausdruck einer Idee nur aufgrund der Tatsache, dass die Gesellschaft diese Idee für beleidigend und widerwärtig hält, zu untersagen.“

China

In China wird das Internet in großem Maßstab kontrolliert. Es gibt eine automatische Überwachungstechnik namens "Great Chinese Firewall". Unerwünschte Internetseiten (von Menschenrechtsorganisationen, Exiltibetern, ausländischen Medien oder der Falun-Gong-Gemeinde) werden immer wieder geblockt:

"Auch westliche Suchmaschinen müssen in ihrem chinesischen Angebot bestimmte Seiten unterdrücken, um den Marktzugang nicht zu verlieren. Angeblich sind mittlerweile etwa 30 000 Internet-Polizisten im Einsatz, die Blogs und Diskussionsforen überwachen, unliebsame Beiträge sperren, aber auch selbst parteifreundliche Kommentare schreiben. Zudem wird der gesamte E-Mail-Verkehr elektronisch gefiltert. Findet die Überwachungssoftware verdächtige Begriffe, wird ein Zensor eingeschaltet. Ihm bleibt ein gewisser Spielraum bei der Beurteilung. Manche Mails verschwinden spurlos; andere bleiben ganz und gar nicht folgenlos. Denn Internetunternehmen geben den Behörden auch sensible Informationen heraus. Mehrfach wurden auf diese Weise identizifizierte Dissidenten zu hohen Haftstrafen verurteilt" (FAZ 01.08.08: 4).

Schon wer in China Demonstrationen auch nur anmelden möchte, riskiert Lagerhaft. Im August 2008 wurden die 79 Jahre alte Wu Dia-nyuan und die 77 Jahre alte Wang Xiu-ying in Peking wegen 'Störung der öffentlichen Ordnung' ohne Gerichtsverhandlung zu einem Jahr Administrativhaft in einem Lager verurteilt: "Die beiden Frauen wollten in einer der eigens für die Zeit der Olympischen Spiele eingerichteten 'Demonstrations-Zonen' in Pekinger Parks dagegen protestieren, dass sie ohne Entschädigung aus ihren Häusern vertrieben wurden, als die Stadt diese zum Abriss freigab. Sie hatten fünf Anträge eingereicht (...) Die chinesischen Behörden haben bisher keine Demonstration für die Zeit der Spiele genehmigt, nachdem sie eigens für diesen Zweck drei Parks bestimmt hatten. Es wurden mindestens zwei Chinesen festgenommen, die eine Demonstration beantragt hatten. Insgesamt sind bisher bei der Polizei 77 Anträge auf Demonstrationen in den Parks eingegangen, 74 Antragsteller hätten die Anträge aber selbst zurückgezogen, meldeten die Behörden" (FAZ 21.08.08; "Lagerhaft für zwei Rentnerinnen").


In Ruanda

Seit der Beendigung des Völkermords (1994) herrscht ein autoritäres Regime in Ruanda. Die Regierung selbst entscheidet übe die Zulassung von politischen Parteien, so dass es keine wirkliche Opposition gibt (eine Oppositionspartei der Exilruander - die "Vereinten Demokratischen Kräfte", FDU, existiert in Brüssel). Wirtschaftlich hat sich Ruanda in den Jahren 1994-2008 unter Präsident Kagame gut entwickelt, "Meinungsfreiheit aber gibt es nicht" (FAZ 19.09.08: 6; "Kagames Partei siegt in Ruanda").


In Deutschland

In Deutschland entscheidet die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, welche Seiten Suchmaschinenbetreiber unterdrücken müssen. Insofern ermöglicht das Internet in Deutschland keine unbegrenzte Meinungs- und Informationsfreiheit. In der Praxis soll es sich bei den unterdrückten Seiten meist um politisch extreme oder um (kinder-) pornographische Seiten handeln.

Eine laut Urteil des Bundesverfassungsgserichts vom 04.11.2009 erlaubte Einschränkung der Meinungsfreiheit im Sinne des Grundgesetzes stellt die Strafandrohung des am 01.04.2005 in Kraft getretenen § 130 Abs. 4 StGB dar. Absatz 4 stelle zwar eine Sonderbestimmung und kein allgemeines Gesetz dar, wie es in Artikel 5 für eine rechtmäßige Einschränkung der Meinungsfreiheit eigentlich gefordert würde. Angesichts der Erstehungsgeschichte des Grundgesetzes und der Bundesrepublik Deutschland als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus sei eine solche Einschränkung hierzulande gleichwohl erlaubt.

Fälle

  • Nachdem die Bezeichnung der deutschen Flaggenfarben als "Schwarz-Rot-Senf" von zwei Instanzen für strafbar erklärt worden war, verwies das Bundesverfassungsgericht den Fall wieder zurück an das Landgericht (1 BvR 1565/05; FAZ 01.11.08:6).
  • Vergleich Deutschland - USA. Viele Äußerungen, die in Deutschland als Volksverhetzung (NS-Propaganda, Gewaltverherrlichung) strafbar sind, sind in den USA unbestrittener Teil der Meinungsfreiheit. "In Deutschland sind die Grenzen des rechtlich Erlaubten und des sozialmoralisch Erträglichen enger gezogen als in Amerika. Die Redefreiheit ist die iure und de facto geschichtspolitisch beschränkt" (Bahners 2008).
  • Der im Jahre 2005 eingeführte § 130 IV des deutschen Strafgesetzbuchs wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß erklärt. Die Vorschrift lautet: "Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt." Das Bundesverfassungsgericht erklärte dazu (4.11.2009): "1. § 130 Abs. 4 StGB ist auch als nichtallgemeines Gesetz mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar. Angesichts des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen setzen, eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze immanent. 2. Die Offenheit des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für derartige Sonderbestimmungen nimmt den materiellen Gehalt der Meinungsfreiheit nicht zurück. Das Grundgesetz rechtfertigt kein allgemeines Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts.“

Österreich

  • Die Berufung auf die Meinungsfreiheit nützte einem emeritierten Wiener Medizinprofessor nichts, als er nach einer Rede, die er 2006 am Grab eines Weltkrieg-II-Jagdfliegers gehalten hatte, unter dem Vorwurf einer schweren Pflichtverletzung als Universitätsrat abberufen wurde. Bei dem Jagdflieger handelte es sich um Walter Nowotny, der 1944 ein Staatsbegräbnis erhalten hatte, als er nach 258 Luftsiegen im Alter von 23 Jahren abgeschossen worden war. Der Redner hatte erklärt, dass die Versammlung am Grab des Jagdfliegers sich nicht "als Wallfahrer an einer heiligen Stätte" verstehe, es aber für ihre Pflicht hielt "aufzuzeigen, dass es doch noch ein Fähnlein in den deutschen Landen gibt, die unsere unschuldigen Soldaten und ihren furchtbaren Tod nicht vergessen oder gar herabwürdigen". Das österreichische Verfassungsgericht erkannte darin eine unkritische Haltung gegenüber dem NS-Regime. Deshalb könne in der Maßregelung des Redners keine Verletzung der Meinungsfreiheit liegen (Az. B 225/07; Europäische Grundrechte-Zeitschrift 2008: 428 ff.; Müller 2008).

Literatur

  • Bahners, Patrick (2008) Was darf eine Jüdin in Deutschland gegen Israel sagen? Der Zentralrat der Juden und der Antisemitismusvorwurf: Zum Rechtsstreit zwischen Henryk M. Broder und Evelyn Hecht-Galinski. FAZ 21.08.08: 41.
  • Chinas Internet-Zensur ruft Empörung hervor. FAZ 01.08.08: 4.

Links