Kriminalgeographie: Unterschied zwischen den Versionen

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Besonders im Hinblick auf die Kriminalökologie ist eine kritische Betrachtung des dort verwendeten Raumverständnisses angebracht. Zunächst sei in dieser Hinsicht das Problem des ökologischen Fehlschlusses erwähnt. In einigen kriminalgeographischen Untersuchungen ist von der Ebene aggregierter Daten auf die Individualebene geschlossen worden. Um diesen Fehler umgehen zu können wird der Raum in anderen Untersuchungen als Medium oder Merkmalsträger eingeführt. Dieser wird dann mit sozialen Attributen belegt, d.h. wenn z.B. als Ergebnis festgehalten wird, dass Kriminalität ein größeres Problem in „sozial schwachen“ Gebieten mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Niveau darstellt, dann wird diese Schwäche zur Eigenschaft des Raumes. Der Raum wird zur unabhängigen Variable, der die abhängige Variable Kriminalität beeinflusst. Dieses Raumverständnis entspricht einer geodeterministischen Sichtweise. Er wird definiert als ein „Container“, der verschiedene Attribute beinhaltet, die sich schließlich auf das Verhalten der Individuen auswirken (Containerraummodell). Er selbst stellt dabei eine administrative Abgrenzung dar, die nicht anhand von „natürlichen“ Begebenheiten wie Siedlungstruktur etc. definiert wird. Die Folge eines so verstandenen und verwendeten Raumbegriffs in kriminalgeographischen Untersuchungen ist nach ROLFES, dass präventive Maßnahmen über betroffene Gebiete im „Gieskannenprinzip“ verteilt werden, ohne nach lokalen und individuellen Ursachen zu fragen.<br>
Besonders im Hinblick auf die Kriminalökologie ist eine kritische Betrachtung des dort verwendeten Raumverständnisses angebracht. Zunächst sei in dieser Hinsicht das Problem des ökologischen Fehlschlusses erwähnt. In einigen kriminalgeographischen Untersuchungen ist von der Ebene aggregierter Daten auf die Individualebene geschlossen worden. Um diesen Fehler umgehen zu können wird der Raum in anderen Untersuchungen als Medium oder Merkmalsträger eingeführt. Dieser wird dann mit sozialen Attributen belegt, d.h. wenn z.B. als Ergebnis festgehalten wird, dass Kriminalität ein größeres Problem in „sozial schwachen“ Gebieten mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Niveau darstellt, dann wird diese Schwäche zur Eigenschaft des Raumes. Der Raum wird zur unabhängigen Variable, der die abhängige Variable Kriminalität beeinflusst. Dieses Raumverständnis entspricht einer geodeterministischen Sichtweise. Er wird definiert als ein „Container“, der verschiedene Attribute beinhaltet, die sich schließlich auf das Verhalten der Individuen auswirken (Containerraummodell). Er selbst stellt dabei eine administrative Abgrenzung dar, die nicht anhand von „natürlichen“ Begebenheiten wie Siedlungstruktur etc. definiert wird. Die Folge eines so verstandenen und verwendeten Raumbegriffs in kriminalgeographischen Untersuchungen ist nach ROLFES, dass präventive Maßnahmen über betroffene Gebiete im „Gieskannenprinzip“ verteilt werden, ohne nach lokalen und individuellen Ursachen zu fragen.<br>
Entgegen dieses Verständnisses muss der Raum als eine abhängige Variable aufgefasst werden, der durch soziale Prozesse geformt wird und nicht umgekehrt. Kriminalität wirkt sich dann raumgestaltend aus. Aus der sozielgeographischen Perspektive müßte nach WERLEN (1995) demzufolge nach der sozialen Bedeutung des Räumlichen und nicht nach der räumlichen Struktur des Sozialen gefragt werden. Am Beispiel New York wird der Fehlschluss der erstgenannten Raumdefinition deutlicher: Im Rahmen der New Yorker Polizeistrategie werden soziale Begebenheiten, nämlich Verhaltensweisen repressiv verfolgt, die den Raum „gestalten“ (Graffitti, Müll, Verwahrlosungserscheinungen). Auf der anderen Seite werden diesen Aspekten, die nun zum Raum „gehören“, wiederum kriminslitätsfördernde Eigenschaften zugesprochen, was schließlich der Grund für ihre strikte Verfolgung ist. Letztendlich sind die beiden hier dargestellten Raumverständnisse jedoch nicht immer klar voneinander zu trennen. Durch die bereits o.a. segregativen Prozesse können Übereinstimmungen in Sozialstruktur und Raum zu finden sein, d.h. z.B. Wohnbebauung kann unter bestimmten von den sozialen Bedingungen abhängigen Faktoren Sozialstruktur beeinflussen und kann dadurch neben anderen intervenierenden Faktoren vermutlich auch indirekten Einfluss auf Kriminalität haben.
Entgegen dieses Verständnisses muss der Raum als eine abhängige Variable aufgefasst werden, der durch soziale Prozesse geformt wird und nicht umgekehrt. Kriminalität wirkt sich dann raumgestaltend aus. Aus der sozielgeographischen Perspektive müßte nach WERLEN (1995) demzufolge nach der sozialen Bedeutung des Räumlichen und nicht nach der räumlichen Struktur des Sozialen gefragt werden. Am Beispiel New York wird der Fehlschluss der erstgenannten Raumdefinition deutlicher: Im Rahmen der New Yorker Polizeistrategie werden soziale Begebenheiten, nämlich Verhaltensweisen repressiv verfolgt, die den Raum „gestalten“ (Graffitti, Müll, Verwahrlosungserscheinungen). Auf der anderen Seite werden diesen Aspekten, die nun zum Raum „gehören“, wiederum kriminslitätsfördernde Eigenschaften zugesprochen, was schließlich der Grund für ihre strikte Verfolgung ist. Letztendlich sind die beiden hier dargestellten Raumverständnisse jedoch nicht immer klar voneinander zu trennen. Durch die bereits o.a. segregativen Prozesse können Übereinstimmungen in Sozialstruktur und Raum zu finden sein, d.h. z.B. Wohnbebauung kann unter bestimmten von den sozialen Bedingungen abhängigen Faktoren Sozialstruktur beeinflussen und kann dadurch neben anderen intervenierenden Faktoren vermutlich auch indirekten Einfluss auf Kriminalität haben.
[http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,400595,00.html Spiegel Online (25. Februar 2006)]


[[Kategorie:Grundbegriffe der Kriminologie]]
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