Karl Josef Anton Mittermaier: Unterschied zwischen den Versionen

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Der (gemäßigt liberale) Heidelberger Rechtsprofessor, Publizist und Politiker '''Karl Josef (auch: Carl Joseph) Anton Mittermaier''' (* 5. August 1787 in München; † 28. August 1867 in Heidelberg) stand im Mittelpunkt des reformorientierten Netzwerks der "Gefängnisfreunde". Er wirkte mit daran, dass seit den 1830er Jahren die militärisch geprägten "Kerkermeister" zunehmend durch akademisch gebildete und wissenschaftliche interessierte Anstaltsleiter abgelöst wurden.
[[File:Karl Joseph Anton Mittermaier.jpg|thumb|Karl Joseph Anton Mittermaier]]Der (gemäßigt liberale) Heidelberger Rechtsprofessor, Publizist und Politiker '''Karl Josef (auch: Carl Joseph) Anton Mittermaier''' (* 5. August 1787 in München; † 28. August 1867 in Heidelberg) stand im Mittelpunkt des reformorientierten Netzwerks der "Gefängnisfreunde". Er wirkte mit daran, dass seit den 1830er Jahren die militärisch geprägten "Kerkermeister" zunehmend durch akademisch gebildete und wissenschaftliche interessierte Anstaltsleiter abgelöst wurden.


==Leben==
==Leben==


Nach Studium in Landshut und Promotion in Heidelberg, Tätigkeiten als Privatlehrer und Privatdozent wurde er 1811 Professor der Rechte in Landshut, 1819 in Bonn und ab 1821 in Heidelberg. Er unternahm mehrere Studienreisen und fungierte als Herausgeber mehrerer juristischer und politischer Schriften. Er war ab 1829 Mitglied der Badischen Gesetzgebungskommission und von 1831 bis 1840 sowie von 1846 bis 1849 Abgeordneter in der Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung, davon die meiste Zeit als Präsident des Parlaments. Er war Teilnehmer des Weinheimer Pressefests 1832 und der Heidelberger Versammlung 1848. Mittermaier fungierte als Präsident des Vorparlaments in Frankfurt am Main und vertrat vom 18. Mai 1848 bis zum 30. Mai 1849 Baden-Baden in der Frankfurter Nationalversammlung. Mittermaier erhielt zahlreiche internationale Ehrendoktorwürden und war Mitglied vieler wissenschaftlicher Gesellschaften in Europa und den USA. Die Stadt Heidelberg verlieh ihm 1836 die Ehrenbürgerwürde. - Das 1822 von Mittermaier in Heidelberg erworbene und nach ihm benannte Gebäude "Palais Mittermaier", heute Karlstraße Nr. 8, seinerzeit auch Wohnsitz der Eltern von Richard von Krafft-Ebing, ist heute eines der ältesten barocken Bauwerke der Altstadt Heidelbergs.
Nach Studium in Landshut und Promotion in Heidelberg, Tätigkeiten als Privatlehrer und Privatdozent wurde er 1811 Professor der Rechte in Landshut, 1819 in Bonn und ab 1821 in Heidelberg. Er unternahm mehrere Studienreisen und fungierte als Herausgeber mehrerer juristischer und politischer Schriften. Er war ab 1829 Mitglied der Badischen Gesetzgebungskommission und von 1831 bis 1840 sowie von 1846 bis 1849 Abgeordneter in der Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung, davon die meiste Zeit als Präsident des Parlaments. Er war Teilnehmer des Weinheimer Pressefests 1832 und der Heidelberger Versammlung 1848. Mittermaier fungierte als Präsident des Vorparlaments in Frankfurt am Main und vertrat vom 18. Mai 1848 bis zum 30. Mai 1849 Baden-Baden in der Frankfurter Nationalversammlung. Mittermaier erhielt zahlreiche internationale Ehrendoktorwürden und war Mitglied vieler wissenschaftlicher Gesellschaften in Europa und den USA. Die Stadt Heidelberg verlieh ihm 1836 die Ehrenbürgerwürde. - Das 1822 von Mittermaier in Heidelberg erworbene und nach ihm benannte Gebäude "Palais Mittermaier", heute Karlstraße Nr. 8, seinerzeit auch Wohnsitz der Eltern von Richard von Krafft-Ebing, ist heute eines der ältesten barocken Bauwerke der Altstadt Heidelbergs.
== Gefängniskunde ==
== Gefängniskunde ==
Ziel des "Pönitentiarsystems" in den 1830er Jahren war - auf der Grundlage der Ideen John Howards - die moralische Besserung der Gefangenen durch Arbeit und Seelsorge, neuerdings aber auch Überwachung, Klassifikation und Isolation (die überkommene Gemeinschaftshaft galt als eines der Grundübel der Zeit). Als die US-Modelle des Schweige- und des Einzelhaftsystems rezipiert wurden, fanden die bisher dominierenden Charakteristika der Gefängniskunde - ihre Offenheit und ihr Eklektizismus - ein abruptes Ende. Sie wurden ersetzt durch den ideologischen Kampf zwischen Auburn und Pennsylvania. In diesem Lagerkampf wechselte Mittermaier des öfteren seine Position, behielt aber trotzdem oder deshalb seine europäische Schlüsselrolle als Schaltstelle zwischen Jurisprudenz, Experten und Politik.
Ziel des "Pönitentiarsystems" in den 1830er Jahren war - auf der Grundlage der Ideen John Howards - die moralische Besserung der Gefangenen durch Arbeit und Seelsorge, neuerdings aber auch Überwachung, Klassifikation und Isolation (die überkommene Gemeinschaftshaft galt als eines der Grundübel der Zeit). Als die US-Modelle des Schweige- und des Einzelhaftsystems rezipiert wurden, fanden die bisher dominierenden Charakteristika der Gefängniskunde - ihre Offenheit und ihr Eklektizismus - ein abruptes Ende. Sie wurden ersetzt durch den ideologischen Kampf zwischen Auburn und Pennsylvania. In diesem Lagerkampf wechselte Mittermaier des öfteren seine Position, behielt aber trotzdem oder deshalb seine europäische Schlüsselrolle als Schaltstelle zwischen Jurisprudenz, Experten und Politik.