Louk Hulsman: Unterschied zwischen den Versionen

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Hulsman war in der Redaktion von Delikt en Delinquent und war lange Zeit aktiv in der Défense sociale nouvelle, wo er mit Marc Ancel zusammenarbeitete. Er war in der International Society of Criminology und ist Mitglied im Beirat von Déviance et Société.   
Hulsman war in der Redaktion von Delikt en Delinquent und war lange Zeit aktiv in der Défense sociale nouvelle, wo er mit Marc Ancel zusammenarbeitete. Er war in der International Society of Criminology und ist Mitglied im Beirat von Déviance et Société.   
   
   
Als Emeritus initiierte Louk Hulsman (1978) mit Frederick McClintock (Edinburgh),  Stephan Quensel (Bremen) und später auch Lode van Outrive (Leuven) das erste europäische Common Study Project – einen Vorläufer der späteren Erasmusprogramme in Gestalt eines  multinationalen Studienprojekt zur europäischen Alkohol- und Drogenpolitik, das Studierende dieser Universitäten zu wochenlangen gemeinsamen Sitzungen in verschiedenen Ländern zusammen zu bringen vermochte. Auf Initiative von Alessandro Baratta (Saarbrücken) etablierte Hulsman danach ein weiteres Common Study Programme über Kritische Kriminologie, dessen Netzwerk sich bis nach Südamerika ausdehnte.
Die Kritik am Strafrecht und der Strafrechtspflege, die Hulsman übte, betraf nicht die Ebene der Zweck-, sondern der Wertrationalität. Es war eine Fundamentalkritik, die den Sinn der Kategorie „Kriminalität“ selbst in Frage stellte. Weder billigte Hulsman „kriminellen“ Ereignissen einen ontologischen Status noch einen besonderen Schwerecharakter im Kontext anderer „problematischer Situationen“ (Hulsman), bzw. „Ärgernisse und Lebenskatastrophen“ (Hanak, Stehr, Steinert) zu. Da das Strafsystem zudem in der Praxis weder den Bedürfnissen der Opfer noch denen der Täter oder der Gemeinschaft auch nur annähernd genügend Rechnung zu tragen vermöge, dafür aber nachweisbar ein System der „Leidzufügung“ sei (Christie), schlug Hulsman unbeirrbar vor, Strafe und Strafsysteme selbst als „soziale Probleme“ zu betrachten und sich um eine Abschaffung (Abolition) und damit um eine Lösung dieses Problems zu bemühen. Die Auffassung vom „criminal justice system as a social problem“ vertrat er in der Gruppierung ICOPA (International Conference on Prison Abolition, bzw. on Penal Abolition)  und bei seinen zahlreichen Konferenzbeiträgen und Vortragsreisen durch die ganze Welt. Die unermüdliche Energie, die Warmherzigkeit dieses großen Charismatikers der konkreten Utopie in der Kriminologie werden uns fehlen. Was bleibt, sind seine Schriften und darunter insbesondere sein in vielen Sprachen – aber bislang nicht auf deutsch - erschienenes Buch, das er mit Jacqueline Bernat de Celis  über die „Peines Perdues. Le système pénal en question“ (Paris 1982) geschrieben hatte.
Die Kritik am Strafrecht und der Strafrechtspflege, die Hulsman übte, betraf nicht die Ebene der Zweck-, sondern der Wertrationalität. Es war eine Fundamentalkritik, die den Sinn der Kategorie „Kriminalität“ selbst in Frage stellte. Weder billigte Hulsman „kriminellen“ Ereignissen einen ontologischen Status noch einen besonderen Schwerecharakter im Kontext anderer „problematischer Situationen“ (Hulsman), bzw. „Ärgernisse und Lebenskatastrophen“ (Hanak, Stehr, Steinert) zu. Da das Strafsystem zudem in der Praxis weder den Bedürfnissen der Opfer noch denen der Täter oder der Gemeinschaft auch nur annähernd genügend Rechnung zu tragen vermöge, dafür aber nachweisbar ein System der „Leidzufügung“ sei (Christie), schlug Hulsman unbeirrbar vor, Strafe und Strafsysteme selbst als „soziale Probleme“ zu betrachten und sich um eine Abschaffung (Abolition) und damit um eine Lösung dieses Problems zu bemühen. Die Auffassung vom „criminal justice system as a social problem“ vertrat er in der Gruppierung ICOPA (International Conference on Prison Abolition, bzw. on Penal Abolition)  und bei seinen zahlreichen Konferenzbeiträgen und Vortragsreisen durch die ganze Welt. Die unermüdliche Energie, die Warmherzigkeit dieses großen Charismatikers der konkreten Utopie in der Kriminologie werden uns fehlen. Was bleibt, sind seine Schriften und darunter insbesondere sein in vielen Sprachen – aber bislang nicht auf deutsch - erschienenes Buch, das er mit Jacqueline Bernat de Celis  über die „Peines Perdues. Le système pénal en question“ (Paris 1982) geschrieben hatte.


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