Kinderdelinquenz: Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 7: Zeile 7:


== Umfang und Erscheinungsformen ==
== Umfang und Erscheinungsformen ==
===Umfang===
In der Polizeilichen Kriminalstatistik [[PKS]] erfasste Daten des sog. Hellfeldes bedürfen vor einer Interpretation bezogen auf die Entwicklung der Kriminalität der Ergänzung und Kontrastierung durch weitere Datenquellen (z.B. durch eine statistikbegleitende Dunkelfeldforschung oder Daten aus Staatsanwaltschaft und Justiz). Auf diese Weise können z.B. Veränderungen im Anzeigeverhalten, institutionelle Bewertungsvorgänge oder Veränderungen normativer Rahmenbedingungen einbezogen werden, die Auswirkungen auf die erhobenen Zahlen haben (können).<br>
Bezogen auf den Bereich Kinderdelinquenz bestehen dabei verschiedene Schwierigkeiten: Risiken von Fehlern in der Erfassung und rechtlichen Bewertung sowie in der qualitativen Interpretation der Daten sind deutlich ausgeprägter als bei strafmündigen Personen. Zu Fragen ist z.B., ob die Registrierung unter 6-jähriger Kinder als tatverdächtig mit dem Entwicklungsstand von Kindern dieses Alters vereinbar ist, ob ein Kind diesen Alters also bewusst normverletzend gehandelt haben kann. Auch eine Mitregistrierung von Kindern als Tatverdächtige, wenn sie sich (ohne eigenen Tatbeitrag) in einer Gruppe von Personen, die eine Straftat begangen haben, befunden haben, lässt die Annahme einer Normabweichung dieses - registrierten - Kindes diskutierbar erscheinen. Auch fehlt bei Kindern die Möglichkeit der Prüfung und ggf. der Korrektur eines polizeilichen Tatverdachtes durch die Justiz, da ein Strafverfahren gegen sie nicht weitergeführt werden kann. <br>
Unter der Annahme, dass im Fall strafunmündiger Täter die Anzeigehäufigkeit niedrig ist, führt schon ein geringfügiger Wandel der Anzeigebereitschaft bezogen auf Kinder zu erheblichen Veränderungen der Daten. Schließlich ist einzubeziehen, dass Veränderungen der personellen Kapazitäten z.B. der Polizei zu ggf. gravierenden Veränderungen in der Registrierung strafunmündiger Kinder führen können, ohne dass ein tatsächlich erhöhtes Aufkommen normabweichenden Verhaltens in dieser Altersgruppe vorhanden sein muss. <br>


Insgesamt finden sich in der PKS wellenförmige Verläufe in der Entwicklung der Tatverdächtigenanteile von Kindern, die unter dem Vorbehalt möglicher verzerrender Einflussfaktoren zu sehen sind. Eine kontinuierliche Verjüngung der Tatverdächtigen im Hellfeld läßt sich (bis 2005) anhand der Daten nicht belegen. Auch eine deutliche Zunahme von Mehrfach- oder Intensivtätern lässt sich nicht ableiten. Ein zunehmender Trend findet sich bis etwa 2004 bezogen auf einfache und qualifizierte Körperverletzung, wobei Gewalt-, Körperverletzungs- und Drogendelikte den kleinsten Teil der Kinderdelinquenz ausmachen. Bei dem größten Anteil der Kinderdelinquenz, den Eigentumsdelikten, ist ab Mitte der 90er Jahre ein deutlicher Rückgang festzustellen.
Der Vergleich der Tatverdächtigenanteile der strafunmündigen Kinder an der Gesamtkriminalität zeigt, dass die registrierte Kinderdelinquenz zwar gestiegen ist, insgesamt aber nach wie vor nur einen geringen Anteil ausmacht. <br>
Die Datenlage zur Erfassung des Umfangs und der Struktur der Kinderdelinquenz ist in Deutschland noch als unzureichend anzusehen. Eine alleinige Interpretation der Hellfelddaten der Polizei sollte im Bereich der Kinderdelinquenz zurückhaltend erfolgen.


Um Reaktionen der Jugendhilfe für die Kinder und die Familien sinnvoll und nutzbar zu machen, ist eine zeitnahe Reaktion erforderlich, was häufig aufgrund von unterschiedlichen Verfahrensweisen der beteiligten Institutionen (z.B. Polizei und Jugendamt) nicht erfolgt. Ein weiterer Aspekt ist die Bereitstellung ausreichender auch personeller Ressourcen, um auf eingehende Meldungen oder Hinweise auf kindliche Auffälligkeiten oder Delinquenz mit einem pädagogisch angemessenen Angebot reagieren zu können.
Um Reaktionen der Jugendhilfe für die Kinder und die Familien sinnvoll und nutzbar zu machen, ist eine zeitnahe Reaktion erforderlich, was häufig aufgrund von unterschiedlichen Verfahrensweisen der beteiligten Institutionen (z.B. Polizei und Jugendamt) nicht erfolgt. Ein weiterer Aspekt ist die Bereitstellung ausreichender auch personeller Ressourcen, um auf eingehende Meldungen oder Hinweise auf kindliche Auffälligkeiten oder Delinquenz mit einem pädagogisch angemessenen Angebot reagieren zu können.


 
===Formen===
==Formen==
Delikte von Kindern, die nach strafrechtlichen Definitionen als Straftaten angesehen werden, treten meist nicht als bewusste Normbrüche, sondern im Rahmen aus entwicklungspsychologischer Sicht normalen kindlichen, explorativen Verhaltens auf, wobei es zu Grenzüberschreitungen kommen kann. Kinderdelinquenz tritt häufig in der Freizeit auf und ist durch typisch kindliche Motive, emotional gesteuerte Begehensweisen und eine Verteilung der Verantwortung auf die Gruppe gekennzeichnet. Häufig stehen ein Streben nach Anerkennung insbesondere in der peer-group und nach Statussymbolen im Vordergrund. Delinquente Verhaltensweisen sind häufig Laden- und Fahrraddiebstahl, Sachbeschädigung oder leichte Körperverletzung, sie werden meist spontan und unüberlegt realisiert. <br>
Delikte von Kindern, die nach strafrechtlichen Definitionen als Straftaten angesehen werden, treten meist nicht als bewusste Normbrüche, sondern im Rahmen aus entwicklungspsychologischer Sicht normalen kindlichen, explorativen Verhaltens auf, wobei es zu Grenzüberschreitungen kommen kann. Kinderdelinquenz tritt häufig in der Freizeit auf und ist durch typisch kindliche Motive, emotional gesteuerte Begehensweisen und eine Verteilung der Verantwortung auf die Gruppe gekennzeichnet. Häufig stehen ein Streben nach Anerkennung insbesondere in der peer-group und nach Statussymbolen im Vordergrund. Delinquente Verhaltensweisen sind häufig Laden- und Fahrraddiebstahl, Sachbeschädigung oder leichte Körperverletzung, sie werden meist spontan und unüberlegt realisiert. <br>
Kinderdelinquenz richtet sich häufig gegen etwa gleichaltrige Opfer. Vor allem Gewaltdelikte, bei denen Kinder Täter sind, ereignen sich in der Regel im näheren Wohnumfeld, so dass von Täter-Opfer-Beziehungen auszugehen ist.   
Kinderdelinquenz richtet sich häufig gegen etwa gleichaltrige Opfer. Vor allem Gewaltdelikte, bei denen Kinder Täter sind, ereignen sich in der Regel im näheren Wohnumfeld, so dass von Täter-Opfer-Beziehungen auszugehen ist.   


==Umfang==
In der Polizeilichen Kriminalstatistik [[PKS]] erfasste Daten des sog. Hellfeldes bedürfen vor einer Interpretation bezogen auf die Entwicklung der Kriminalität der Ergänzung und Kontrastierung durch weitere Datenquellen (z.B. durch eine statistikbegleitende Dunkelfeldforschung oder Daten aus Staatsanwaltschaft und Justiz). Auf diese Weise können z.B. Veränderungen im Anzeigeverhalten, institutionelle Bewertungsvorgänge oder Veränderungen normativer Rahmenbedingungen einbezogen werden, die Auswirkungen auf die erhobenen Zahlen haben (können).<br>
Bezogen auf den Bereich Kinderdelinquenz bestehen dabei verschiedene Schwierigkeiten: Risiken von Fehlern in der Erfassung und rechtlichen Bewertung sowie in der qualitativen Interpretation der Daten sind deutlich ausgeprägter als bei strafmündigen Personen. Zu Fragen ist z.B., ob die Registrierung unter 6-jähriger Kinder als tatverdächtig mit dem Entwicklungsstand von Kindern dieses Alters vereinbar ist, ob ein Kind diesen Alters also bewusst normverletzend gehandelt haben kann. Auch eine Mitregistrierung von Kindern als Tatverdächtige, wenn sie sich (ohne eigenen Tatbeitrag) in einer Gruppe von Personen, die eine Straftat begangen haben, befunden haben, lässt die Annahme einer Normabweichung dieses - registrierten - Kindes diskutierbar erscheinen. Auch fehlt bei Kindern die Möglichkeit der Prüfung und ggf. der Korrektur eines polizeilichen Tatverdachtes durch die Justiz, da ein Strafverfahren gegen sie nicht weitergeführt werden kann. <br>
Unter der Annahme, dass im Fall strafunmündiger Täter die Anzeigehäufigkeit niedrig ist, führt schon ein geringfügiger Wandel der Anzeigebereitschaft bezogen auf Kinder zu erheblichen Veränderungen der Daten. Schließlich ist einzubeziehen, dass Veränderungen der personellen Kapazitäten z.B. der Polizei zu ggf. gravierenden Veränderungen in der Registrierung strafunmündiger Kinder führen können, ohne dass ein tatsächlich erhöhtes Aufkommen normabweichenden Verhaltens in dieser Altersgruppe vorhanden sein muss. <br>


Insgesamt finden sich in der PKS wellenförmige Verläufe in der Entwicklung der Tatverdächtigenanteile von Kindern, die unter dem Vorbehalt möglicher verzerrender Einflussfaktoren zu sehen sind. Eine kontinuierliche Verjüngung der Tatverdächtigen im Hellfeld läßt sich (bis 2005) anhand der Daten nicht belegen. Auch eine deutliche Zunahme von Mehrfach- oder Intensivtätern lässt sich nicht ableiten. Ein zunehmender Trend findet sich bis etwa 2004 bezogen auf einfache und qualifizierte Körperverletzung, wobei Gewalt-, Körperverletzungs- und Drogendelikte den kleinsten Teil der Kinderdelinquenz ausmachen. Bei dem größten Anteil der Kinderdelinquenz, den Eigentumsdelikten, ist ab Mitte der 90er Jahre ein deutlicher Rückgang festzustellen.
Der Vergleich der Tatverdächtigenanteile der strafunmündigen Kinder an der Gesamtkriminalität zeigt, dass die registrierte Kinderdelinquenz zwar gestiegen ist, insgesamt aber nach wie vor nur einen geringen Anteil ausmacht. <br>
Die Datenlage zur Erfassung des Umfangs und der Struktur der Kinderdelinquenz ist in Deutschland noch als unzureichend anzusehen. Eine alleinige Interpretation der Hellfelddaten der Polizei sollte im Bereich der Kinderdelinquenz zurückhaltend erfolgen.


==Entstehungsbedingungen==
==Entstehungsbedingungen==
31.738

Bearbeitungen