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== Etymologie == | ==Allgemeines== | ||
=== Etymologie === | |||
Im Spätmittelhochdeutschen stand "maz" für das Maß und die Maßeinheit, im Mittelhochdeutschen bezeichnete "mez" das Maß. Der indoeuropäische Stamm des Verbs messen" med-," bedeutet ermessen oder bedacht sein. | Im Spätmittelhochdeutschen stand "maz" für das Maß und die Maßeinheit, im Mittelhochdeutschen bezeichnete "mez" das Maß. Der indoeuropäische Stamm des Verbs messen" med-," bedeutet ermessen oder bedacht sein. | ||
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Das mittelhochdeutsche "sicherunge" steht für Sicherung, Sicherstellung. Synonyme für Sicherung sind wegschließen, bewachen und jemanden hinter Schloß und Riegel bringen. Der germanische Stamm *sleutan bedeutet schließen, einen Riegel geben. Das verwandte Wort Schloß mit dem germanischen Stamm *sluta, *slutam steht auch für Riegel. | Das mittelhochdeutsche "sicherunge" steht für Sicherung, Sicherstellung. Synonyme für Sicherung sind wegschließen, bewachen und jemanden hinter Schloß und Riegel bringen. Der germanische Stamm *sleutan bedeutet schließen, einen Riegel geben. Das verwandte Wort Schloß mit dem germanischen Stamm *sluta, *slutam steht auch für Riegel. | ||
== Definition == | === Definition === | ||
"Eine Maßregel der Besserung und Sicherung ist in Deutschland eine vom Strafrichter verhängte Rechtsfolge für eine rechtswidrige Tat". | "Eine Maßregel der Besserung und Sicherung ist in Deutschland eine vom Strafrichter verhängte Rechtsfolge für eine rechtswidrige Tat". | ||
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== Entstehungsgeschichte == | == Entstehungsgeschichte == | ||
Die Wurzeln der Institution "Maßregeln der Besserung und Sicherung" reichen (zumindest) zurück bis zum Marburger Programm und zur Idee der schuldunabhängigen Sicherung der Gesellschaft vor weiteren Taten gefährlicher und unverbesserlicher Täter (von Liszt, 1883: 38, zitiert nach Schewe, 1999: 3). Während v. Liszt die Strafe überhaupt zugunsten der Maßregeln aufgeben wollte, setzte sich dann als Kompromiss die Idee des Nebeneinanders von Strafen und Maßregeln (Carl Stooss) durch. Stooss sah die Strafe als schuldabhängig, wollte aber auch bei schuldunfähigen gefährlichen Tätern eine sichernde Sanktion ermöglichen. Deshalb baute er in seinen Vorentwurf des allgemeinen Teils des schweizerischen Strafrechts erstmalig sichernde Maßnahmen in das vorhandene Strafrecht ein. | Die Wurzeln der Institution "Maßregeln der Besserung und Sicherung" reichen (zumindest) zurück bis zum Marburger Programm und zur Idee der schuldunabhängigen Sicherung der Gesellschaft vor weiteren Taten gefährlicher und unverbesserlicher Täter (von Liszt, 1883: 38, zitiert nach Schewe, 1999: 3). Während [[Franz v. Liszt]] die Strafe überhaupt zugunsten der Maßregeln aufgeben wollte, setzte sich dann als Kompromiss die Idee des Nebeneinanders von Strafen und Maßregeln ([[Carl Stooss]]) durch. Stooss sah die Strafe als schuldabhängig, wollte aber auch bei schuldunfähigen gefährlichen Tätern eine sichernde Sanktion ermöglichen. Deshalb baute er in seinen Vorentwurf des allgemeinen Teils des schweizerischen Strafrechts erstmalig sichernde Maßnahmen in das vorhandene Strafrecht ein. | ||
Eingeführt wurden die Maßregeln der Besserung und Sicherung in Deutschland durch das (NS-) Gewohnheitsverbrechergesetz (= Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24.11.1933). | Eingeführt wurden die Maßregeln der Besserung und Sicherung in Deutschland durch das (NS-) Gewohnheitsverbrechergesetz (= Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24.11.1933). | ||
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Einzelne frühere Vorschläge aus der Weimarer Zeit werden vom Naziregime derartig umgebogen, um sie als Instrumente für die Durchsetzung politischer Zwecke nützlich zu machen. | Einzelne frühere Vorschläge aus der Weimarer Zeit werden vom Naziregime derartig umgebogen, um sie als Instrumente für die Durchsetzung politischer Zwecke nützlich zu machen. | ||
Zum Beispiel wurde im Zusammenhang mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ bereits im Sommer 1933 über eine Vorschrift beraten, die die Sterilisation und Kastration von Straftätern möglich machen soll. Hitler gibt ein Sondergesetz über die „Entmannung von gemeingefährlichen Sexualverbrechern und die Unfruchtbarmachung von Gewohnheitsverbrechern“ in Auftrag. (vgl. Müller: 1997, 34 ff.)<br> | Zum Beispiel wurde im Zusammenhang mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ bereits im Sommer 1933 über eine Vorschrift beraten, die die Sterilisation und Kastration von Straftätern möglich machen soll. Hitler gibt ein Sondergesetz über die „Entmannung von gemeingefährlichen Sexualverbrechern und die Unfruchtbarmachung von Gewohnheitsverbrechern“ in Auftrag. (vgl. Müller: 1997, 34 ff.)<br> | ||
Die gesetzlichen Hürden für die Sicherungsverwahrung wurden so niedrig gesetzt, dass die Anordnungen beliebig ausgedehnt werden konnten. Diese Maßnahmen gipfelten dann zwischen 1939 und 1945 in organisierten Tötungsaktionen, die u. a. auch | Die gesetzlichen Hürden für die Sicherungsverwahrung wurden so niedrig gesetzt, dass die Anordnungen beliebig ausgedehnt werden konnten. Diese Maßnahmen gipfelten dann zwischen 1939 und 1945 in organisierten Tötungsaktionen, die u. a. auch "PatientInnen" der psychiatrischen Maßregel und Sicherungsverwahrte betraf. (vgl. Dessecker, 2004: 98 ff.) <br> | ||
Nach 1945 wird die Maßregel der „Entmannung“ als nationalsozialistisches Unrecht aufgehoben. Die 1941 eingeführte Todesstrafe für Gewohnheits- und Sittlichkeitsverbrecher wurde abgeschafft. (vgl. Müller: 1997, 95) In der amerikanischen Zone wird vorübergehend das Arbeitshaus abgeschafft. <br> | Nach 1945 wird die Maßregel der „Entmannung“ als nationalsozialistisches Unrecht aufgehoben. Die 1941 eingeführte Todesstrafe für Gewohnheits- und Sittlichkeitsverbrecher wurde abgeschafft. (vgl. Müller: 1997, 95) In der amerikanischen Zone wird vorübergehend das Arbeitshaus abgeschafft. <br> | ||
Die DDR übernimmt die Sicherungsverwahrung nicht. Auch im Einigungsvertrag wird sie erst nicht mit übernommen. 1995 wird sie dann auch in den neuen Bundesländern eingeführt. | Die DDR übernimmt die Sicherungsverwahrung nicht. Auch im Einigungsvertrag wird sie erst nicht mit übernommen. 1995 wird sie dann auch in den neuen Bundesländern eingeführt. | ||
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Erst im Rahmen der Strafrechtsreform von 1969 erfuhr das Maßregelrecht in der BRD eine erste größere Umgestaltung. Hier wurden die Begriffe dann umgestellt und der Besserungsgedanke rückte in den Vordergrund. Das System der Zweispurigkeit wurde dabei nicht mehr in Frage gestellt. Das Gesetz wurde an die neueren rechts- und kriminalpolitischen Entwicklungen angepasst. So ist beispielsweise das Arbeitshaus endgültig abgeschafft, das mit dem Grundgesetz eingeführte Verhältnismäßigkeitsprinzip gestärkt, und die Führungsaufsicht neu gestaltet worden. (vgl. Meier, 2001: 219) | Erst im Rahmen der Strafrechtsreform von 1969 erfuhr das Maßregelrecht in der BRD eine erste größere Umgestaltung. Hier wurden die Begriffe dann umgestellt und der Besserungsgedanke rückte in den Vordergrund. Das System der Zweispurigkeit wurde dabei nicht mehr in Frage gestellt. Das Gesetz wurde an die neueren rechts- und kriminalpolitischen Entwicklungen angepasst. So ist beispielsweise das Arbeitshaus endgültig abgeschafft, das mit dem Grundgesetz eingeführte Verhältnismäßigkeitsprinzip gestärkt, und die Führungsaufsicht neu gestaltet worden. (vgl. Meier, 2001: 219) | ||
== | == Grundlagen == | ||
=== | === Strafe und Maßregel === | ||
Während Strafen als Reaktion auf vergangene Handlungen gedacht sind, sollen Maßregeln der Besserung und Sicherung künftige Gefährlichkeit verhindern. Letztere sind somit kriminalpräventive Institutionen. (Siehe Grundbegriff [[Prävention]]) | |||
===Verhältnismäßigkeit=== | |||
Bevor eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet werden kann, muss zuvor eine eingehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit stattgefunden haben. Nach § 62 StGB darf die Massregel weder zur Bedeutung der vom Täter begangenen Tat, noch zum Grad der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit außer Verhältnis stehen. | |||
=== | |||
Bevor eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet werden kann, muss zuvor eine eingehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit stattgefunden haben. | |||
§ 62 | |||
===Gefährlichkeitsprognose=== | |||
Weiterhin setzen alle Maßregeln eine [[Prognose]] der Gefährlichkeit voraus, die in ihren Bezugspunkten jedoch variiert. Für die sechs Maßregeln zeigt der Gesetzestext kein einheitliches Bild, was die rechtlichen Vorraussetzungen und die Anwendungspraxis betrifft. | |||
== Freiheitsentziehende Maßregeln == | == Freiheitsentziehende Maßregeln == | ||
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===§66 <nowiki>StGB</nowiki>-Sicherungsverwahrung=== | ===§66 <nowiki>StGB</nowiki>-Sicherungsverwahrung=== | ||
Im Gegensatz zu den vorher genannten Maßregeln (nach den §§ 63 und 64 <nowiki>StGB</nowiki>) Untergebrachten, steht bei der [[Sicherungsverwahrung]] die "sichere Unterbringung" zum Schutz der Allgemeinheit im Vordergrund (§ 129 StVollzG). Unter dem Einfluss des Prinzips der Resozialisierung sollen jedoch auch hier Angebote zur Wiedereingliederung gemacht werden. | |||
Alle zwei Jahre muss gerichtlich geprüft werden, ob die Maßnahme weiterhin notwendig ist, oder ob eine Entlassung auf Bewährung möglich ist. <br> | Alle zwei Jahre muss gerichtlich geprüft werden, ob die Maßnahme weiterhin notwendig ist, oder ob eine Entlassung auf Bewährung möglich ist. <br> | ||
Durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 1. April 1998 wurde die zwingende Entlassung aus der ersten Sicherungsverwahrung nach Ablauf von 10 Jahren aufgehoben. Wird festgestellt, dass die Gefahr besteht, dass der Sicherungsverwahrte infolge seines Hanges weitere erhebliche Straftaten begehen wird, kann die Maßregel über die 10 Jahre hinaus vollstreckt werden. Für die Betroffenen heißt das im schlechtesten Fall lebenslänglich. <br> | Durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 1. April 1998 wurde die zwingende Entlassung aus der ersten Sicherungsverwahrung nach Ablauf von 10 Jahren aufgehoben. Wird festgestellt, dass die Gefahr besteht, dass der Sicherungsverwahrte infolge seines Hanges weitere erhebliche Straftaten begehen wird, kann die Maßregel über die 10 Jahre hinaus vollstreckt werden. Für die Betroffenen heißt das im schlechtesten Fall lebenslänglich. <br> | ||
Seither ist es, unter dem Druck einzelner Bundesländer, zu einer beträchtlichen Aufwertung der Sicherungsverwahrung gekommen. 2002 wurde durch § 66a StGBdie Möglichkeit eingeführt, dass ein noch unentschlossenes Tatgericht sich eine spätere Einweisung in die Sicherungsverwahrung ausdrücklich vorbehalten kann. 2004 ging der Bundestag einen Schritt weiter und beschloss in § 66b StGB die Möglichkeit der nachträglichen Verhängung der Sicherungsverwahrung für den Fall, dass sich während des Vollzuges Anhaltspunkte für eine künftige Gefährlichkeit ergeben. Die Entscheidung darüber muss die zusändige Strafvollstreckungskammer treffen. 2008 wurde die Sicherungsverwahrung auch im [[Jugendstrafrecht]] eingeführt. | |||
===Fazit=== | ===Fazit=== | ||
Seit Bestehen der Maßregeln waren diese immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. <br> | Seit Bestehen der Maßregeln waren diese immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. <br> | ||
Der wohl älteste Vorwurf ist der des Etikettenschwindels. Er wurde bereits vor Einführung der Maßregeln, von Moritz | Der wohl älteste Vorwurf ist der des Etikettenschwindels. Er wurde bereits vor Einführung der Maßregeln, von [[Moritz Liepmann]] erhoben (Dessecker, 2004, S. 25) und dauert bis heute an. Kritisiert wird, dass sich Strafe und Maßregel (insb. die Sicherungsverwahrung) in ihrer Ausgestaltung faktisch nicht voneinander unterscheiden. | ||
== Maßregeln ohne Freiheitsentzug == | == Maßregeln ohne Freiheitsentzug == | ||
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*Gronemeyer, D. Zur Reformbedürftigkeit der strafrechtlichen Fahrerlaubnisentziehung und des strafrechtlichen Fahrverbots, Frankfurt am Main: Lang, 2001 | *Gronemeyer, D. Zur Reformbedürftigkeit der strafrechtlichen Fahrerlaubnisentziehung und des strafrechtlichen Fahrverbots, Frankfurt am Main: Lang, 2001 | ||
*Kaiser, G.: Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? Heidelberg: C.F. Müller,1990 | *Kaiser, G.: Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? Heidelberg: C.F. Müller,1990 | ||
*Mushoff, T.: | *Mushoff, T.: BVerfG zur Sicherungsverwahrung. Forum Recht Heft 2 (2004), S. 66 | ||
*Meier, B.-D.: Strafrechtliche Sanktionen. Berlin u. a.: Springer, 2001, S. 217-307 | *Meier, B.-D.: Strafrechtliche Sanktionen. Berlin u. a.: Springer, 2001, S. 217-307 | ||
*Müller, Christian: Das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24.11.1933. Kriminalpolitik als Rassenpolitik. Baden-Baden, Nomos, 1997 | *Müller, Christian: Das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24.11.1933. Kriminalpolitik als Rassenpolitik. Baden-Baden, Nomos, 1997 |
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