Louk Hulsman: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Louk Hulsman''' (richtig: Lodewijk Henri Christian Hulsman; * [[8. März]] [[1923]] in [[Kerkrade/NL]], gest. 28.01.2009 in Dordrecht/NL) war von 1965 bis 1974 Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Erasmus Universität Rotterdam und wird zusammen mit [[Thomas Mathiesen]] und [[Nils Christie]] zu den prominentesten Vertretern des strafrechtlichen [[Abolitionismus]] gezählt.
'''Louk Hulsman''' (richtig: Lodewijk Henri Christian Hulsman; * [[8. März]] [[1923]] in [[Kerkrade/NL]], gest. 28.01.2009 in Dordrecht/NL) war und wird zusammen mit [[Thomas Mathiesen]] und [[Nils Christie]] zu den prominentesten Vertretern des strafrechtlichen [[Abolitionismus]] gezählt. Seiner Ansicht nach ist "Kriminalität" nicht etwa das Objekt, sondern ein Ergebnis von Kriminalpolitik. Kriminalität bezeichne allerdings weder eine ausserordentliche Gruppe von Ereignissen mit gemeinsamen Eigenschaften, die sie von nicht-kriminellen Ereignissen unterscheide - noch machten "Kriminelle" eine besondere Gruppe von Menschen aus, die sich durch gemeinsame Eigenschaften von anderen Menschen unterscheiden liessen. Deshalb sah er die Aufgabe der Kriminologie darin, (1) die Aktivitäten des Strafrechtssystems zu beschreiben, zu erklären und zu entmystifizieren und dessen kontraproduktiven Folgen zu thematisieren - und dies unter Betonung der Definitionsprozesse, (2) zu illustrieren, wie problematische Situationen ohne Nutzung des Strafrechtssystems bearbeitet werden, (3) Strategien der Abschaffung des Strafrechtssystems zu studieren und (4) ein Vokabular zu schaffen, das es erlaubt, Fragen problematischer Situationen zu thematisieren, ohne dem "Bias" des herrschenden "control babble" (Stanley Cohen) zum Opfer zu fallen (Hulsman 1986: 78 f.).  


== Leben ==
== Leben ==
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Von 1945 bis 1948 studierte Hulsman Jura in [[Leiden]], einer Universität, die er nicht zuletzt deshalb wählte, weil die Besatzer die Universität zuvor wegen der Unbotmäßigkeit einiger Professoren geschlossen hatten und weil hier nach dem Krieg eine ansprechende Aufbruchsstimmung und Offenheit gegenüber neuen Ideen herrschte. Er interessierte sich für Römisches Recht - nicht zuletzt wegen der Qualitäten des Lehrstuhlinhabers, der frühzeitig neue gruppenorientierte Lehr- und Lernformen eingeführt hatte. Er sah sich aber auch u.a. in der Astronomie und den Verhaltenswissenschaften um.
Von 1945 bis 1948 studierte Hulsman Jura in [[Leiden]], einer Universität, die er nicht zuletzt deshalb wählte, weil die Besatzer die Universität zuvor wegen der Unbotmäßigkeit einiger Professoren geschlossen hatten und weil hier nach dem Krieg eine ansprechende Aufbruchsstimmung und Offenheit gegenüber neuen Ideen herrschte. Er interessierte sich für Römisches Recht - nicht zuletzt wegen der Qualitäten des Lehrstuhlinhabers, der frühzeitig neue gruppenorientierte Lehr- und Lernformen eingeführt hatte. Er sah sich aber auch u.a. in der Astronomie und den Verhaltenswissenschaften um.


Strafrecht und Kriminologie hörte Hulsman bei Jacob Maarten van Bemmelen (1898-1982), in dessen kleinem kriminologischen Institut er einige Zeit für 250 Gulden im Monat arbeitete. Auf Empfehlung Van Bemmelens erhielt Hulsman dann eine Anstellung im Kriegsministerium (1949-1955), das ihn für einige Jahre (1951-1954) zum Projekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft [[EVG]] nach Paris entsandte. Als Ministerialbeamter im Justizministerium (1955-1964) engagierte sich Hulsman in der Reform der Staatsanwaltschaft und im Europarat - und blieb dem Ministerium auch nach seinem Wechsel auf die Professur für Strafrecht und Kriminologie in der neugegründeten juristischen Fakultät an der Reformuniversität Rotterdam bis etwa 1978 als Berater erhalten.
Strafrecht und Kriminologie hörte Hulsman bei Jacob Maarten van Bemmelen (1898-1982), in dessen kleinem kriminologischen Institut er einige Zeit für 250 Gulden im Monat arbeitete. Auf Empfehlung Van Bemmelens erhielt Hulsman dann eine Anstellung im Kriegsministerium (1949-1955), das ihn für einige Jahre (1951-1954) zum Projekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft [[EVG]] nach Paris entsandte. Als Ministerialbeamter im Justizministerium (1955-1964) engagierte sich Hulsman in der Reform der Staatsanwaltschaft und im Europarat - und blieb dem Ministerium als Berater auch nach seinem Wechsel an die Universität bis etwa 1978 erhalten.


Leitgedanke der Schaffung des Lehrstuhls war die Reform der Juristenausbildung im Sinne einer Zusammenarbeit mit den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie und Sozialpsychologie sowie einer erhöhten Wahlfreiheit der Studierenden in bezug auf die Gestaltung ihres Studiums.
Von 1965-1974 war Hulsman Professor für Strafrecht und Kriminologie an der neugegründeten juristischen Fakultät an der reformorientierten Erasmus Universität Rotterdam. Leitgedanke der Schaffung des Lehrstuhls war die Reform der Juristenausbildung im Sinne einer Zusammenarbeit mit den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie und Sozialpsychologie sowie einer erhöhten Wahlfreiheit der Studierenden in bezug auf die Gestaltung ihres Studiums gewesen.


1978 initiierte Hulsman zusammen mit Frederick McClintock [[Edinburgh]] und Stephan Quensel [[Bremen]] das erste europäische Common Study Programme über die europäische Alkoho- und Drogenpolitik, das in der Folge noch um Lode  van Outrive [[Leuven]] erweitert wurde und einen direkter Vorläufer der Erasmus- bzw. Sokrates-Programme der EU darstellte. Auf Initiative von Alessandro Baratta [[Saarbrücken]] etablierte Hulsman auf der Basis der seit 1978 gewonnenen Erfahrungen ein (auf jeweils zwei Jahre ausgelegtes) Common Study Programme ("Critical Criminology"), das lange weiter existierte und auch Verbindungen mit Südamerika etablierte.
1978 initiierte Hulsman zusammen mit Frederick McClintock [[Edinburgh]] und Stephan Quensel [[Bremen]] das erste europäische Common Study Programme über die europäische Alkoho- und Drogenpolitik, das in der Folge noch um Lode  van Outrive [[Leuven]] erweitert wurde und einen direkter Vorläufer der Erasmus- bzw. Sokrates-Programme der EU darstellte. Auf Initiative von Alessandro Baratta [[Saarbrücken]] etablierte Hulsman auf der Basis der seit 1978 gewonnenen Erfahrungen ein (auf jeweils zwei Jahre ausgelegtes) Common Study Programme ("Critical Criminology"), das lange weiter existierte und auch Verbindungen mit Südamerika etablierte.
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