JVA Bützow: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Justizvollzugsanstalt Bützow''' ist die größte der sechs Justizvollzugsanstalten in Mecklenburg-Vorpommern und eine der ältesten in Deutschland. Sie ist in der Kühlungsborner Straße 29 in 18246 Bützow erreichbar und bietet im geschlossenen Vollzug Platz für bis zu 550 Inhaftierte. Etwa 260 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten dort.  
Die '''Justizvollzugsanstalt Bützow''' ist die größte der sechs Justizvollzugsanstalten in Mecklenburg-Vorpommern und eine der ältesten in Deutschland. Sie ist in der Kühlungsborner Straße 29 in 18246 Bützow erreichbar und bietet im geschlossenen Vollzug Platz für bis zu 550 Inhaftierte. Etwa 260 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten dort.  

Version vom 15. März 2012, 23:54 Uhr

Die Justizvollzugsanstalt Bützow ist die größte der sechs Justizvollzugsanstalten in Mecklenburg-Vorpommern und eine der ältesten in Deutschland. Sie ist in der Kühlungsborner Straße 29 in 18246 Bützow erreichbar und bietet im geschlossenen Vollzug Platz für bis zu 550 Inhaftierte. Etwa 260 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten dort.

Anstaltsleitung

Die Anstaltsleitung der JVA übernimmt die Juristin Frau Agnete Mauruschat, die über die rechtmäßige Aufgabenerfüllung wacht. Sie hat eine Vertreterin und einen Vertreter. Gegliedert ist die JVA in die Fachbereiche Medizin, Psychologie, Sicherheit, Allgemeiner Vollzugsdienst, Öffentlichkeitsarbeit und Bildung/Freizeit sowie sechs Vollzugsabteilungen.

Vollstreckungszuständigkeit

Die JVA Bützow ist eine Anstalt des geschlossenen Strafvollzuges für Männer und Frauen. Im Männervollzug umfasst die Zuständigkeit die Vollstreckung aller Freiheitsstrafen der Landgerichtsbezirke Rostock und Schwerin bis zu sechs Jahren, der Frauenvollzug ist für die Vollstreckung aller Freiheitsstrafen der erwachsenen Frauen des Landes zuständig. Für den Gerichtsbezirk Schwerin besteht zudem die Möglichkeit des Vollzugs der Untersuchungshaft. Zudem wird für das Innenministerium in Amtshilfe die Abschiebehaft für Mecklenburg-Vorpommern vollzogen. Der Frauenvollzug verfügt über 35 Haftplätze, für den Männervollzug stehen 498 Haftplätze zur Verfügung.

Geschichte

1812-1932

Die Geschichte der JVA Bützow reicht in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Nachdem im Oktober 1812 das Untersuchungsgefängnis des Kriminalkollegiums errichtet wurde, begann die gerichtliche Freiheitsentziehung in der JVA. Das Bischofsschloss, das zwischen 1812 und 1814 umgebaut wurde, diente mit 20 kleinen halbdunklen Zellen zur Vollstreckung. Für Frauen standen zwei saalgroße Zimmer zur Verfügung. Den männlichen Gefangenen bot man keine Beschäftigung, die Frauen konnten Flachs und Wolle spinnen. Unter Aufsicht an die frische Luft durften die Gefangenen selten. Später wurde ein Spazierhof angelegt, der den Gefangenen eine Freistunde bot. Der Kommerzienrat Mantius zu Schwerin und von Wick zu Bützow, damals Mitarbeiter des Kriminalkollegiums, erhielten Mitte 1830 von Friedrich Franz von Gottes Gnaden, dem Großherzog von Mecklenburg, den Auftrag die Strafanstalten zu reorganisieren. Von Wick beobachtete daraufhin im In- und Ausland Strafanstalten und bevorzugte die Einzelhaft, welche er auch in Bützow-Dreibergen realisierte. In der Zeit von 1835 bis 1839 wurde durch die Gefangenen der Feste Dömitz das älteste und größte Unterkunftshaus erbaut. Der Aufbau der Landesstrafanstalt begann 1838/39. Hier wurden Verurteilte mit Zuchthausstrafen eingesperrt. 1876 entstand das Zentralgefängnis am Schlossplatz, wo nun auch Gefängnisstrafen vollzogen worden. 1902 bis 1906 erfolgte die Verbindung des Gefangenenhauses I mit den restlichen Gebäuden. Dabei wurde auch der Kirchenraum errichtet. Die beiden die JVA heute kennzeichnenden Türme wurden ebenfalls 1906 errichtet. Dienten sie anfangs noch der Versorgung der JVA mit Frischwasser, machte eine Druckwasserleitung die Funktion der beiden Wassertürme hinfällig. Folgende Bautätigkeiten beschränkten sich auf Wirtschafts- und Arbeitsgebäude und den Gebäudeerhalt, nach der Errichtung der Türme war das heutige Aussehen weitestgehend erreicht.

1933-1950

Nach 1933 füllten sich die Gefängnisse mit den politischen Gegnern der Nationalsozialisten, Verfolgten usw. Aus fast allen besetzten Territorien kamen die Gefangenen. 1945 wurde die Hamburger Hinrichtungsstätte durch das Reichsjustizministeriums nach Bützow verlegt. Die meisten Gefangenen starben jedoch aufgrund der katastrophalen Haftbedingungen. Diese änderten sich erst, als am 03. Mai 1945 die Rote Armee in Bützow einmarschiert. Bereits im August 1945 befanden sich jedoch wieder 33 Gefangene in der JVA, im Mai 1947 waren es bereits 600 Insassen. Bis 1946 wurde das Zuchthaus Dreibergen nach dem Krieg durch die sowjetische Besatzungsmacht als Repatriierungslager genutzt. Dort wurden Personen, die gegen die Alliierten gekämpft haben, inhaftiert. Ab dem 16. Januar 1947 unterstanden beide Gefängnishäuser wieder der Landesjustizverwaltung.

seit 1951

Nachdem die Verantwortung am 1. Januar 1951 an die Volkspolizei überging, verschärfte sich das Haftregime. Die Gefängnisse waren überfüllt, nachdem neben den kriminellen Häftlingen nun auch SED-Gegner und Opfer der Enteignungs- und Säuberungswellen in die Bützower Gefängnisse kamen. Die Haftbedingungen änderten sich ab Ende der 1960er Jahre, als sich auch die Gefangenenzusammensetzung änderte. In den `60er Jahren galt Bützow als Strafvollzugseinrichtung der Kategorie II. Das heißt, dass dort vorrangig kriminelle Gefangene untergebracht waren. Politische Gefangene wurden zur Ausnahme. Insbesondere in den 60er und 70er Jahren begehrten die Gefangenen gegen die Vollzugs- und Arbeitsbedingungen, wobei die Proteste schnell durch die Volkspolizei beendet wurden. Das Gefängnis am Schlossplatz wurde 1961 geschlossen und 1990 ging die Verantwortung wieder an die Landesjustizverwaltung. Im Jahr 2002 wurde das neueste Hafthaus erbaut.

Gedenkstätten

Zum Gedenken der Opfer des NS-Strafvollzuges galten lange die Massengräber auf dem Friedhof und die Hinrichtungsstätte in Dreibergen, welche durch die Gefängnisleitung als kommunistische Traditionsstätte gestaltet wurde. 1948 erfolgte die Aufstellung eines einfachen Mahnmals auf dem Friedhof. Für die Opfer des Faschismus entstand 1985 im Krummen Haus am Schlossplatz eine Gedenkstätte. Dabei wurde die Hinrichtungsstätte in den Kellerräumen von Dreibergen nachgestaltet. Nach der Umgestaltung des Krummen Hauses wurde Ende 2002 die Gedenkstätte neu eröffnet. Jährliche Treffen von ehemaligen politischen Häftlingen der DDR finden dort seit 2003 statt.

Geiseldrama und Flucht

Im Sommer 1963 flohen zwei Gefangene aus der Haftanstalt und gelangen anschließend sogar in die Bundesrepublik. Am 4. Oktober 1995 kam es in der JVA zu einer Geiselnahme, bei der fünf der Justizbeamten, unter ihnen eine Frau, durch fünf Gefangene schwer verletzt worden. Diese wollten durch die Misshandlung ihre Freilassung sowie ein Fluchtauto erpressen. Dafür fügten sie den Wärtern mit Messern und einem Beil Schnittwunden und weitere Verletzungen zu. Nach fünf Stunden wurde der Vorfall durch ein Sondereinsatzkommando beendet. Bereits im Juli und August 1995 brachen aus der JVA innerhalb weniger Tage 15 Gefangene aus. Zur Flucht diente ihnen neben einem Loch im Stacheldraht auf der Gefängnismauer eine im Hof vergessene Malerleiter.

Personal

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

In der JVA Bützow arbeiten 259 MitarbeiterInnen in unterschiedlichsten Bereichen: Psychologen, Ärzte, Juristen, Pädagogen und MitarbeiterInnen des Verwaltungs- und Vollzugsdiensts, der die größte Berufsgruppe darstellt und für die Versorgung und direkte Betreuung der Gefangenen zuständig ist.

Arbeitsbetriebe in der JVA

Für alle Strafgefangenen besteht Arbeitspflicht, jedoch kann nicht allen Inhaftierten ein Arbeitsplatz angeboten werden, daher werden stets neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen. In der JVA Bützow sind etwa 50% der Gefangenen in Arbeit. Dabei orientiert man sich an den Fähigkeiten der Insassen. Soziale und berufliche Kompetenzen sollen durch das Arbeitsangebot erhöht werden. Zudem soll die Arbeit die Förderung der Integration in Arbeit nach der Haft verbessern. Die Schlosserei der JVA bietet acht Arbeitsplätze und genau wie die Tischlerei, die 15 Arbeitsplätze bietet, die Produkte auch für Institutionen und Personen außerhalb des Gefängnisses an. Weitere Arbeitsplätze befinden sich in der Anstaltsküche und –bäckerei, Näherei, Wäscherei, Kammer, Baubetrieb, Gärtnerei, in der Bücherei und der Haftkrankenhausabteilung.

Aus- und Weiterbildung der Gefangenen

Die JVA Bützow ist zentrale Ausbildungsanstalt für erwachsene Gefangene in Mecklenburg-Vorpommern. Derzeit werden etwa 150 Plätze für die schulische und berufliche Bildung vorgehalten. Gegenwärtig bietet die JVA den Gefangenen den Erwerb des Hauptschulabschlusses sowie der Mittleren Reife an. Zudem gibt es einen Grundbildungskurs, welcher Kenntnisse vermittelt und auffrischt sowie Deutsch- und Alphabetisierungskurse. Ihren Facharbeiterabschluss können die Gefangenen in den Berufen Koch, Bäcker, Tischler, Frisör, Gebäudereiniger und Trockenbauer erlangen. Zudem bietet die JVA in den Bereichen Metallverarbeitung, Gebäudereinigung, Frisörhandwerk, gewerbliches Handwerk und Trockenbau berufliche Grundbildungskurse sowie EDV-Lehrgänge und den Erwerb des Schweißerpasses an. Geplant ist der Ausbau eines Schul- und Ausbildungszentrums. Die Maßnahmen werden durch externe Bildungsträger durchgeführt. Die Organisation erfolgt unter der Leitung von Oberlehrer Jolitz durch den Fachbereich Bildung/Freizeit.

Freizeitangebote

In der JVA haben die Inhaftierten die Möglichkeit, sich an der 1996 gegründeten Gefangenenzeitung Fidelio zu beteiligen. Zwar können auch die MitarbeiterInnen der JVA Artikel veröffentlichen, grundsätzlich dient sie jedoch den Gefangenen. Redaktionsleiter ist der Fachbereichsleiter Bildung/Freizeit, die Anstaltsleiterin ist Herausgeberin. Den Gefangenen steht zudem eine Bücherei zur Verfügung, welche durch zwei Inhaftierte verwaltet wird. Des Weiteren bietet die JVA zusätzliche Freizeitgruppen, wie z.B. Dartspielen, die Aquariumgruppe, den Schachclub und den Zeichenzirkel an. Kulturelle Veranstaltungen mit der haftinternen Musikgruppe finden ebenso statt wie die Auseinandersetzung mit biografischen und politischen Themen. Auch der Sport kommt nicht zu kurz. In der JVA arbeitet ein Sportbeamter, der verschiedene Sportgruppen (Fußball, Volleyball, Tischtennis, Badminton) leitet und Sportwettbewerbe auch mit anderen Haftanstalten organisiert. Die JVA hat Krafträume, diverse Sportflächen und einen zur Sporthalle umfunktionierten Kinosaal.

Besonderheiten

Die JVA ist in Mecklenburg-Vorpommern die einzige mit einer stationären Krankenhausabteilung, der sogenannten Haftkrankenabteilung. In dieser gibt es eine Ambulanz für 36 Patienten. Dort arbeiten zwei hauptamtlich tätige Ärzte, 14 Pflegekräfte und eine Sachbearbeiterin.

2004 wurde die JVA Drehort für den Film Underdogs. Strafgefangene hatten die Möglichkeit in diesem als Komparsen mitzuwirken. Die Filmpremiere fand in der JVA selbst statt.

Des Weiteren grasen etwa 26 Schafe auf dem Außengelände der JVA. Die Wolle der Tiere wird von den Gefangenen selbst geschoren und für die Freizeitangebote von diesen vorbereitet.

Bekannte Gefangene

Der deutsche FDP Politiker William Borm war aufgrund Kriegshetze zwischen 1952 und 1959 zeitweise in der JVA Bützow inhaftiert. Zudem verbüßte der ehemalige Rostocker Stadtrat für Energieversorgung, Martin Müller, der sich u.a. gegen die Zentralisierung der Energieversorgung der Hansestadt ausgesprochen hat und wegen angeblicher Untreue zu drei Jahren verurteilt wurde, seine Haftzeit in Bützow.

Weblinks

Onlinezugriff Stand 2012-03-05

Literatur

  • Handschuck, Martin (2006): Die Strafgefangenen erziehen wir nicht zum sozialistischen Bewusstsein sondern zur Arbeit und zur Disziplin" Strafvollzug in Bützow in den Jahren 1945 bis 1989. In: Politische Memoriale e.V. Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Strafvollzuges und der politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern. Rostock: Koch, S. 123-134.
  • Jeske, Natalja(2006): Das sowjetische Repatriierungslager in Bützow (1945-1947). In: Politische Memoriale e.V. Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Strafvollzuges und der politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern. Rostock: Koch, S. 89-99.
  • Wunschik, Tobias (2006): Die Haftanstalt Bützow-Dreibergen und die Staatssicherheit in den fünfziger und sechziger Jahren. In: Politische Memoriale e.V. Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Strafvollzuges und der politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern. Rostock: Koch, S. 135-147.
  • Wagner, Andreas (Hrsg.): Politische Strafjustiz 1945-1989: der Gefängnisstandort Bützow als Gedenk- und Lernort. Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern 2008.