Marburger Programm: Unterschied zwischen den Versionen

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==Historische Entwicklung im Vorfeld des Marburger Programms==
==Historische Entwicklung im Vorfeld des Marburger Programms==
Der Mailänder Aristokrat und sogenannte Begründer der Kriminologie [[Cesare Beccaria]] forderte in seinem von utilitaristischem Denken geprägten, 1764 erschienenen Werk „Dei delitti e delle pene“ erstmals u.a. die Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung. Bislang herrschten allerdings die absoluten, sich auf den lateinischen Grundsatz: „Punitur, quia peccatum est“ (Bestraft wird, weil Unrecht begangen worden ist) stützenden Straftheorien [[Immanuel Kants]] und [[Georg Wilhelm Friedrich Hegels]] vor.  
Der Mailänder Aristokrat und sogenannte Begründer der Kriminologie [[Cesare Beccaria]] forderte in seinem von utilitaristischem Denken geprägten, 1764 erschienenen Werk „Dei delitti e delle pene“ erstmals u.a. die Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung. Bislang herrschten allerdings die absoluten, sich auf den lateinischen Grundsatz: „Punitur, quia peccatum est“ (Bestraft wird, weil Unrecht begangen worden ist) stützenden Straftheorien [[Immanuel Kants]] und [[Georg Wilhelm Friedrich Hegels]] vor.  
Die positive Schule der Kriminologie mit ihren Mitbegründern [[Cesare Lombroso]],[[Enrico Ferri]] und [[Raffaele Garofalo]] trat 1876 der klassischen Schule gegenüber und bestritt den juristischen Charakter des Strafrechts. Vielmehr wurde es als Zweig der Gesellschaftswissenschaften angesehen. Den Wirkungen der Strafe wurde nunmehr misstraut und die These, dass das Strafgesetzbuch von 1871 bei der wirksamen Bekämpfung der bedrohlich steigenden Kriminalität versagt habe und den Schutz der Gesellschaftsordnung vor dem Verbrechertum nicht gewährleiste, fand zunehmend Anhänger. Es wurden Präventivmaßregeln („Strafsurrogate“) postuliert. An Ferris weiter Definition der Kriminalsoziologie, die auch gesellschaftliche Kriminalitätsursachen mit einbezog, orientierte sich von Liszt.
Die positive Schule der Kriminologie mit ihren Mitbegründern [[Cesare Lombroso]], [[Enrico Ferri]] und [[Raffaele Garofalo]] trat 1876 der klassischen Schule gegenüber und bestritt den juristischen Charakter des Strafrechts. Vielmehr wurde es als Zweig der Gesellschaftswissenschaften angesehen. Den Wirkungen der Strafe wurde nunmehr misstraut und die These, dass das Strafgesetzbuch von 1871 bei der wirksamen Bekämpfung der bedrohlich steigenden Kriminalität versagt habe und den Schutz der Gesellschaftsordnung vor dem Verbrechertum nicht gewährleiste, fand zunehmend Anhänger. Es wurden Präventivmaßregeln („Strafsurrogate“) postuliert. An Ferris weiter Definition der Kriminalsoziologie, die auch gesellschaftliche Kriminalitätsursachen mit einbezog, orientierte sich von Liszt.
Der Rechtswissenschaftler [[Rudolf von Jhering]], der zunächst von der Begriffsjurisprudenz geprägt war, später zu einer der schärfsten Kritiker dieser Methodik und zum Vertreter der Interessensjurisprudenz wurde, übte als Anhänger der relativen Straftheorie auf von Liszt als dessen Lehrer großen Einfluss aus. Von Liszt übertrug dessen im Jahre 1877 erschienenen Werk „Der Zweck im Recht“ publizierte Konzeptionen auf das Strafrecht. Damit setzte er mit seinem „Marburger Programm“ dem tatorientierten Vergeltungsstrafrecht, zu dessen Vertretern [[Paul Johann Anselm von Feuerbach]] und [[Karl Lorenz Binding]] zu zählen sind, das täterorientierte Präventionsstrafrecht entgegen.  
Der Rechtswissenschaftler [[Rudolf von Jhering]], der zunächst von der Begriffsjurisprudenz geprägt war, später zu einer der schärfsten Kritiker dieser Methodik und zum Vertreter der Interessensjurisprudenz wurde, übte als Anhänger der relativen Straftheorie auf von Liszt als dessen Lehrer großen Einfluss aus. Von Liszt übertrug dessen im Jahre 1877 erschienenen Werk „Der Zweck im Recht“ publizierte Konzeptionen auf das Strafrecht. Damit setzte er mit seinem „Marburger Programm“ dem tatorientierten Vergeltungsstrafrecht, zu dessen Vertretern [[Paul Johann Anselm von Feuerbach]] und [[Karl Lorenz Binding]] zu zählen sind, das täterorientierte Präventionsstrafrecht entgegen.
 
==Inhalt==
==Inhalt==
===Ausgangspunkt===
===Ausgangspunkt===
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