Kritik der Prohibition: Unterschied zwischen den Versionen

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==== Leugnung ====
==== Leugnung ====
David Garland: Denial and Acting Out.
*Man verweigert eine wissenschaftliche Evaluation und behauptet Erfolge. Wie die verlierende Seite in einem langen Krieg, die einen illusorischen Endsieg beschwört.  
*Man verweigert eine wissenschaftliche Evaluation und behauptet Erfolge. Wie die verlierende Seite in einem langen Krieg, die einen illusorischen Endsieg beschwört.  


Ein kontrafaktisches Festhalten an Zielen und Mitteln bedeutet beschränkte Lernfähigkeit des Systems. (Das kann mit sekundärem Nutzen der Prohibition für starke Lobbies zu tun haben.)  
Ein kontrafaktisches Festhalten an Zielen und Mitteln bedeutet beschränkte Lernfähigkeit des Systems. (Das kann mit sekundärem Nutzen der Prohibition für starke Lobbies zu tun haben.)  


Festzustellen ist jedenfalls eine Realitätsverleugnung in großem Stil. Das mag vor 80 Jahren (1934) noch naiv gewesen sein, als man überrascht feststellte, dass die globale Kontrolle der legalen Opiat- und Kokain-Herstellung zur Entstehung geheimer Laboratorien geführt hatte, die sich der bürokratischen Kontrolle entzogen. Schwerer zu erklären ist aber die Realitätsverleugnung durch die UNO gegen Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Unter dem Einfluss des hochrangigen UNO-Direktors [[Pino Arlacchi]] als Direktor von UNDCP hatte die UNO-Vollversammlung im Juni 1998 einstimmig den Plan verabschiedet, die Welt innerhalb von zehn Jahren drogenfrei zu machen ("A Drug Free World"). Das Ziel der Eliminierung aller Opium- und Kokainplantagen bis zum Jahresende 2008 wurde verfehlt. Eine Überprüfung des Arlacchi-Plans wurde im März 2009 von der UN Commission on Narcotic Drugs vorgenommen. Aufgrund der "signifikanten Fortschritte", die erzielt worden seien, verlängerte eine politische Erklärung im Anschluss an die Überprüfung die Strategie für weitere 10 Jahre bis 2019.
Festzustellen ist jedenfalls eine Realitätsverleugnung. Vor 80 Jahren (1934) war man noch genuin überrascht über die Entstehung illegaler Produktionsstätten für Drogen, nachdem man die Pharmaindustrie erfolgreich unter bürokratische Kontrolle gebracht hatte. Heute ist aber das Scheitern der Prohibition zu evident und zu gut erklärt, als dass man der UNO noch die Naivität abnehmen könnte, die man dem Völkerbund in dieser Sache zubilligen musste.  
 
Unter dem Einfluss von [[Pino Arlacchi]] hatte die UNO-Vollversammlung im Juni 1998 einstimmig den Plan verabschiedet, die Welt innerhalb von zehn Jahren drogenfrei zu machen ("A Drug Free World"). Das Ziel der Eliminierung aller Opium- und Kokainplantagen bis zum Jahresende 2008 wurde verfehlt. Eine Überprüfung des Arlacchi-Plans wurde im März 2009 von der UN Commission on Narcotic Drugs vorgenommen. Aufgrund der "signifikanten Fortschritte" verlängerte eine politische Erklärung die Strategie für weitere 10 Jahre bis 2019.
 
==== Anpassung ====
Unter dem Einfluss der AIDS-Epidemie kam es zu Anpassungen an die Tatsachen (Spritzentausch, harm reduction ..) und damit zu Aktionen, die in einer Welt des Drogenverbots eigentlich unlogisch waren. Im extremen Prohibitionsraum des Strafvollzugs wurden zum Beispiel Spritzenautomaten erlaubt, die natürlich die Existenz und den Gebrauch von Drogen innerhalb der Gefängnisse voraussetzten und stillschweigend akzeptierten.  


==== Reform ====
Vier Jahre vor Ablauf der Frist ist die Lage ausgesprochen übersichtlich. Es gibt mehr Drogenanbau als jemals zuvor. Es gibt mehr Drogen als jemals zuvor. Die Drogen sind billiger und besser als jemals zuvor. Die Verfügbarkeit ist so hoch wie nie. Die meisten Drogenkonsumenten kontrollieren ihren Konsum und führen - wenn sie nicht geschnappt werden - ein normales und produktives Leben (Carl Hart). Sie haben keine Probleme mit Drogen, sie haben aber manchmal erhebliche Probleme mit der Polizei (Keith Richards). Der Konsum dieser Drogen ist in der Gesellschaft angekommen. So wie im Laufe der Geschichte immer wieder neue Drogen enkulturiert wurden. Der Prozess der Enkulturation wird sich nicht aufhalten lassen - und braucht auch nicht aufgehalten zu werden. Die Befürchtungen verschwinden im Laufe der Normalisierung.  
Vier Jahre vor Ablauf der Frist ist die Lage ausgesprochen übersichtlich. Es gibt mehr Drogenanbau als jemals zuvor. Es gibt mehr Drogen als jemals zuvor. Die Drogen sind billiger und besser als jemals zuvor. Die Verfügbarkeit ist so hoch wie nie. Die meisten Drogenkonsumenten kontrollieren ihren Konsum und führen - wenn sie nicht geschnappt werden - ein normales und produktives Leben (Carl Hart). Sie haben keine Probleme mit Drogen, sie haben aber manchmal erhebliche Probleme mit der Polizei (Keith Richards). Der Konsum dieser Drogen ist in der Gesellschaft angekommen. So wie im Laufe der Geschichte immer wieder neue Drogen enkulturiert wurden. Der Prozess der Enkulturation wird sich nicht aufhalten lassen - und braucht auch nicht aufgehalten zu werden. Die Befürchtungen verschwinden im Laufe der Normalisierung.  


Ziele werden neu definiert. Oft werden illusorische Ziele durch realistische Ziele ersetzt, ideologische Radikalität weicht pragmatischem Handeln. So könnte das Ziel der Eliminierung aller Drogen durch das Ziel der Verminderung von problematischem Konsum ersetzt werden.
Das kann pragmatisch begründet werden nach dem Motto: da wir leider das eigentlich Ziel nicht erreichen können, begnügen wir uns mit dem Zweitbesten, also mit einem Versuch der Schadensbegrenzung. 
Man kann aber das Scheitern der Prohibition auch zum Anlass - nicht zum Grund - für eine Diskussion ihrer Übereinstimmung mit anderen Werten wesetlicher Gesellschaften nehmen.
== Wertrationalität ==
=== Der Wert von Drogen für den Menschen ===
Mens sana in corpore sano. Früher dachte man: Gesundheit bedeutet immer auch Drogenfreiheit. Drogenkonsum bedeutet Krankheit, Abhängigkeit, Sucht, Tod. Doch das ist nicht der Fall. Eher schon das Gegenteil: zu einem gesunden Körper gehören auch Opiate, und dort, wo der Endorphin-Haushalt eines menschlichen Organismus gestört ist, ist sein Leben in Gefahr.
Zum Menschsein gehören Drogen wie zum Beispiel auch die Musik und das Nachdenken über den Sinn des Daseins. Es stimmt nicht, dass der gesunde Körper ein Körper ohne Drogen ist.
Wie überall geht es um den verständigen Gebrauch, um die Vermeidung der Risiken: wie im Straßenverkehr, wie beim Sex, wie in der Liebe, wie im Sport und wie in der Religion.
=== Der Wert der Abhängigkeit für den Menschen ==
Aristoteles: alles ist eine Frage des rechten Maßes. Theophrast Bombast von Hohenheim (Paracelsus):




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