Kriminalprävention im Städtebau: Unterschied zwischen den Versionen

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Defensible Space zielt auf die Entwicklung von Nachbarschaften, innerhalb der die Bewohner ermutigt werden sollen, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Der Ansatz enthält '''zwei Komponenten''': Erstens sollen Sichtbeziehungen im Raum geschaffen werden, die ein Sehen und Gesehen werden ermöglichen. Zweitens müssen die Menschen bereit sein, zu intervenieren bzw. Taten (der Polizei) mitzuteilen.
Defensible Space zielt auf die Entwicklung von Nachbarschaften, innerhalb der die Bewohner ermutigt werden sollen, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Der Ansatz enthält '''zwei Komponenten''': Erstens sollen Sichtbeziehungen im Raum geschaffen werden, die ein Sehen und Gesehen werden ermöglichen. Zweitens müssen die Menschen bereit sein, zu intervenieren bzw. Taten (der Polizei) mitzuteilen.
Rolinski widerlegte die These von Newman. Er kam innerhalb seiner Studien zu Hochhäusern in München (1980: 47) zu dem Ergebnis, dass trotz Fehlens von `Defensible-space-Merkmalen in Hochhäusern (zehn Geschosse und mehr), sich nicht  wesentlich mehr Delikte als in Mehrfamilienhäusern (fünf Geschosse und weniger) mit vorhandenen Defensible-space-Merkmalen ereignen. Er führte dies auf soziologisch bedingte Umstände zurück, die sich in den USA anders als in Deutschland darstellten (1980: 200 ff.).
Während Jeffery erkannte, dass nicht die äußeren Umweltbedingungen allein ursächlich für [[Kriminalität]] sein konnte, sondern nach seinem Verständnis auch „psychobiologische“ Effekte und die Wechselwirkungen zwischen beiden, fand diese Erkenntnis in großen Teilen der Literatur sowie auf das urspüngliche CPTED-Konzept aufbauende Ansätze keine Berücksichtigung  (Jeffery 1996: 1).




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■ Der Anstieg der Kriminalität erhöht die [[Kriminalitätsfurcht]] und begünstigt weiter den Rückzug der „anständigen“ Bürgerinnen und Bürger. Es ziehen Bevölkerungsgruppen nach, die die Nachbarschaft sozial aus dem Gleichgewicht bringen.
■ Der Anstieg der Kriminalität erhöht die [[Kriminalitätsfurcht]] und begünstigt weiter den Rückzug der „anständigen“ Bürgerinnen und Bürger. Es ziehen Bevölkerungsgruppen nach, die die Nachbarschaft sozial aus dem Gleichgewicht bringen.
Urbane Präventionstrategien, die allein auf die Aufrechterhaltung der Ordnung setzen, greifen zu kurz, kurieren die Symptome und vernachlässigen dabei möglicherweise die Ursachen einer negativen Kriminalitätsentwicklung. (Rössner, D. et al., 2002: 422 ff.).




====Zero-Tolerance-Modell====
====Zero-Tolerance-Modell====
Populäre Bedeutung hat der Broken-Windows-Ansatz insbesondere mit der Politik der Zero-Tolerance (Null Toleranz), New York, Mitte der 1990er Jahre erlangt. Die Strategie des »Wehret den Anfängen« legt den Schwerpunkt auf die formelle [[soziale Kontrolle]] der incivilities und bezieht sich damit nur auf einen Teilaspekt des [[Broken Windows]]-Ansatzes.  Mit dem Konzept des [[Community Policing]] hingegen wird der zentrale Gedanke des Broken-Windows-Ansatzes, die Stärkung der informellen sozialen Kontrolle in einem Viertel, aufgegriffen. (vgl. Häfele /Lüdemann 2006:273 ff. ). Einer Übertragbarkeit auch in Deutschland stehen spezifische Rahmenbedingungen amerikanischer Großstädte sowie die politische Frage der Verhältnismäßigkeit entgegen (vgl. Bässmann / Vogt 1997:24).
Populäre Bedeutung hat der Broken-Windows-Ansatz insbesondere mit der Politik der Zero-Tolerance (Null Toleranz), New York, Mitte der 1990er Jahre erlangt. Die Strategie des »Wehret den Anfängen« legt den Schwerpunkt auf die formelle [[soziale Kontrolle]] der incivilities und bezieht sich damit nur auf einen Teilaspekt des [[Broken Windows]]-Ansatzes.  Mit dem Konzept des [[Community Policing]] hingegen wird der zentrale Gedanke des Broken-Windows-Ansatzes, die Stärkung der informellen sozialen Kontrolle in einem Viertel, aufgegriffen. (vgl. Häfele /Lüdemann 2006:273 ff. ). Einer Übertragbarkeit auch in Deutschland stehen spezifische Rahmenbedingungen amerikanischer Großstädte sowie die politische Frage der Verhältnismäßigkeit entgegen (vgl. Bässmann / Vogt 1997:24).
Die objektive Häufigkeit von Incivilities hat keinen signifikanten Effekt auf [[Kriminalitätsfurcht]]. Eine Mehrebenenanalyse zeigte, dass die perzipierten Incivilities positiv auf die Kriminalitätsfurcht wirken und die beobachteten Incivilities keinen Effekt auf die Kriminalitätsfurcht haben. Angesichts der kontroversen Debatte um Incivility-Ansätze kann die Studie als ein erster Schritt zur Beantwortung der Frage betrachtet werden, wie perzipierte und beobachtete Incivilities zusammenhängen und wie diese auf Kriminalitätsfurcht wirken (Häfele/Lüdemann 2006: 273 ff.).




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== Diskurs ==
== Diskurs ==
Während Jeffery erkannte, dass nicht die äußeren Umweltbedingungen allein ursächlich für [[Kriminalität]] sein konnte, sondern nach seinem Verständnis auch „psychobiologische“ Effekte und die Wechselwirkungen zwischen beiden, fand diese Erkenntnis in großen Teilen der Literatur sowie auf das urspüngliche CPTED-Konzept aufbauende Ansätze keine Berücksichtigung  (Jeffery 1996: 1).
Die objektive Häufigkeit von Incivilities hat keinen signifikanten Effekt auf [[Kriminalitätsfurcht]]. Eine Mehrebenenanalyse zeigte, dass die perzipierten Incivilities positiv auf die Kriminalitätsfurcht wirken und die beobachteten Incivilities keinen Effekt auf die Kriminalitätsfurcht haben. Angesichts der kontroversen Debatte um Incivility-Ansätze kann die Studie als ein erster Schritt zur Beantwortung der Frage betrachtet werden, wie perzipierte und beobachtete Incivilities zusammenhängen und wie diese auf Kriminalitätsfurcht wirken (Häfele/Lüdemann 2006: 273 ff.).
Rolinski widerlegte die These von Newman. Er kam innerhalb seiner Studien zu Hochhäusern in München (1980: 47) zu dem Ergebnis, dass trotz Fehlens von `Defensible-space-Merkmalen in Hochhäusern (zehn Geschosse und mehr), sich nicht  wesentlich mehr Delikte als in Mehrfamilienhäusern (fünf Geschosse und weniger) mit vorhandenen Defensible-space-Merkmalen ereignen. Er führte dies auf soziologisch bedingte Umstände zurück, die sich in den USA anders als in Deutschland darstellten (1980: 200 ff.).
Urbane Präventionstrategien, die allein auf die Aufrechterhaltung der Ordnung setzen, greifen zu kurz, kurieren die Symptome und vernachlässigen dabei möglicherweise die Ursachen einer negativen Kriminalitätsentwicklung. (Rössner, D. et al., 2002: 422 ff.).
[[Kriminalitätstheorien]], [[Kriminalpolitik]], [[Prävention]], Polizeiarbeit, Umgang mit Opfern u.s.w. lassen sich am besten verstehen, wenn man sie als in Beziehung stehende Aspekte eines sozialen Feldes betrachtet. Eine große Rolle spielen nicht z. B. steigende Kriminalitätsraten und ein Vertrauensverlust im ("staatlichen") Umgang mit der Fürsorge mit gesellschaftliche Randgruppen, sondern vielmehr Anpassungsreaktionen einer Kultur, die eher ausschließend denn solidarisch, eher auf [[soziale Kontrolle]], denn auf soziale Fürsorge bedacht ist.  Vor diesem Hintergrund sind die obsessiven Bestrebungen zu sehen, "riskante" Personen zu überwachen, gefährliche Bevölkerungsteile zu isolieren. Der riskante, unsichere Charakter der heutigen sozialen und ökonomischen Verhältnisse ist der Nährboden, aus dem unser übertriebenes Bedürfnis nach Kontrolle erwächst ebenso wie wir andere ausschließen. Daraus entspringen die tiefsitzenden Ängste, die ihren Ausdruck finden in der heutigen kriminalitätsbewussten Kultur, in der Kommodifizierung von Sicherheit und in einem baulichen Umfeld, das den Raum verwaltet und Menschen separiert (vgl. Garland 2008: 344 ff).
[[Kriminalitätstheorien]], [[Kriminalpolitik]], [[Prävention]], Polizeiarbeit, Umgang mit Opfern u.s.w. lassen sich am besten verstehen, wenn man sie als in Beziehung stehende Aspekte eines sozialen Feldes betrachtet. Eine große Rolle spielen nicht z. B. steigende Kriminalitätsraten und ein Vertrauensverlust im ("staatlichen") Umgang mit der Fürsorge mit gesellschaftliche Randgruppen, sondern vielmehr Anpassungsreaktionen einer Kultur, die eher ausschließend denn solidarisch, eher auf [[soziale Kontrolle]], denn auf soziale Fürsorge bedacht ist.  Vor diesem Hintergrund sind die obsessiven Bestrebungen zu sehen, "riskante" Personen zu überwachen, gefährliche Bevölkerungsteile zu isolieren. Der riskante, unsichere Charakter der heutigen sozialen und ökonomischen Verhältnisse ist der Nährboden, aus dem unser übertriebenes Bedürfnis nach Kontrolle erwächst ebenso wie wir andere ausschließen. Daraus entspringen die tiefsitzenden Ängste, die ihren Ausdruck finden in der heutigen kriminalitätsbewussten Kultur, in der Kommodifizierung von Sicherheit und in einem baulichen Umfeld, das den Raum verwaltet und Menschen separiert (vgl. Garland 2008: 344 ff).


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