Kinderdelinquenz: Unterschied zwischen den Versionen

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Delikte von Kindern, die nach strafrechtlichen Definitionen als Straftaten angesehen werden, treten meist nicht als bewusste Normbrüche, sondern im Rahmen aus entwicklungspsychologischer Sicht normalen kindlichen, explorativen Verhaltens auf, wobei es zu Grenzüberschreitungen kommen kann. Kinderdelinquenz tritt häufig in der Freizeit auf und ist durch typisch kindliche Motive, emotional gesteuerte Begehensweisen und eine Verteilung der Verantwortung auf die Gruppe gekennzeichnet. Häufig stehen ein Streben nach Anerkennung insbesondere in der peer-group und nach Statussymbolen im Vordergrund. Delinquente Verhaltensweisen sind häufig Laden- und Fahrraddiebstahl, Sachbeschädigung oder leichte Körperverletzung, sie werden meist spontan und unüberlegt realisiert. <br>
Delikte von Kindern, die nach strafrechtlichen Definitionen als Straftaten angesehen werden, treten meist nicht als bewusste Normbrüche, sondern im Rahmen aus entwicklungspsychologischer Sicht normalen kindlichen, explorativen Verhaltens auf, wobei es zu Grenzüberschreitungen kommen kann. Kinderdelinquenz tritt häufig in der Freizeit auf und ist durch typisch kindliche Motive, emotional gesteuerte Begehensweisen und eine Verteilung der Verantwortung auf die Gruppe gekennzeichnet. Häufig stehen ein Streben nach Anerkennung insbesondere in der peer-group und nach Statussymbolen im Vordergrund. Delinquente Verhaltensweisen sind häufig Laden- und Fahrraddiebstahl, Sachbeschädigung oder leichte Körperverletzung, sie werden meist spontan und unüberlegt realisiert. <br>
Kinderdelinquenz richtet sich häufig gegen etwa gleichaltrige Opfer. Vor allem Gewaltdelikte, bei denen Kinder Täter sind, ereignen sich in der Regel im näheren Wohnumfeld, so dass von Täter-Opfer-Beziehungen auszugehen ist.   
Kinderdelinquenz richtet sich häufig gegen etwa gleichaltrige Opfer. Vor allem Gewaltdelikte, bei denen Kinder Täter sind, ereignen sich in der Regel im näheren Wohnumfeld, so dass von Täter-Opfer-Beziehungen auszugehen ist.   
==Kinderdelinquenz als Prädiktor für späteres kriminelles Verhalten?==
Retrospektive Untersuchungen an Rückfalltätern zeigen, dass diese häufig als Kinder früh wegen strafbarer Handlungen auffielen. Umgekehrt finden sich aber keine belastbaren Daten dafür, dass das Tatalter oder die Häufigkeit delinquenten Verhaltens in der Kindheit eine Prognose späterer Kriminalität erlaubt. <br>
Hinweise auf eine Kumulation von Belastungsfaktoren und auf nicht erfolgreiche Interventionsbemühungen im Vorfeld bei sog. Intensivtätern machen deutlich, dass präventive Bestrebungen ggf. noch gezielter im Hinblick auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit der beteiligten Personen und Institutionen und z.B. auf eine Verbesserung der Sozialisationsbedingungen von Kindern ausgerichtet werden könnten. Zeitnahe Reaktionen auf delinquentes kindliches Verhalten im Sinne einer Normverdeutlichung (nicht einer Strafe)befördert die Entwicklung eines Normenverständnisses bei Kinder (welches durchaus bei den meisten Kindern Studien zufolge anzutreffen ist) und eine Internalisierung, die es den Kindern im weiteren Verlauf erlaubt, bewusst Entscheidungen für (oder auch gegen) ein normenkonformes Verhalten zu treffen.<br>
Eine sachliche Darstellung des Phänomens kindlicher Delinquenz in der Öffentlichkeit und eine zurückhaltende Interpretation von Daten der PKS kann eine Skandalisierung entwicklungspsychologisch normaler Verhaltensweisen vermeiden und Stigmatisierungsprozesse verhindern helfen.




 
== Verlaufsformen ==
== Sanktionierungen ==
==Entstehungsbedingungen==
==Entstehungsbedingungen==
Mit der Auflösung der Großfamilie, veränderten Erziehungsstilen oder einer zunehmenden Berufstätigkeit der Eltern außer Haus veränderte sich das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Damit einhergehend verringerten sich die innerfamiliären Kontakte und die Beaufsichtigung der Kinder durch die Eltern, aber auch die innerfamiliären Identifikationsmöglichkeiten für die Kinder. Kinder orientier(t)en sich zunehmend an außerfamiliären Personen, z.B. in der Gleichaltrigengruppe (peer group), an Lehrkräften oder Rollenvorbildern in den Medien (Fernsehen, Internet). Eine Sozialisation und damit auch die Vermittlung von Normen erfolgt(e) insofern zunehmend nicht mehr (vorwiegend) innerhalb des familiären Verbandes. <br>
Mit der Auflösung der Großfamilie, veränderten Erziehungsstilen oder einer zunehmenden Berufstätigkeit der Eltern außer Haus veränderte sich das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Damit einhergehend verringerten sich die innerfamiliären Kontakte und die Beaufsichtigung der Kinder durch die Eltern, aber auch die innerfamiliären Identifikationsmöglichkeiten für die Kinder. Kinder orientier(t)en sich zunehmend an außerfamiliären Personen, z.B. in der Gleichaltrigengruppe (peer group), an Lehrkräften oder Rollenvorbildern in den Medien (Fernsehen, Internet). Eine Sozialisation und damit auch die Vermittlung von Normen erfolgt(e) insofern zunehmend nicht mehr (vorwiegend) innerhalb des familiären Verbandes. <br>
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Die Problematik der Kinderdelinquenz wird (in der jüngeren Vergangenheit z.B. im Zeitraum des Regierungswechsel in Hamburg von der SPD zur CDU/ Schill-Partei im Jahr 2001 sowie CDU/ Schill-Partei zur CDU im Jahr 2004) z.T. massiv als Wahlkampfthema benutzt, wobei Erkenntnisse z.B. der Psychologie, der Kriminologie oder der Pädagogik kaum einbezogen werden. Anlass für eine starke Medienpräsenz des Themas Kinderdelinquenz bieten auch spektakuläre Einzelfälle (z.B. Amokläufe in Schulen oder ausgeprägte Mobbingvorfälle unter Kindern). Soweit Bezug auf Daten der PKS genommen wird, um einen Anstieg einer "Kinderkriminalität" zu belegen, ist dies ohne die gleichzeitige Darstellung der möglichen Verzerrungsfaktoren dieser Daten ggf. geeignet, in der Öffentlichkeit eine falsche - überzogene - Vorstellung des Ausmaßes delinquenten Verhaltens von Kindern zu erzeugen. Zusammen mit (durch Studien nicht belegten) Behauptungen z.B. zu Persönlichkeitsvariablen bei kindlichen Normverletzern, die ein solches Verhalten quasi bedingen, kann dies zu Tendenzen in der Meinungsbildung führen, den Präventionsgedanken als Reaktion auf delinquentes kindliches Verhalten allgemein zugunsten einer Betonung repressiver Vorgehensweisen zurückzustellen. Da zudem die Altersgrenze eher normativ-politisch als z.B. entwicklungspsychologisch begründet ist und für andere Bereiche gesellschaftlichen Handelns (z.B. eine zivilrechtliche Volljährigkeit) andere - höhere - Altersgrenzen festgelegt sind, wird wiederkehrend über eine Veränderung der Strafmündigkeitsgrenze nach oben oder unten (je nach aktueller Situation und Interessenlage) diskutiert.
Die Problematik der Kinderdelinquenz wird (in der jüngeren Vergangenheit z.B. im Zeitraum des Regierungswechsel in Hamburg von der SPD zur CDU/ Schill-Partei im Jahr 2001 sowie CDU/ Schill-Partei zur CDU im Jahr 2004) z.T. massiv als Wahlkampfthema benutzt, wobei Erkenntnisse z.B. der Psychologie, der Kriminologie oder der Pädagogik kaum einbezogen werden. Anlass für eine starke Medienpräsenz des Themas Kinderdelinquenz bieten auch spektakuläre Einzelfälle (z.B. Amokläufe in Schulen oder ausgeprägte Mobbingvorfälle unter Kindern). Soweit Bezug auf Daten der PKS genommen wird, um einen Anstieg einer "Kinderkriminalität" zu belegen, ist dies ohne die gleichzeitige Darstellung der möglichen Verzerrungsfaktoren dieser Daten ggf. geeignet, in der Öffentlichkeit eine falsche - überzogene - Vorstellung des Ausmaßes delinquenten Verhaltens von Kindern zu erzeugen. Zusammen mit (durch Studien nicht belegten) Behauptungen z.B. zu Persönlichkeitsvariablen bei kindlichen Normverletzern, die ein solches Verhalten quasi bedingen, kann dies zu Tendenzen in der Meinungsbildung führen, den Präventionsgedanken als Reaktion auf delinquentes kindliches Verhalten allgemein zugunsten einer Betonung repressiver Vorgehensweisen zurückzustellen. Da zudem die Altersgrenze eher normativ-politisch als z.B. entwicklungspsychologisch begründet ist und für andere Bereiche gesellschaftlichen Handelns (z.B. eine zivilrechtliche Volljährigkeit) andere - höhere - Altersgrenzen festgelegt sind, wird wiederkehrend über eine Veränderung der Strafmündigkeitsgrenze nach oben oder unten (je nach aktueller Situation und Interessenlage) diskutiert.
    
    
==Kinderdelinquenz als Prädiktor für späteres kriminelles Verhalten?==
Retrospektive Untersuchungen an Rückfalltätern zeigen, dass diese häufig als Kinder früh wegen strafbarer Handlungen auffielen. Umgekehrt finden sich aber keine belastbaren Daten dafür, dass das Tatalter oder die Häufigkeit delinquenten Verhaltens in der Kindheit eine Prognose späterer Kriminalität erlaubt. <br>
Hinweise auf eine Kumulation von Belastungsfaktoren und auf nicht erfolgreiche Interventionsbemühungen im Vorfeld bei sog. Intensivtätern machen deutlich, dass präventive Bestrebungen ggf. noch gezielter im Hinblick auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit der beteiligten Personen und Institutionen und z.B. auf eine Verbesserung der Sozialisationsbedingungen von Kindern ausgerichtet werden könnten. Zeitnahe Reaktionen auf delinquentes kindliches Verhalten im Sinne einer Normverdeutlichung (nicht einer Strafe)befördert die Entwicklung eines Normenverständnisses bei Kinder (welches durchaus bei den meisten Kindern Studien zufolge anzutreffen ist) und eine Internalisierung, die es den Kindern im weiteren Verlauf erlaubt, bewusst Entscheidungen für (oder auch gegen) ein normenkonformes Verhalten zu treffen.<br>
Eine sachliche Darstellung des Phänomens kindlicher Delinquenz in der Öffentlichkeit und eine zurückhaltende Interpretation von Daten der PKS kann eine Skandalisierung entwicklungspsychologisch normaler Verhaltensweisen vermeiden und Stigmatisierungsprozesse verhindern helfen.
== Verlauf ==
==Sanktionierung==
==Zusammenhänge mit anderen Begriffen==
==Zusammenhänge mit anderen Begriffen==


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