Louk Hulsman: Unterschied zwischen den Versionen

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Hulsmans Vater [[Aloisius; genannt Lou; gest. 1933]], war Direktor der Domaniale Kohlengrube in Kerkrade. Seine Mutter Nolly Lambermont-Hennen stammte aus einer Musikerfamilie. Sein vier Jahre jüngerer Bruder Willy war Psychologe.
Hulsmans Vater [[Aloisius; genannt Lou; gest. 1933]], war Direktor der Domaniale Kohlengrube in Kerkrade. Seine Mutter Nolly Lambermont-Hennen stammte aus einer Musikerfamilie. Sein vier Jahre jüngerer Bruder Willy war Psychologe.


Nach seiner Schulzeit, die er im Internat [[Rolduc/Kerkrade]] und auf dem Gymnasium St. Bernardis verbrachte, schloss er sich 1943 dem holländischen Widerstand an. Mitte 1944 bemerkte man seine falschen Papiere und internierte ihn im KZ Amersfoort (amtlich: Polizeiliches Durchgangslager Amersfoort); vom Gefangenentransport nach Osten gelang ihm die Flucht. Er tauchte in der Veluwe unter. Zusammem mit einem Freund erbeutete er von eingeschlossenen deutschen Truppen ein Gewehr und ein Fahrrad und konnte die erlangte Verpflegung an die Dorfbevölkerung verteilen. Als er wieder zu seiner inzwischen in reguläre Soldaten transformierte Widerstandsgruppe stieß, zog er sich für einige Monate eine Uniform an und gehörte zu einem Stoßtrupp, der auf der holländischen wie auf der deutschen Seite der Grenze verschiedene Dörfer befreite.
1943 - er hatte gerade seine Schule auf dem Internat [[Rolduc/Kerkrade]] und dem Gymnasium St. Bernardis abgeschlossen - schloss Hulsman sich einer Widerstandsgruppe gegen die deutsche Besatzung an. Mitte 1944 wegen falscher Papiere festgenommen und im KZ Amersfoort (amtlich: Polizeiliches Durchgangslager Amersfoort) interniert, gelang ihm die Flucht aus einem Gefangenentransport in Richtung Osten. Er konnte in der Veluwe untertauchen und mit einem Freund zusammen sogar von eingeschlossenen deutschen Truppen ein Gewehr, ein Fahrrad und sogar Verpflegung erbeuten (letztere liess er der hungernden Dorfbevölkerung zukommen). Als er wieder zu seiner inzwischen in reguläre Soldaten transformierte Widerstandsgruppe stieß, zog er sich für einige Monate eine Uniform an und gehörte zu einem Stoßtrupp, der beiderseits der Grenze mehrere Dörfer befreite.


Von 1945 bis 1948 studierte Hulsman Jura in [[Leiden]], einer Universität, die er nicht zuletzt deshalb wählte, weil die Besatzer die Universität zuvor wegen der Unbotmäßigkeit einiger Professoren geschlossen hatten und weil hier nach dem Krieg eine ansprechende Aufbruchsstimmung und Offenheit gegenüber neuen Ideen herrschte. Er interessierte sich für Römisches Recht - nicht zuletzt wegen der Qualitäten des Lehrstuhlinhabers, der frühzeitig neue gruppenorientierte Lehr- und Lernformen eingeführt hatte. Er sah sich aber auch in anderen Disziplinen um, wie zum Beispiel in der Astronomie und in den Verhaltenswissenschaften. Strafrecht und Kriminologie hörte Hulsman bei Jacob Maarten van Bemmelen (1898-1982), in dessen kleinem kriminologischen Institut er einige Zeit für 250 Gulden im Monat arbeitete. Auf Empfehlung Van Bemmelens erhielt Hulsman dann eine Anstellung im Kriegsministerium (1949-1955), das ihn für einige Jahre (1951-1954) zur Mitarbeit an den Vorbereitungen für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft [[EVG]] nach Paris entsandte. Als Ministerialbeamter im Justizministerium (1955-1964) engagierte sich Hulsman in der Reform der Staatsanwaltschaft und im Europarat, bevor er als Professor für Strafrecht und Kriminologie an die Reformuniversität Rotterdam ging, wo er von 1965 bis 1974 wirkte.
Von 1945 bis 1948 studierte Hulsman Jura in [[Leiden]], einer Universität, die er nicht zuletzt deshalb wählte, weil die Besatzer die Universität zuvor wegen der Unbotmäßigkeit einiger Professoren geschlossen hatten und weil hier nach dem Krieg eine ansprechende Aufbruchsstimmung und Offenheit gegenüber neuen Ideen herrschte. Er interessierte sich für Römisches Recht - nicht zuletzt wegen der Qualitäten des Lehrstuhlinhabers, der frühzeitig neue gruppenorientierte Lehr- und Lernformen eingeführt hatte. Er sah sich aber auch in anderen Disziplinen um, wie zum Beispiel in der Astronomie und in den Verhaltenswissenschaften. Strafrecht und Kriminologie hörte Hulsman bei Jacob Maarten van Bemmelen (1898-1982), in dessen kleinem kriminologischen Institut er einige Zeit für 250 Gulden im Monat arbeitete. Auf Empfehlung Van Bemmelens erhielt Hulsman dann eine Anstellung im Kriegsministerium (1949-1955), das ihn für einige Jahre (1951-1954) zur Mitarbeit an den Vorbereitungen für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft [[EVG]] nach Paris entsandte. Als Ministerialbeamter im Justizministerium (1955-1964) engagierte sich Hulsman in der Reform der Staatsanwaltschaft und im Europarat, bevor er als Professor für Strafrecht und Kriminologie an die Reformuniversität Rotterdam ging, wo er von 1965 bis 1974 wirkte.
Während seiner Zeit an der Universität war er bis etwa 1978 nebenbei noch als Berater des Justizministeriums tätig. 1964 wurde Hulsman auf den Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie in der neugegründeten juristischen Fakultät berufen. Leitgedanke der Schaffung des Lehrstuhls war die Reform der Juristenausbildung im Sinne einer Zusammenarbeit mit den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie und Sozialpsychologie sowie einer erhöhten Wahlfreiheit der Studierenden in bezug auf die Gestaltung ihres Studiums. 1978 initiierte Hulsman zusammen mit Frederick McClintock [[Edinburgh]] und Stephan Quensel [[Bremen]] das erste europäische Common Study Programme über die europäische Alkoho- und Drogenpolitik, das in der Folge noch um Lode  van Outrive [[Leuven]] erweitert wurde und einen direkter Vorläufer der Erasmus- bzw. Sokrates-Programme der EU darstellte. Auf Initiative von Alessandro Baratta [[Saarbrücken]] etablierte Hulsman ein zweijähriges Common Study Programme über Kritische Kriminologie, in das die Erfahrungen mit dem drogenpolitischen Programmen inkorporiert wurden. Dieses Programm besteht bis heute und verfügt inzwischen auch über viele Verbindungen mit außereuropäischen Ländern, vor allem in Südamerika.
Während seiner Zeit an der Universität war er bis etwa 1978 nebenbei noch als Berater des Justizministeriums tätig. 1964 wurde Hulsman auf den Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie in der neugegründeten juristischen Fakultät berufen. Leitgedanke der Schaffung des Lehrstuhls war die Reform der Juristenausbildung im Sinne einer Zusammenarbeit mit den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie und Sozialpsychologie sowie einer erhöhten Wahlfreiheit der Studierenden in bezug auf die Gestaltung ihres Studiums. 1978 initiierte Hulsman zusammen mit Frederick McClintock [[Edinburgh]] und Stephan Quensel [[Bremen]] das erste europäische Common Study Programme über die europäische Alkoho- und Drogenpolitik, das in der Folge noch um Lode  van Outrive [[Leuven]] erweitert wurde und einen direkter Vorläufer der Erasmus- bzw. Sokrates-Programme der EU darstellte. Auf Initiative von Alessandro Baratta [[Saarbrücken]] etablierte Hulsman ein zweijähriges Common Study Programme über Kritische Kriminologie, in das die Erfahrungen mit dem drogenpolitischen Programmen inkorporiert wurden. Dieses Programm besteht bis heute und verfügt inzwischen auch über viele Verbindungen mit außereuropäischen Ländern, vor allem in Südamerika.
Hulsman war in der Redaktion von Delikt en Delinquent und war lange Zeit aktiv in der Défense sociale nouvelle, wo er mit Marc Ancel zusammenarbeitete. Er war in der International Society of Criminology und ist Mitglied im Beirat von Déviance et Société.
Hulsman war in der Redaktion von Delikt en Delinquent und war lange Zeit aktiv in der Défense sociale nouvelle, wo er mit Marc Ancel zusammenarbeitete. Er war in der International Society of Criminology und ist Mitglied im Beirat von Déviance et Société.
 
== Werk ==
== Werk ==
===Überblick===
===Überblick===
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