Kriminalprognose: Unterschied zwischen den Versionen

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„Kriminalprognosen der Strafrechtspflege dienen regelmäßig der Entscheidung über Freiheit oder Unfreiheit des Täters“ (vgl. Volckart 2002). Der Sachverständige hat mit seiner Krimi-nalprognose das Gericht oder die Vollzugsbehörde zu beraten. Seine Sachverständigenäu-ßerung ersetzt aber nicht deren Entscheidung.
„Kriminalprognosen der Strafrechtspflege dienen regelmäßig der Entscheidung über Freiheit oder Unfreiheit des Täters“ (vgl. Volckart 2002). Der Sachverständige hat mit seiner Krimi-nalprognose das Gericht oder die Vollzugsbehörde zu beraten. Seine Sachverständigenäu-ßerung ersetzt aber nicht deren Entscheidung.
Der Rechtsanwender, also das Gericht, die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde oder die Justizvollzugsanstalt als Vollzugsbehörde, muss die entscheidungserheblichen Er-wägungen des Prognostikers für die eigene Entscheidungsfindung nutzbar machen und sei-ner –wiederum gerichtlich überprüfbaren und gegebenenfalls anfechtbaren Entscheidung zugrunde legen.
Der Rechtsanwender, also das Gericht, die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde oder die Justizvollzugsanstalt als Vollzugsbehörde, muss die entscheidungserheblichen Erwägungen des Prognostikers für die eigene Entscheidungsfindung nutzbar machen und seiner wiederum gerichtlich überprüfbaren und gegebenenfalls anfechtbaren Entscheidung zugrunde legen.
„Der Umschlagspunkt zwischen günstig und ungünstig ist nicht naturgegeben. Der Rechts-anwender hat die Grundlagen für den Ort des Umschlagspunktes zu ermitteln und diesen dann selbst zu bestimmen“ (Volckart 2006). Der forensische Prognostiker ist zwar nicht Ent-scheider. Gleichwohl wird i. d. R. seine Prognoseerwägung der formalen Entscheidung z. B. über den Fortgang der Freiheitsentziehung innewohnen.
„Der Umschlagspunkt zwischen günstig und ungünstig ist nicht naturgegeben. Der Rechts-anwender hat die Grundlagen für den Ort des Umschlagspunktes zu ermitteln und diesen dann selbst zu bestimmen“ (Volckart 2006). Der forensische Prognostiker ist zwar nicht Ent-scheider. Gleichwohl wird i. d. R. seine Prognoseerwägung der formalen Entscheidung z. B. über den Fortgang der Freiheitsentziehung innewohnen.


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Die formale Entscheidung des Rechtsanwenders wird sich i. d. R. mit dem Fazit des Progno-segutachtens im Einklang befinden. Damit ist verbunden, dass der Prognosegutachter eine beträchtliche Verantwortung über Freiheit oder Unfreiheit seines Probanden übernommen hat.
Die formale Entscheidung des Rechtsanwenders wird sich i. d. R. mit dem Fazit des Progno-segutachtens im Einklang befinden. Damit ist verbunden, dass der Prognosegutachter eine beträchtliche Verantwortung über Freiheit oder Unfreiheit seines Probanden übernommen hat.
Abgesehen von den schadensersatzrechtlichen Vorschriften des § 839a des BGB, wonach ein vom Gericht ernannter Sachverständiger zum Ersatz des Schadens, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, verpflichtet ist, sofern er vor-sätzlich oder grobfahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet hat (vgl. Lesting 2002), ist stets zu gewärtigen, dass im Resümee fehlerhafte Begutachtungen sich auf zweierlei Weise (vgl. Volckart 2002) auswirken werden.
Abgesehen von den schadensersatzrechtlichen Vorschriften des § 839a des BGB, wonach ein vom Gericht ernannter Sachverständiger zum Ersatz des Schadens, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, verpflichtet ist, sofern er vorsätzlich oder grobfahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet hat (vgl. Lesting 2002), ist stets zu gewärtigen, dass im Resümee fehlerhafte Begutachtungen sich auf zweierlei Weise (vgl. Volckart 2002) auswirken werden.
Zum einen ist zu besorgen, dass eine irrtümlich günstige Prognose zukünftige, theoretisch vermeidbar gewesene Opfer nach sich ziehen kann. Derartige Fälle werden regelmäßig in Öffentlichkeit und Boulevardpresse dramatisch zugespitzt, sind gleichwohl für alle Verfah-rensbeteiligten durchweg schrecklich und belastend.
Zum einen ist zu besorgen, dass eine irrtümlich günstige Prognose zukünftige, theoretisch vermeidbar gewesene Opfer nach sich ziehen kann. Derartige Fälle werden regelmäßig in Öffentlichkeit und Boulevardpresse dramatisch zugespitzt, sind gleichwohl für alle Verfah-rensbeteiligten durchweg schrecklich und belastend.
Die andere Möglichkeit fehlerhafter Beurteilung wird in aller Regel keine Schlagzeilen produ-zieren und wird daher auch nicht statistisch zu erfassen sein: Gemeint ist die Möglichkeit, irrtümlich eine ungünstige Prognose zu formulieren, also rückfällige Kriminalität zu prognosti-zieren, was fortgesetzte Unterbringung in der Freiheitsentziehung mit sich bringen wird, ob-gleich jeder empirische Beleg für die Richtigkeit dieser Prognose ausbleibt und der Verurteil-te, obwohl zuvor als ausdrücklich rückfallgefährdet prognostiziert, tatsächlich nie wieder eine Straftat begehen wird. Sein weiterer Lebensweg, seine Eingliederung in die Gesellschaft, seine familiäre Einbindung usw. werden auf nachhaltige Weise gehindert. In der Konsequenz würde also eine Freiheitsentziehung aufgrund der irrtümlich ungünstigen Prognose unnöti-gerweise fortgesetzt werden, der Gegenbeweis jedoch nie geführt werden können, weil der Betroffene ja in der Freiheitsentziehung verbleibt.  
Die andere Möglichkeit fehlerhafter Beurteilung wird in aller Regel keine Schlagzeilen produ-zieren und wird daher auch nicht statistisch zu erfassen sein: Gemeint ist die Möglichkeit, irrtümlich eine ungünstige Prognose zu formulieren, also rückfällige Kriminalität zu prognosti-zieren, was fortgesetzte Unterbringung in der Freiheitsentziehung mit sich bringen wird, ob-gleich jeder empirische Beleg für die Richtigkeit dieser Prognose ausbleibt und der Verurteil-te, obwohl zuvor als ausdrücklich rückfallgefährdet prognostiziert, tatsächlich nie wieder eine Straftat begehen wird. Sein weiterer Lebensweg, seine Eingliederung in die Gesellschaft, seine familiäre Einbindung usw. werden auf nachhaltige Weise gehindert. In der Konsequenz würde also eine Freiheitsentziehung aufgrund der irrtümlich ungünstigen Prognose unnöti-gerweise fortgesetzt werden, der Gegenbeweis jedoch nie geführt werden können, weil der Betroffene ja in der Freiheitsentziehung verbleibt.  
Anonymer Benutzer