Kriminalprävention im Städtebau: Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 60: Zeile 60:




Seit 2003 finden weitergehende Ansätze städtebaulicher Kriminalprävention in Niedersachsen ("Sicheres Wohnen ist planbar...") sowie zunehmend auch in anderen Bundesländern (Hessen: "Sicher Wohnen in Hessen") Berücksichtigung. In Niedersachsen bildeten sich Kooperationen auf Landes- und kommunaler Ebene ("Sicherheitspartnerschaften"[http://www.ms.niedersachsen.de/servlets/download?C=14126285&L=20]), in denen sich die Kooperationspartner zum Ziel setzten, in ihren Disziplinen städtebauliche Kriminalprävention zu etablieren.
Seit 2003 finden weitergehende Ansätze städtebaulicher Kriminalprävention in Niedersachsen ("Sicheres Wohnen ist planbar...") sowie zunehmend auch in anderen Bundesländern (Hessen: "Sicher Wohnen in Hessen") Berücksichtigung. In Niedersachsen bildeten sich Kooperationen auf Landesebene sowie kommunalen Ebenen ("Sicherheitspartnerschaften"[http://www.ms.niedersachsen.de/servlets/download?C=14126285&L=20]), in denen sich die Kooperationspartner zum Ziel setzten, in ihren Disziplinen städtebauliche Kriminalprävention zu etablieren.




Zeile 79: Zeile 79:




===Handlungsebenen am Beispiel des "erweiterten Lingener Verfahrens" [http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C50167062_L20.pdf]===
===Handlungsebenen am Beispiel des "erweiterten Lingener Verfahrens" einer `'''Sicherheitspartnerschaft'''` [http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C50167062_L20.pdf]===


Neben übergeordneten - auf Landesebene - etablierten Steuerungs- und Lenkungsmechanismen, z. B. in Form einer übergeordneten Kooperation [http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C14126285_L20.pdf] gibt es vier kommunale Handlungsebenen städtebaulicher Kriminalprävention:
Unter Berücksichtigung der auf Landesebene etablierten "'''Sicherheitspartnerschaft im Städtebau in Niedersachsen'''" [http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C14126285_L20.pdf] sieht das '''''erweiterte `Lingener Verfahren'''`'' in den '''''Sicherheitspartnerschaften zwischen Städten und Gemeinden mit der Polizei''''' vier kommunale Handlungsebenen städtebaulicher Kriminalprävention vor:


[[Bild:Folie2.jpg]]
[[Bild:Folie2.jpg]]
Zeile 87: Zeile 87:




====''' 1. Ebene: Stadt bzw. Gemeinde (Kooperationen, Methodiken, Dialogsysteme)'''====
====''' 1. Ebene: Stadt bzw. Gemeinde - "Sicherheitspartnerschaft" '''====


Ein strategischer Ansatz, d.h. die Entwicklung eines Langzeitplanes, der auf einer situativen Analyse basiert und von den Werten und Perspektiven beeinflusst sowie auf die Erreichung der vereinbarten Ziele angelegt ist, ist der beste Weg zu effektiven und nachhaltigen Reaktionen, die die knappen Ressourcen optimal ausnutzen.  Der erste Schritt muss dabei die Mobilisierung der wichtigsten Stakeholder sein. Zu ihren wichtigsten Mitgliedern gehören insbesondere der Bürgermeister und der Polizeichef (vgl. EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 16).
Ein strategischer Ansatz, d.h. die Entwicklung eines Langzeitplanes, der auf einer situativen Analyse basiert und von den Werten und Perspektiven beeinflusst sowie auf die Erreichung der vereinbarten Ziele angelegt ist, ist der beste Weg zu effektiven und nachhaltigen Reaktionen, die die knappen Ressourcen optimal ausnutzen.  Der erste Schritt muss dabei die Mobilisierung der wichtigsten Stakeholder sein. Zu ihren wichtigsten Mitgliedern gehören insbesondere der Bürgermeister und der Polizeichef (vgl. EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 16).
Die Bildung von interdisziplinären Kooperationen (z. B. "Sicherheitspartnerschaften") auf kommunalen Ebenen zwischen Polizei und Städten bzw. Gemeinden wird als Erfolgsfaktor zur Umsetzung der „Kriminalprävention durch Stadtplanung und Design“ betrachtet. Sie bieten darüber hinaus die Möglichkeit der Benennung gemeinsamer Ziele, Handlungsfelder und Vereinbarungen von Verfahrensabläufen bzw Dialogsysteme sowie Methodiken. Dadurch können standardisiert kriminalpräventive Aspekte in unterschiedlichen Planungsphasen in einem formellen bzw. informellen Dialog Berücksichtigung finden.


Die '''Erfolgsfaktoren''' für die Umsetzung der historisch gewachsene „Kriminalprävention durch Stadtplanung und Design“ kennzeichnen folgende vier kombinierte Faktoren (Stummvoll, 2008: S. 18):
Die '''Erfolgsfaktoren''' für die Umsetzung der historisch gewachsene „Kriminalprävention durch Stadtplanung und Design“ kennzeichnen folgende vier kombinierte Faktoren (Stummvoll, 2008: S. 18):
Zeile 105: Zeile 102:
4.  '''Verbindlichkeit'''
4.  '''Verbindlichkeit'''


Die Bildung von interdisziplinären Kooperationen (z. B. "Sicherheitspartnerschaften") auf kommunalen Ebenen zwischen Polizei und Städten bzw. Gemeinden wird als Erfolgsfaktor zur Umsetzung der „Kriminalprävention durch Stadtplanung und Design“ betrachtet.
Das '''''erweiterte `Lingener Verfahren'''`'' sieht einen informell-formellen 5stufigen Dialog von einer frühen (informellen) kommunalen Planungsphase ("''Startergespräch''") bis zur Ebene Bestand vor. Hierbei zielt die "Sicherheitspartnerschaft" auf eine ''Stadtplanung im weiteren Sinn'', in der nicht ausschließlich räumlich-gestalterische sondern auch sozialräumliche Aspekte Berücksichtigung  finden. Die Vereinbarung beinhaltet neben gemeinsamen Zielen, Handlungsfeldern sowie Aktivitäten insbesondere ein vereinbartes '''Dialogverfahren''' sowie eine '''Methodik''' zur Erstellung eines kleinräumigen Lagebildes zur städtebaulichen Kriminalprävention.




=====Dialogsystem - Sicherheitsverträglichkeitsprüfung - Scoping=====
=====Dialogsystem (Sicherheitsverträglichkeitsprüfung / Scoping)=====
Zur verbindlichen Berücksichtigung relevanter Faktoren städtebaulicher Kriminalprävention bieten sich einerseits bestehende rechtliche Verfahrensabläufe innerhalb der Bauleitplanung an, die um solche Abläufe erweiterte werden können, die eine Berücksichtigung in relevante (Planungs-)Phasen bewerkstelligen. Dadurch kann ein dialogischer Prozess - formell und informell - vereinbart bzw. realisiert werden.
Zur verbindlichen Berücksichtigung relevanter Faktoren städtebaulicher Kriminalprävention werden bestehende rechtliche Verfahrensabläufe innerhalb der Bauleitplanung (z.B. Behördenbeteiligung gem. §§ 3, 4 BauGB) genutzt, die um solche Abläufe erweitert wurden, welche eine Berücksichtigung in weiteren relevanten (Planungs-)Phasen bewerkstelligen.


[[Bild:Folie1.jpg]]
[[Bild:Folie1.jpg]]




====''' 2. Ebene: Ortsteil, Quartier, Bezugsraum (Quartiersmanagement, Analysen, Audits, Lagebilder zur städtebaulichen Kriminalprävention'''====
====''' 2. Ebene: Ortsteil, Quartier, Bezugsraum (Quartiersmanagement, Analysen, Audits, Lagebilder zur städtebaulichen Kriminalprävention)'''====


Eine hohe Bedeutung hat der Raum, der in einem engen räumlichen Bezug zueinander steht und z. B. ein Quartier bildet. Wahrnehmung, Orientierung, Zustand, Mobilität, Frequentierung, Mischung, Image, soziale Netzwerke und Infrastruktur wirken auf Bewohner, Nutzer sowie tatgeneigte Personen, erzeugen Rückkoppelungseffekte und können benachteiligende Prozesse sowie Devianz beeinflussen.
Eine hohe Bedeutung hat der Raum, der in einem engen räumlichen Bezug zueinander steht und z. B. ein Quartier bzw. Wohngebiet bildet. Wahrnehmung, Orientierung, Zustand, Mobilität, Frequentierung, Mischung, Image, soziale Netzwerke und Infrastruktur wirken auf Bewohner, Nutzer sowie tatgeneigte Personen, erzeugen Rückkoppelungseffekte und können benachteiligende Prozesse sowie Devianz beeinflussen.


Ob und in welchem Umfang relevante Faktoren Benachteiligungen bzw. Kriminalität begünstigende Umstände bestehen, wird unter Hinzuziehung kleinräumiger Analysen, Audits oder '''Lagebilder zur städtebaulichen Kriminalprävention'''  ähnlich einer [[Kriminalgeographie]] dargestellt, welche Teil einer Analyse sein können und idealerweise um weitere sozialräumliche Informationen zu ergänzen ist. Die Analyse ist ein wesentlicher Bestandteil des Prozesses der Entwicklung einer Präventionsstrategie für eine Stadt/Gemeinde (EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 16).
Die Analyse ist ein wesentlicher Bestandteil des Prozesses der Entwicklung einer Präventionsstrategie für eine Stadt/Gemeinde (EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 16).
 
Ob und in welchem Umfang Indikatoren auf Kriminalität begünstigende Umstände bzw. Benachteiligungen deuten, wird in bestimmten Planungsfällen nach kleinräumigen Analysen in einem  '''kriminalpräventiven Lagebild zur städtebaulichen Kriminalprävention''' - ähnlich der [[Kriminalgeographie]] - dargestellt.  




Zeile 129: Zeile 132:
====''' 3. Ebene: Baugebiet, unmittelbare Nachbarschaft''' (Partizipation, soziale Netzwerke, Informationssteuerung) ====
====''' 3. Ebene: Baugebiet, unmittelbare Nachbarschaft''' (Partizipation, soziale Netzwerke, Informationssteuerung) ====


Prinzipien eines sozialen (nachbarschaftlichen) Miteinanders, Identifizierung mit dem unmittelbaren Wohnumfeld, Verantwortung für das Wohnumfeld, Aufenthaltsqualität, Frequentierung, Orientierungsmöglichkeiten, Instandhaltung, Konfliktregulierungsmöglichkeiten, Mobilität und soziale Kontrolle sind zentrale Faktoren, die bestehende Problemlagen und Konfliktsituationen beeinflussen aber auch situative Bedingungen für Devianz unmittelbar beeinflussen können. Diese Faktoren bilden ggf. relevante Informationen, die in bestehende bzw. vereinbarte Verfahrensabläufe / '''Dialogsysteme''' (in unterschiedlichen Ebene kommunaler (Bauleit-)Planungen eingebettet werden können.
Prinzipien eines integrativen (nachbarschaftlichen) Miteinanders, Identifizierung mit dem unmittelbaren Wohnumfeld, Verantwortung für das Wohnumfeld, Aufenthaltsqualität, Frequentierung, Orientierungsmöglichkeiten, Instandhaltung, Konfliktregulierungsmöglichkeiten, Mobilität und soziale (informelle) Kontrolle sind zentrale Faktoren, die bestehende Problemlagen und Konfliktsituationen beeinflussen aber auch situative Bedingungen für Devianz unmittelbar beeinflussen können. Diese Faktoren bilden relevante Informationen, die in dem  '''''Dialogsystem''''' als Grundlage für mögliche unterstützende  Interventionsmaßnahmen eingebettet werden können.
 
 


====''' 4. Ebene: Gebäude, Haus, Wohnung (Einbruchsprävention)'''====  
====''' 4. Ebene: Gebäude, Haus, Wohnung (Einbruchsprävention)'''====  


Auf dieser (Mikro-)Ebene kommt die Einbruchsprävention, also die Vermeidung von Einbruchdiebstählen [http://wikipedia.org/wiki/Einbruch] in Wohnungen, Häusern oder Gebäuden [http://www.polizei-beratung.de/vorbeugung/diebstahl_einbruch/einbruchsdiebstahl/] zur Anwendung. Relevante Faktoren sind Verhaltensprävention, eine Gestaltung des Gebäudes bzw- Grundstückes unter Wahrung von Sichtbeziehungen auf das Wohnumfeld, gesicherte Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge, Beleuchtungsaspekte, Überschaubarkeit und "Verteidigungsfähigkeit" des Wohnumfeldes (vgl. defensible space) sowie technische Einbruchhemmungsmechanismen für Gebäudeöffnungen (Fenster, Türen, pp.) sowie Brandschutz (Rauchmelder). Siehe dazu Informationsangebot der Polizei: [http://einbruchschutz.polizei-beratung.de/].
Auf dieser (Mikro-)Ebene kommt die Einbruchsprävention, also die Vermeidung von Einbruchdiebstählen [http://wikipedia.org/wiki/Einbruch] in Wohnungen, Häusern oder Gebäuden [http://www.polizei-beratung.de/vorbeugung/diebstahl_einbruch/einbruchsdiebstahl/] zur Anwendung. Relevante Faktoren sind Verhaltensprävention, eine Gestaltung des Gebäudes bzw- Grundstückes unter Wahrung von Sichtbeziehungen auf das Wohnumfeld, gesicherte Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge, Beleuchtungsaspekte, Überschaubarkeit und "Verteidigungsfähigkeit" des Wohnumfeldes (vgl. defensible space) sowie technische Einbruchhemmungsmechanismen für Gebäudeöffnungen (Fenster, Türen, pp.) sowie Brandschutz (Rauchmelder). Siehe dazu Informationsangebot der Polizei: [http://einbruchschutz.polizei-beratung.de/].
Das erweiterte Lingener Verfahren bildet eine Gesamtstrategie, in der die Einbruchsprävention unter Beteiligung geeigneter Handwerksbetriebe ("'''Sicherheitspartnerschaft zwischen Handwerk und Polizei'''") eingebettet ist.


==Präventions- und Interventionsmodelle==
==Präventions- und Interventionsmodelle==
636

Bearbeitungen