Jan Philipp Reemtsma: Unterschied zwischen den Versionen

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==Weblinks==
==Weblinks==
*[https://portal.dnb.de/opac.htm?query=Woe%3D119425432&method=simpleSearch Literatur von und über Jan Philipp Reemtsma im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek]
*[http://de.wikiquote.org/wiki/Jan_Philipp_Reemtsma Wikiquote: Jan Philipp Reemtsma – Zitate]
*[http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Philipp_Reemtsma Jan Philipp Reemtsma, in: de.wikipedia]
*[http://www.spiegel.de/thema/reemtsma_entfuehrung/ Reemtsma-Entführung, Der Spiegel]
*[http://zomobo.net/jan-philipp-reemtsma Zomobo.net - The Social Research Tool: Jan Philipp Reemtsma (in You Tube Videos, Blogs u.a.)].


*[http://www.ndr.de/geschichte/chronologie/neunzigerjahre/reemtsmaentfuehrung103.html Altenmüller, Irene (2011) 33 Tage im Keller. NDR]
*[http://www.ndr.de/geschichte/chronologie/neunzigerjahre/reemtsmaentfuehrung103.html Altenmüller, Irene (2011) 33 Tage im Keller. NDR]
*[http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/jan-philipp-reemtsma-diskutiert-ueber-gewalt-in-beispielloser-friedlichkeit-ueber-gewalt-reden-1546484.html Cammann, Alexander (2008) Jan Philipp Reemtsma diskutiert über Gewalt. In beispielloser Friedlichkeit über Gewalt reden. FAZ 17.04.2008]
*[http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/jan-philipp-reemtsma-diskutiert-ueber-gewalt-in-beispielloser-friedlichkeit-ueber-gewalt-reden-1546484.html Cammann, Alexander (2008) Jan Philipp Reemtsma diskutiert über Gewalt. In beispielloser Friedlichkeit über Gewalt reden. FAZ 17.04.2008]
*[http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Philipp_Reemtsma Jan Philipp Reemtsma, in: de.wikipedia]
*[http://zomobo.net/jan-philipp-reemtsma Jan Philipp Reemtsma in: Zomobo.net - The Social Research Tool]
*[https://portal.dnb.de/opac.htm?query=Woe%3D119425432&method=simpleSearch Literatur von und über Jan Philipp Reemtsma im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek]
*[http://www.spiegel.de/thema/reemtsma_entfuehrung/ Reemtsma-Entführung, Der Spiegel]
*[http://de.wikiquote.org/wiki/Jan_Philipp_Reemtsma Zitate von Jan Philipp Reemtsma in: Wikiquote]

Version vom 20. November 2012, 19:21 Uhr

Jan Philipp Fürchtegott Reemtsma (* 26. November 1952 in Bonn) ist ein deutscher Intellektueller und Mäzen, der seit Mitte der 1990er Jahre mit der Wehrmachtsausstellung und der Berichterstattung über seine Entführung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. In der Wissenschaft hatte er sich schon mehr als zehn Jahre zuvor durch die Gründung der Arno-Schmidt-Stiftung, des Hamburger Instituts für Sozialforschung (HIS) und der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur einen Namen gemacht. Sein akademisches, politisch-publizistisches und mäzenatisches Wirken steht in der Tradition der Aufklärung und widmet sich insbesondere den ungelösten Gewaltproblemen der Moderne. Sein nachdrückliches gesellschaftspolitisches Engagement (u.a. im Hinblick auf Entschädigung für NS-Zwangsarbeit und die Unterstützung politisch Verfolgter) verschaffte Reemtsma, der seit 1996 als außerplanmäßiger Professor Neuere Deutsche Literatur an der Universität Hamburg unterrichtet, zahlreiche öffentliche Auszeichnungen. Die Annahme des Bundesverdienstkreuzes lehnte Reemtsma, seit 2012 auch Honorarkonsul der Republik Slowenien für Hamburg und Schleswig-Holstein, gemäß einer alten hanseatischen Tradition allerdings ab.

Leben

Der Sohn des wohlhabenden Unternehmers Philipp Fürchtegott Reemtsma wuchs in Hamburg auf: hier ging er zur Schule (Christianeum), absolvierte seinen zivilen Ersatzdienst, studierte Germanistik und Philosophie und verfasste seine Dissertation (über Christoph Martin Wielands „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen“). Parallel zu seinen akademischen Studien nahm er schon früh Funktionen im Unternehmen wahr - darunter im Aufsichtsrat einer Brauerei. 1979 veräußerte er seine Unternehmensanteile für einen dreistelligen Millionenbetrag und widmete sich fortan ganz seinen wissenschaftlichen Werken und gesellschaftspolitischen Initiativen, zu denen neben pointierten Interventionen in aktuelle Diskussionen auch großzügige finanzielle Unterstützungen für zahlreiche Personen und Initiativen gehören. Der Beginn seines Mäzenatentums wird auf das Jahr 1977 datiert. Damals besuchte Reemtsma den von ihm verehrten (und finanzielle Not leidenden) Schriftsteller Arno Schmidt in der Lüneburger Heide und erklärte ihm laut Fritz J. Raddatz (1984):

"Da Sie dieses Jahr den Nobelpreis – wieder – nicht erhalten haben: ich gebe Ihnen ‚meinen‘ Nobelpreis. Das waren, im Jahr 1977, runde DM 350 000,-".

Nachdem Reemtsma in den 1980er Jahren das institutionelle (Stiftungs-) Fundament seiner wissenschaftlichen und mäzenatischen Projekte geschaffen hatte, präsentierte er 1995 als Verantwortlicher für die Forschungen über die Destruktions- und Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts am Hamburger Institut für Sozialforschung mit der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" einen ersten gewichtigen Teil der Arbeitsergebnisse.

Die durch die Wehrmachtsausstellung ausgelösten Kontroversen führten bei Reemtsma zur weiteren Vertiefung seiner Auseinandersetzung mit der Rolle des Nationalsozialismus im Gefüge von Moderne und Gewalt.

Am 25. März 1996 wurde Reemtsma entführt und bis zu seiner Freilassung am 26. April d.J. im Keller eines Hauses in Garlstedt (Stadt Osterholz-Scharmbeck) gefangen gehalten. In der Folgezeit veröffentlichte er nicht nur seine eigenen Entführungserfahrungen (1997), sondern beeinflusste in wissenschaftlichen Fachbeiträgen auch die rechtsphilosophischen und kriminalpolitischen Diskurse über die Stellung und die Rechte von Verbrechensopfern.

Reemtsma ist verheiratet und hat einen Sohn.

Werk

Intellektueller

Reemtsmas Werk thematisiert aus verschiedenen Anlässen und mehreren disziplinären Perspektiven die Beziehungen zwischen der Moderne, der Aufklärung, der Zivilisation und der Gewalt. Das Befriedungsversprechen des Gewaltmonopols, der Aufklärung und des Prozesses der Zivilisation einerseits, der Zivilisationsbruch durch den Nationalsozialismus andererseits und das Paradox des trotz aller gegenteiligen Erfahrungen fortbestehenden Vertrauens in der und in die Moderne führten ihn zu eigenständigen Interpretationen klassischer Werke der deutschen Literatur wie auch zu theoretischen Ansätzen der Erklärung von Entstehung und (Fehl-) Interpretation der Gewalt in der modernen Gesellschaft. Eine Synthese und vorläufige Summe seines diesbezüglichen Denkens formulierte Reemtsma in Vertrauen und Gewalt (2008) - einer weithin als opus magnum gewerteten Publikation auf der Grundlage der früheren Erfahrungen und Analysen, die er zum Teil in Büchern wie etwa Im Keller (1997), Mord am Strand. Allianzen von Zivilisation und Barbarei (1998), Das Recht des Opfers auf die Bestrafung des Täters - als Problem (1999), Verbrechensopfer. Gesetz und Gerechtigkeit (mit Winfried Hassemer) (2002), Warum Hagen Jung-Ortlieb erschlug ("Unzeitgemäßes über Krieg und Tod"; (2003) oder Folter im Rechtsstaat? (2005), zum Teil aber auch in Aufsätzen, Reden und Interviews über Gewalt im 20. Jahrhundert - von den Verbrechen der Wehrmacht (von 1997 bis 2004) bis zu den Herausforderungen des Terrorismus - veröffentlicht hatte.

Eine besondere Bedeutung erhielt die sog. Wehrmachtsausstellung in diesem Kontext. Die am 3. März 1995 auf dem Kampnagelgelände in Hamburg eröffnete Ausstellung fand außerordentlich viel Beachtung und veränderte im Laufe eines Jahrzehnts (auf die ersten viereinhalb Jahre folgte nach einer Überarbeitung unter dem Titel „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 - 1944“ vom 27. November 2001 bis zum 28. März 2004 eine zweite Runde der Wanderausstellung und der sie begleitenden öffentlichen Kontroversen) den bis dato weitgehend beschönigenden Diskurs über die Rolle der Streitkräfte im Nationalsozialismus. Darüber hinaus rückte sie auch die Angewiesenheit des NS-Regimes auf einen alle herkömmlichen Kriegsregeln außer Acht lassenden Vernichtungskrieg in das Licht der Öffentlichkeit.

Reemtsmas Bedeutung als öffentlicher Intellektueller nahm durch seine Verarbeitung der Entführungs-Erfahrung noch einmal zu. Sein Buch "Im Keller" (1997) stand lange Zeit auf den Bestsellerlisten und wurde (wie übrigens auch sein komplexes Fachbuch über "Vertrauen und Gewalt") in mehrere Sprachen übersetzt. Seine wissenschaftlichen Publikationen zu verschiedenen Aspekten von Gewalt und Viktimisierung gaben Anstöße u.a. auch zur Stärkung der Stellung des Opfers im Strafverfahren. Darüber hinaus erregten auch seine Beiträge zu Fragen der Traumatisierung und des (deutschen und globalen) Terrorismus öffentliche Aufmerksamkeit.

Mäzen

Reemtsma engagiert sich seit dem Tod des Schriftstellers im Jahre 1979 für die Wahrung und Verbreitung des literarischen Erbes von Arno Schmidt. Er gründete die Arno-Schmidt-Stiftung, wurde deren alleiniger Vorstand und ist Mitherausgeber der Bargfelder Ausgabe von Schmidts Gesamtwerk.

Sein Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) verfügt über eine eigene wissenschaftliche Zeitschrift namens Mittelweg 36 und einen Verlag namens Hamburger Edition.

Wesentliche Unterstützung leistet er auch für die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.

Über die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur ermöglichte er unter anderem Werkausgaben von Theodor W. Adorno, Jean Améry, Walter Benjamin und eine historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke Christoph Martin Wielands. Auch war Reemtsma maßgeblich an der Wiederherstellung des (einst Christoph Martin Wieland gehörenden und seitdem völlig vernachlässigten) Gutes Oßmannstedt bei Weimar beteiligt. Dieser symbolische Ort für die deutsche Spätaufklärung (Reemtsma) wurde 2005 als Museum und Forschungsstätte neu eröffnet.

Auszeichnungen

  • 1996 Verleihung der akademischen Bezeichnung "Professor" durch die Universität Hamburg
  • 1997 Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg
  • 1999 Ehrendoktor der Universität Konstanz (Fachbereich Geschichte und Soziologie)
  • 1999 Mercator-Professur in Duisburg (Wintersemester 1999/2000)
  • 2001 Nicolas-Born-Preis des Landes Niedersachsen
  • 2002 Leibniz-Medaille der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
  • 2003 Heinz-Galinski-Preis der Heinz-Galinski-Stiftung
  • 2005 Julius-Campe-Preis der Kritik
  • 2007 Ehrendoktor der Universität Magdeburg
  • 2007 Teddy Kollek Prize der Jerusalem Foundation
  • 2008 Ferdinand-Tönnies-Medaille der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
  • 2008 Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur in Mainz (Sommersemester)
  • 2008 Ehrenbürger der Gemeinde Oßmannstedt wo Christoph Martin Wieland von 1798–1803 lebte)
  • 2009 Schiller-Professur in Jena (Sommersemester 2009)
  • 2010 Preis für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der öffentlichen Wirksamkeit der Soziologie auf dem 35. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Frankfurt am Main
  • 2010 Schillerpreis der Stadt Mannheim
  • 2011 Schader-Preis
  • 2012 Honorarkonsul der Republik Slowenien für Hamburg und Schleswig-Holstein


2001 hielt Reemtsma die Laudatio auf Jürgen Habermas (bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels), 2003 auf Alexander Kluge (bei der Verleihung des Georg-Büchner-Preises).

Das Bundesverdienstkreuz lehnte Reemtsma nach alter hanseatischer Tradition ab.

Veröffentlichungen

Bücher

  • „Wu Hi?“. Arno Schmidt in Görlitz Lauban Greiffenberg. Herausgegeben von Jan Philipp Reemtsma und Bernd Rauschenbach. Edition der Arno Schmidt Stiftung im Haffmans Verlag, Zürich 1986 (Fischer-Taschenbuch: 2002) ISBN 3-251-00029-2.
  • Das Hexameron von Harwich - Ein britisches Fragment. CMZ-Verlag, Rheinbach-Merzbach 1992, ISBN 3-87062-040-4
  • Das Buch vom Ich. Christoph Martin Wielands „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen“. Haffmans, Zürich 1993
  • Mehr als ein Champion. Über den Stil des Boxers Muhammad Ali. Klett-Cotta, Stuttgart 1995
  • Der Vorgang des Ertaubens nach dem Urknall. 10 Reden und Aufsätze. Haffmans, Zürich 1995
  • Im Keller. Hamburger Edition HIS, Hamburg 1997, ISBN 3-930908-29-8
  • Mord am Strand. Allianzen von Zivilisation und Barbarei. Aufsätze und Reden. Hamburger Edition HIS, Hamburg 1998, ISBN 3-930908-34-4
  • Der Liebe Maskentanz. Aufsätze zum Werk Christoph Martin Wielands. Haffmans, Zürich 1999
  • Das Recht des Opfers auf die Bestrafung des Täters - als Problem. C.H. Beck, München 1999.
  • Stimmen aus dem vorigen Jahrhundert. Hörbilder. Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN 3-608-93230-5
  • „Wie hätte ich mich verhalten?“ und andere nicht nur deutsche Fragen. Reden und Aufsätze. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47398-9
  • Verbrechensopfer. Gesetz und Gerechtigkeit (mit Winfried Hassemer). Beck, München 2002, ISBN 3-406-49565-6
  • Die Gewalt spricht nicht. Drei Reden, Reclam (UB 18192), Stuttgart 2002, ISBN 3-15-018192-5
  • Warum Hagen Jung-Ortlieb erschlug. Unzeitgemäßes über Krieg und Tod. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49427-7
  • Das unaufhebbare Nichtbescheidwissen der Mehrheit. Sechs Reden über Literatur und Kunst. Beck, München 2005, ISBN 3-406-53724-3
  • Folter im Rechtsstaat? Hamburger Edition HIS, Hamburg 2005, ISBN 3-936096-55-4
  • Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF (mit Wolfgang Kraushaar und Karin Wieland). Hamburger Edition HIS, Hamburg 2005, ISBN 3-936096-54-6
  • Über Arno Schmidt. Vermessungen eines poetischen Terrains. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-518-41762-1
  • Gebt der Erinnerung Namen. Zwei Reden (mit Saul Friedländer). Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-42108-2
  • Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne. Hamburger Edition HIS, Hamburg 2008, ISBN 978-3-936096-89-7
  • Erneuerung der Kritik. Axel Honneth im Gespräch. Herausgegeben von Mauro Basaure, Jan Philipp Reemtsma und Rasmus Willig. Campus, Frankfurt a.M. (u.a.) 2009, ISBN 978-3-593388-59-5

Reden und Aufsätze

Weblinks