Jugendkriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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Christian Pfeiffer sieht die Ursachen der hohen Gewaltbereitschaft vor allem der jungen Türken in deren kultureller Prägung und ihrer Lebenssituation. Ihre Familien sind besonders stark von Arbeitslosigkeit und von Gewalt in der Familie, bzw. Erziehung, betroffen. Die jungen Türken besuchten besonders häufig die Hauptschule und besonders selten weiterführende Schulen. Nur wenige junge Türken strebten das Abitur an (14%; Deutsche: 45%). Türken unterscheiden sich von anderen Gleichaltrigen am deutlichsten in der Akzeptanz gewaltlegitimierender Männlichkeitsnormen: "Die Türken-Machos und rechtsextreme deutsche Jugendliche sind Zwillinge im Geiste" (Pfeiffer, zit. n. Müller 2008).
Christian Pfeiffer sieht die Ursachen der hohen Gewaltbereitschaft vor allem der jungen Türken in deren kultureller Prägung und ihrer Lebenssituation. Ihre Familien sind besonders stark von Arbeitslosigkeit und von Gewalt in der Familie, bzw. Erziehung, betroffen. Die jungen Türken besuchten besonders häufig die Hauptschule und besonders selten weiterführende Schulen. Nur wenige junge Türken strebten das Abitur an (14%; Deutsche: 45%). Türken unterscheiden sich von anderen Gleichaltrigen am deutlichsten in der Akzeptanz gewaltlegitimierender Männlichkeitsnormen: "Die Türken-Machos und rechtsextreme deutsche Jugendliche sind Zwillinge im Geiste" (Pfeiffer, zit. n. Müller 2008).


== Reaktionen ==
== Kriminalpolitische Reaktionen ==


In den meisten Staaten wechseln sich Zyklen der Härte mit solchen einer eher verständnisvollen Hilfe ab, ohne dass mit der einen oder anderen Reaktionsweise durchschlagende Erfolge erzielt werden. Im Grunde genommen sind die Pendelschläge ein Ausdruck der Hilflosigkeit.
In den meisten Staaten wechseln sich Zyklen der Härte mit solchen einer eher verständnisvollen Hilfe ab, ohne dass mit der einen oder anderen Reaktionsweise durchschlagende Erfolge erzielt werden. Im Grunde genommen sind die Pendelschläge ein Ausdruck der Hilflosigkeit.
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Empfehlungen aus der Wissenschaft. Christian Pfeiffer empfiehlt insbesondere gegenüber der türkischen Jugendgewalt in Deutschland "eine Frühförderung, die mit der 'pränatalen Intervention' durch speziell geschulte Hebammen beginnen solle, über gemeinsames Sandkastenspiel von 'Mehmet und Max' und kostenlose Nachhilfe für Schüler bis zur 'Kultur der Ehre' als Unterrichtsthema reichen müsse, um diese Subkultur als dysfunktional zu entlarven. Als Therapiegegen den Medienabusus verordnet Pfeiffer die Ganztagsschule" (Müller 2008).
Empfehlungen aus der Wissenschaft. Christian Pfeiffer empfiehlt insbesondere gegenüber der türkischen Jugendgewalt in Deutschland "eine Frühförderung, die mit der 'pränatalen Intervention' durch speziell geschulte Hebammen beginnen solle, über gemeinsames Sandkastenspiel von 'Mehmet und Max' und kostenlose Nachhilfe für Schüler bis zur 'Kultur der Ehre' als Unterrichtsthema reichen müsse, um diese Subkultur als dysfunktional zu entlarven. Als Therapiegegen den Medienabusus verordnet Pfeiffer die Ganztagsschule" (Müller 2008).


= Inland =
== Prävention ==


Prävention betreibt die Bundesregierung auf verschiedenen Wegen. Nicht alle der Prävention günstigen Programme treten auch unter diesem Titel auf. So etwa die im Januar 2008 von der Regierung beschlossene Qualifizierungsinitiative. Deren teuerstes Programm heißt "Aufstieg durch Bildung" und soll per Zuschußgewährung an Unternehmen bis Ende 2010 rund 100 000 zusätzliche Lehrstellen für "ältere und schlecht qualifizierte Jugendliche" schaffen. Das rund eine halbe Milliarde Euro schwere Programm soll die Zahl der minderqualifizierten und sozial benachteiligten Jugendlichen abbauen, die trotz mehrmaliger Anläufe nur schwer eine Lehrstelle finden. Rund einer Drittel der Jugendlichen, die nach der Schule mindestens ein Jahr lang keinen Ausbildungsplatz finden, stammt aus Migrantenfamilien: "In der Altersgruppe bis 29 Jahre gibt es inzwischen 1,3 Millionen Menschen ohne berufliche Qualifizierung, das ist ein Anteil von 15 Prozent dieser jungen Frauen und Männer" (FAZ: "Ein Bonus für die schwierigen Fälle", 10.01.08: 13).
Prävention betreibt die Bundesregierung auf verschiedenen Wegen. Nicht alle der Prävention günstigen Programme treten auch unter diesem Titel auf. So etwa die im Januar 2008 von der Regierung beschlossene Qualifizierungsinitiative. Deren teuerstes Programm heißt "Aufstieg durch Bildung" und soll per Zuschußgewährung an Unternehmen bis Ende 2010 rund 100 000 zusätzliche Lehrstellen für "ältere und schlecht qualifizierte Jugendliche" schaffen. Das rund eine halbe Milliarde Euro schwere Programm soll die Zahl der minderqualifizierten und sozial benachteiligten Jugendlichen abbauen, die trotz mehrmaliger Anläufe nur schwer eine Lehrstelle finden. Rund einer Drittel der Jugendlichen, die nach der Schule mindestens ein Jahr lang keinen Ausbildungsplatz finden, stammt aus Migrantenfamilien: "In der Altersgruppe bis 29 Jahre gibt es inzwischen 1,3 Millionen Menschen ohne berufliche Qualifizierung, das ist ein Anteil von 15 Prozent dieser jungen Frauen und Männer" (FAZ: "Ein Bonus für die schwierigen Fälle", 10.01.08: 13).
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Um Rückfallverhütung bemühen sich auch viele Vereine. In Hannover kümmert sich z.B. der Verein für Bildungsmaßnahmen im Arbeits- und Freizeitbereich (BAF) seit 1981 um mehrfach straffällig gewordene Jugendliche. In Baden-Württemberg leistet das "Projekt Chance e.V." Nachsorge für Strafentlassene bis zu 26 Jahren.
Um Rückfallverhütung bemühen sich auch viele Vereine. In Hannover kümmert sich z.B. der Verein für Bildungsmaßnahmen im Arbeits- und Freizeitbereich (BAF) seit 1981 um mehrfach straffällig gewordene Jugendliche. In Baden-Württemberg leistet das "Projekt Chance e.V." Nachsorge für Strafentlassene bis zu 26 Jahren.


= Ausland =
Bürgerinitiativen. Praktische Arbeit mit Gefangenen verbindet der "Kölner Appell gegen Rassismus e.V. " mit Bemühungen um die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Haftbedingungen der jungen Gefangenen. Unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Bundesinnenministers Gerhard Baum (FDP) organisierte der "Kölner Appell" z.B. 2007/2008 eine Wanderausstellung unter dem Titel "Menschen statt Mauern", um den Reformbedarf im Jugendstrafvollzug Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der Nachbau einer Zelle (8 Quadratmeter) und die Information, dass allein in Köln an jedem Wochenende rund 700 meist ausländische Jugendliche in ihren Zellen hocken - mit einem Betreuer auf 100 Gefangene - soll einerseits das Vorurteil von der angeblichen Kuschelpädagogik widerlegen und andererseits auf die Problematik hinweisen, dass die Härte der Haftbedingungen die kriminellen Karrieren eher festigt: "Härte macht roh" (Boldt 2008).
 
 
== Internationale Perspektiven ==  


Großbritannien: Seit den 1990er Jahren schwankte die Diskussion zwischen "Colchester" und "Thorn Cross". Colchester war ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager und Militärgefängnis, das bei den Konservativen hoch im Kurs stand, weil man Jugendliche (18-21) dort mit paramilitärischem Drill, Sport und Degradierungen ("Anbrüllen") wieder auf Kurs bringen wollte. Im Jahre 2002 kam eine Studie des Innenministeriums zu dem Schluss, dass das Programm milderen Programmen nicht überlegen sei. Insbesondere seien die harten Elemente des Trainings nicht kausal für irgendwelche positiven Effekte. Sie hätten nicht einmal dazu geführt, dass die Insassen nach ihrer Entlassung ihre Aggressionen besser im Griff hätten. Demgegenüber wurde das von der Strafvollzugsbehörde betriebene Programm des nordwestenglischen Thorn Cross der Regierung Blair als Modell für den Umgang mit jugendlichen Straftätern nahegelegt. Auch Thorn Cross war allerdings hart - wenngleich nicht militärisch und nicht erniedrigend - und galt als englische Variante der Boot Camps. Eine deutliche Verbesserung der Erfolge hat sich aus daraus nicht ergeben.
Großbritannien: Seit den 1990er Jahren schwankte die Diskussion zwischen "Colchester" und "Thorn Cross". Colchester war ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager und Militärgefängnis, das bei den Konservativen hoch im Kurs stand, weil man Jugendliche (18-21) dort mit paramilitärischem Drill, Sport und Degradierungen ("Anbrüllen") wieder auf Kurs bringen wollte. Im Jahre 2002 kam eine Studie des Innenministeriums zu dem Schluss, dass das Programm milderen Programmen nicht überlegen sei. Insbesondere seien die harten Elemente des Trainings nicht kausal für irgendwelche positiven Effekte. Sie hätten nicht einmal dazu geführt, dass die Insassen nach ihrer Entlassung ihre Aggressionen besser im Griff hätten. Demgegenüber wurde das von der Strafvollzugsbehörde betriebene Programm des nordwestenglischen Thorn Cross der Regierung Blair als Modell für den Umgang mit jugendlichen Straftätern nahegelegt. Auch Thorn Cross war allerdings hart - wenngleich nicht militärisch und nicht erniedrigend - und galt als englische Variante der Boot Camps. Eine deutliche Verbesserung der Erfolge hat sich aus daraus nicht ergeben.
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== Literatur ==
== Literatur ==
Boldt, Kirsten (2008) Menschen statt Mauern. Kölner Stadt-Anzeiger 07.01.08.


Müller, Claus Peter (2008) Junge Türken neigen am meisten zur Gewalt. Christian Pfeiffer hat die Gewaltbereitschaft Jugendlicher untersucht. Der Kriminologe erklärt die hohen Deliktzahlen bei jungen Migranten mit deren Lebenslage. FAZ 10.01.08: 9.
Müller, Claus Peter (2008) Junge Türken neigen am meisten zur Gewalt. Christian Pfeiffer hat die Gewaltbereitschaft Jugendlicher untersucht. Der Kriminologe erklärt die hohen Deliktzahlen bei jungen Migranten mit deren Lebenslage. FAZ 10.01.08: 9.
Anonymer Benutzer