Kriminalprognose: Unterschied zwischen den Versionen

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== Individualprognosen ==
== Individualprognosen ==


Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Person künftig Straftaten begehen wird, spielen vor allem bei rechtlichen Entscheidungen über Freiheitsentzüge eine Rolle: „Kriminalprognosen der Strafrechtspflege dienen regelmäßig der Entscheidung über Freiheit oder Unfreiheit des Täters“ (Volckart 2002).
Individuelle Kriminalprognosen verlangt das Gesetz (u.a. in Deutschland, Österreich und der Schweiz) an mehreren Stellen im Sanktionsprozess - so etwa bei der Verhängung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, bei der Gewährung von Vollzugslockerungen und Beurlaubungen und bei der Aussetzung des Strafrestes. Die Nachfrage nach Prognosen erhöhte sich in Deutschland noch einmal durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten aus dem Jahre 1998. Darüber hinaus spielen individuelle Prognosen auch bei der Bestimmung von Resozialisierungs- und Behandlungsmaßnahmen im (sozialtherapeutischen) Straf- und Maßregelvollzug eine erhebliche Rolle (Bliesener 2007). Im Bereich der Jugendhilfe besteht Interesse an Prognoseinstrumenten, um Entwicklungen in Richtung auf "junge Intensivtäter" frühzeitig zu begegnen. Denkbar sind auch Prognosen, die bereits im frühen Kindesalter  die relative Anfälligkeit für spätere delinquente Karrieren zu bestimmen versuchen. Anlass zur Erstellung einer individuellen Kriminalprognose ist i. d. R. die Frage, ob eine frei-heitsentziehende Maßnahme fortgesetzt werden muss bzw. unter welchen ggf. geänderten Bedingungen diese fortzusetzen ist oder aber ob bzw. unter welchen besonderen Bedingungen sie beendet werden könnte.  
Individuelle Kriminalprognosen verlangt das Gesetz (u.a. in Deutschland, Österreich und der Schweiz) an mehreren Stellen im Sanktionsprozess - so etwa bei der Verhängung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, bei der Gewährung von Vollzugslockerungen und Beurlaubungen und bei der Aussetzung des Strafrestes. Die Nachfrage nach Prognosen erhöhte sich in Deutschland noch einmal durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten aus dem Jahre 1998. Darüber hinaus spielen individuelle Prognosen auch bei der Bestimmung von Resozialisierungs- und Behandlungsmaßnahmen im (sozialtherapeutischen) Straf- und Maßregelvollzug eine erhebliche Rolle (Bliesener 2007). Im Bereich der Jugendhilfe besteht Interesse an Prognoseinstrumenten, um Entwicklungen in Richtung auf "junge Intensivtäter" frühzeitig zu begegnen. Denkbar sind auch Prognosen, die bereits im frühen Kindesalter  die relative Anfälligkeit für spätere delinquente Karrieren zu bestimmen versuchen. Anlass zur Erstellung einer individuellen Kriminalprognose ist i. d. R. die Frage, ob eine frei-heitsentziehende Maßnahme fortgesetzt werden muss bzw. unter welchen ggf. geänderten Bedingungen diese fortzusetzen ist oder aber ob bzw. unter welchen besonderen Bedingungen sie beendet werden könnte.  
Anlass kann also z.B. die Frage nach der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. § 61 StGB) einschließlich der Frage nach den Voraussetzungen und Behandlungsaussichten (vgl. § 246 a StPO) sein; ebenso kann dies die Frage nach der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. § 64 StGB) oder in der Sicherungsverwahrung (vgl. § 66 StGB) sein.
Anlass kann also z.B. die Frage nach der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. § 61 StGB) einschließlich der Frage nach den Voraussetzungen und Behandlungsaussichten (vgl. § 246 a StPO) sein; ebenso kann dies die Frage nach der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. § 64 StGB) oder in der Sicherungsverwahrung (vgl. § 66 StGB) sein.
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== Zur Funktion von Kriminalprognosen ==
== Zur Funktion von Kriminalprognosen ==


„Kriminalprognosen der Strafrechtspflege dienen regelmäßig der Entscheidung über Freiheit oder Unfreiheit des Täters“ (vgl. Volckart 2002). Der Sachverständige hat mit seiner Krimi-nalprognose das Gericht oder die Vollzugsbehörde zu beraten. Seine Sachverständigenäu-ßerung ersetzt aber nicht deren Entscheidung.
Der Sachverständige hat mit seiner Krimi-nalprognose das Gericht oder die Vollzugsbehörde zu beraten. Seine Sachverständigenäu-ßerung ersetzt aber nicht deren Entscheidung.
Der Rechtsanwender, also das Gericht, die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde oder die Justizvollzugsanstalt als Vollzugsbehörde, muss die entscheidungserheblichen Erwägungen des Prognostikers für die eigene Entscheidungsfindung nutzbar machen und seiner wiederum gerichtlich überprüfbaren und gegebenenfalls anfechtbaren Entscheidung zugrunde legen.
Der Rechtsanwender, also das Gericht, die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde oder die Justizvollzugsanstalt als Vollzugsbehörde, muss die entscheidungserheblichen Erwägungen des Prognostikers für die eigene Entscheidungsfindung nutzbar machen und seiner wiederum gerichtlich überprüfbaren und gegebenenfalls anfechtbaren Entscheidung zugrunde legen.
„Der Umschlagspunkt zwischen günstig und ungünstig ist nicht naturgegeben. Der Rechts-anwender hat die Grundlagen für den Ort des Umschlagspunktes zu ermitteln und diesen dann selbst zu bestimmen“ (Volckart 2006). Der forensische Prognostiker ist zwar nicht Ent-scheider. Gleichwohl wird i. d. R. seine Prognoseerwägung der formalen Entscheidung z. B. über den Fortgang der Freiheitsentziehung innewohnen.
„Der Umschlagspunkt zwischen günstig und ungünstig ist nicht naturgegeben. Der Rechts-anwender hat die Grundlagen für den Ort des Umschlagspunktes zu ermitteln und diesen dann selbst zu bestimmen“ (Volckart 2006). Der forensische Prognostiker ist zwar nicht Ent-scheider. Gleichwohl wird i. d. R. seine Prognoseerwägung der formalen Entscheidung z. B. über den Fortgang der Freiheitsentziehung innewohnen.
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