Internationale Kriminalistische Vereinigung (IKV): Unterschied zwischen den Versionen

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Die von 1889;1933 existierende '''Internationale Kriminalistische Vereinigung (IKV)''' engagierte sich für die Reform des Strafrechts und des Kriminaljustizwesens. Artikel 1 der geänderten Satzung von 1897 forderte die wissenschaftliche Erforschung des Verbrechens, seiner Ursachen und der Mittel seiner Bekämpfung und erklärte, "dass sowohl das Verbrechen als auch die Mittel zu seiner Bekämpfung nicht nur vom juristischen, sondern ebenso auch vom anthropologischen und soziologischen Standpunkt aus betrachtet werden müssen".
Die am 17. September 1888 von [[Franz von Liszt]], Adolphe Prins (Bruessel) und Gerardus Antonius van Hamel (Amsterdam) in Brüssel gegründete und war auch unter den Bezeichnungen International Union of Penal Law (I.U.P.L.) und Union Internationale de Droit Pénal (U.I.D.P.) bekannte '''Internationale Kriminalistische Vereinigung (IKV)''' nahm am 1.1.1889 ihre Arbeit auf und engagierte sich für die Reform des Strafrechts und des Kriminaljustizwesens.


Mitglieder der IKV waren überwiegend − aber keineswegs ausschließlich − Juristen. Sie wurde 1888/89 in Wien von den Professoren Adolphe Prins (Brüssel), Franz von Liszt (Halle) und v. Hamel (Amsterdam) gegründet und war auch unter den Bezeichnungen International Union of Penal Law, bzw. Union Internationale de Droit Pénal (I.U.P.L./U.I.D.P) bekannt.
Die Mitglieder der IKV waren vornehmlich Juristen. Artikel 1 der geänderten Satzung von 1897 forderte die wissenschaftliche Erforschung des Verbrechens, seiner Ursachen und der Mittel seiner Bekämpfung und erklärte, "dass sowohl das Verbrechen als auch die Mittel zu seiner Bekämpfung nicht nur vom juristischen, sondern ebenso auch vom anthropologischen und soziologischen Standpunkt aus betrachtet werden müssen".
Von 1889 bis 1914 rang die IKV mit viel Engagement um ihre Reformziele. Der Erste Weltkrieg erschütterte den transnationalen Zusammenhalt.


Die deutsche Landesgruppe der IKV arbeitete weiter für die Reform des deutschen Strafrechts, scheiterte dann aber am Aufstieg des Nationalsozialismus.
Von 1889 bis 1914 rang die IKV mit viel Engagement um ihre Reformziele. Der Erste Weltkrieg erschütterte den transnationalen Zusammenhalt. Die deutsche Landesgruppe der IKV arbeitete weiter für die Reform des deutschen Strafrechts, scheiterte dann aber am Aufstieg des Nationalsozialismus. Am 14. März 1924 wurden in Paris die englisch- und französischsprachigen Nachfolgeorganisationen (International Association of Penal Law, bzw. Association Internationale de Droit Pénal; I.A.P.L./A.I.D.P.) gegründet.


Nachdem der transnationale Charakter der IKV unter dem Ersten Weltkrieg gelitten hatte, wurden am 14. März 1924 in Paris die englisch- und französischsprachigen Nachfolgeorganisationen (International Association of Penal Law, bzw. Association Internationale de Droit Pénal; I.A.P.L./A.I.D.P.) gegründet.
Das Ende der IKV wird mal auf 1932 (das Jahr des letzten Kongresses der deutschen Sektion), mal auf 1937 (förmliche Auflösung) datiert.
 
Die Bewertungen der Rolle der IKV sind geteilt. Während manche (z.B. Hans-Heinrich Jescheck) in der IKV eine Vorreiterin der kriminalpolitischen Liberalisierung im späten 20. Jahrhundert sehen, betonen andere (z.B. [Leon Radzinowicz) die direkten und indirekten Verbindungslinien, die von der IKV zu den autoritären Strafrechts- und Unterdrückungssystemen des frühen 20. Jahrhunderts führen (faschistisches Italien, Drittes Reich, Stalinismus).


Das Ende der IKV wird mal auf 1932 (das Jahr des letzten Kongresses der deutschen Sektion), mal auf 1937 (förmliche Auflösung) datiert.


==Programm==
==Programm==
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=== Gründung ===
=== Gründung ===
Die Internationale Kriminalistische Vereinigung wurde am 17. September 1888 von [[Franz von Liszt]], Adolphe Prins und Gerardus Antonius van Hamel in Brüssel gegründet und war auch unter den Bezeichnungen International Union of Penal Law (I.U.P.L.) und Union Internationale de Droit Pénal (U.I.D.P.) bekannt. Am 1. Januar 1889 nahm die Vereinigung offiziell ihre Arbeit auf.
Anstoß für die Gründung war der v.a. briefliche, aber auch persönliche Kontakt zwischen v. Liszt, Prins und van Hamel. Dieser Kontakt zeugte von einer weitgehenden Übereinstimmung ihrer Ansichten und so sollten mit vereinten Kräften die gemeinsamen Anschauungen nach außen vertreten werden. Die IKV wurde als erste internationale Organisation auf dem Feld der Strafrechtspflege gegründet und war für alle Personen gedacht, welche die Aufgabe in einer zielbewussten Bekämpfung des Verbrechertums sahen und die bestehenden Einrichtungen diesbezüglich für verbesserungsbedürftig und –fähig hielten. - Wissenschaftler in aller Welt verfolgten damals frei von nationalen Zwängen die Entwicklungen im In- und Ausland mit regem Interesse. Dies, und die Entstehung neuer Organisationsformen mit zunehmend internationaler Ausrichtung erzeugten eine „internationale Stimmung“. Ein optimales Forum zum Meinungs- und Interessenaustausch als auch zur Interessenvertretung war dabei die Internationale Kriminalistische Vereinigung.


Die IKV wurde als erste internationale Organisation auf dem Feld der Strafrechtspflege gegründet und war für alle Personen gedacht, welche die Aufgabe in einer zielbewussten Bekämpfung des Verbrechertums sahen und die bestehenden Einrichtungen diesbezüglich für verbesserungsbedürftig und –fähig hielten.


=== Entwicklung ===
=== Entwicklung ===
   
   
Organ der Vereinigung waren die „Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung“ (MittIKV). In den Mitteilungen wurden insbesondere die Tagungsprotokolle der europaweiten Kongresse, sowie Aufsätze zu kriminologischen und kriminalpolitischen Themen veröffentlicht. Teilweise wurden die Ausgaben durch Beiträge aus anderen deutschen, italienischen oder französischen Fachzeitschriften ergänzt. Die Mitteilungen wurden zunächst der „Zeitschrift für die gesamte Strafwissenschaft“ beigelegt (1889 – 1904). Ab 1904 wurden die Mitteilungen als eigenständige Literatur herausgegeben.
In den „Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung“ (MittIKV) wurden insbesondere die Tagungsprotokolle der europaweiten Kongresse, sowie Aufsätze zu kriminologischen und kriminalpolitischen Themen veröffentlicht. Teilweise wurden die Ausgaben durch Beiträge aus anderen deutschen, italienischen oder französischen Fachzeitschriften ergänzt. Die Mitteilungen wurden zunächst der „Zeitschrift für die gesamte Strafwissenschaft“ beigelegt (1889 – 1904). Ab 1904 wurden die Mitteilungen dann eigenständig herausgegeben.


Das Jubiläumsjahr 1914, in dem das 25jährige Bestehen der Vereinigung gefeiert wurde, sollte zeitgleich das Ende der IKV einläuten. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges war an eine wissenschaftliche Zusammenarbeit der verfeindeten Staaten nicht mehr zu denken. Von nun an gab es nur noch die während der Existenz der gesamten IKV gegründeten Landesgruppen. Die deutsche Landesgruppe existierte beispielsweise bis ins Jahr 1937 und arbeitete bis dahin vor allem an der deutschen Strafrechtsreform.
Das Jubiläumsjahr 1914, in dem das 25jährige Bestehen der Vereinigung gefeiert wurde, sollte zeitgleich das Ende der IKV einläuten. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges war an eine wissenschaftliche Zusammenarbeit der verfeindeten Staaten nicht mehr zu denken. Von nun an gab es nur noch die während der Existenz der gesamten IKV gegründeten Landesgruppen. Die deutsche Landesgruppe existierte beispielsweise bis ins Jahr 1937 und arbeitete bis dahin vor allem an der deutschen Strafrechtsreform.
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=== Mitglieder ===
=== Mitglieder ===
Die IKV begann ihre Arbeit im Jahr der Gründung mit 75 Mitgliedern. Seitdem konnte sie einen stetigen Anstieg verzeichnen. Im letzten schriftlichen Verzeichnis aus dem Jahre 1904 zählte die Vereinigung 1.122 Mitglieder.  
Die IKV begann ihre Arbeit im Jahr der Gründung mit 75 Mitgliedern. Seitdem konnte sie einen stetigen Anstieg verzeichnen. Im Verzeichnis aus dem Jahre 1904 zählte die Vereinigung 1.122 Mitglieder.  


Die Herkunft der Mitglieder erstreckte sich über Deutschland, Russland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Frankreich, Portugal, Spanien, Österreich, Ungarn, Kroatien, Niederlande, Belgien, Schweiz, Italien, Großbritannien, Vereinigte Staaten, Balkanstaaten, Finnland, Ägypten, Brasilien, Argentinien, Venezuela, Australien und Japan. Die Reihenfolge der Aufzählung entspricht in etwa der Reihenfolge der Anzahl der Mitglieder des jeweiligen Landes.  
Die Herkunft der Mitglieder erstreckte sich über Deutschland, Russland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Frankreich, Portugal, Spanien, Österreich, Ungarn, Kroatien, Niederlande, Belgien, Schweiz, Italien, Großbritannien, Vereinigte Staaten, Balkanstaaten, Finnland, Ägypten, Brasilien, Argentinien, Venezuela, Australien und Japan. Die Reihenfolge der Aufzählung entspricht in etwa der Reihenfolge der Anzahl der Mitglieder des jeweiligen Landes.  
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Im Gegensatz dazu schien jedoch in praktischen Fragen der Gesetzgebung eine bemerkenswerte Übereinstimmung der Mitglieder bestanden zu haben und so wurde trotz aller Verschiedenheit in den Grundfragen in der Vereinigung wirkungsvoll zusammengearbeitet.
Im Gegensatz dazu schien jedoch in praktischen Fragen der Gesetzgebung eine bemerkenswerte Übereinstimmung der Mitglieder bestanden zu haben und so wurde trotz aller Verschiedenheit in den Grundfragen in der Vereinigung wirkungsvoll zusammengearbeitet.




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Im Arbeitsbereich der Erforschung der zur Bekämpfung des Verbrechens geeigneten Mittel beschäftigte sich die Vereinigung zudem mit der Notwendigkeit beziehungsweise der Umgestaltung kurzzeitiger Freiheitsstrafen im Sinne einer Verschärfung sowie ihre Ersetzung durch andere Strafen, wie z.B. Geldstrafen oder Zwangsarbeit ohne Einsperrung. Weitere Themen waren die Reform der Geldstrafe, das unbestimmte Strafurteil, Strafprozessuale Aufgaben, Mädchenhandel und Jugendkriminalität.  
Im Arbeitsbereich der Erforschung der zur Bekämpfung des Verbrechens geeigneten Mittel beschäftigte sich die Vereinigung zudem mit der Notwendigkeit beziehungsweise der Umgestaltung kurzzeitiger Freiheitsstrafen im Sinne einer Verschärfung sowie ihre Ersetzung durch andere Strafen, wie z.B. Geldstrafen oder Zwangsarbeit ohne Einsperrung. Weitere Themen waren die Reform der Geldstrafe, das unbestimmte Strafurteil, Strafprozessuale Aufgaben, Mädchenhandel und Jugendkriminalität.  


In vielen der genannten Gebiete hatte die IKV messbare Erfolge. Sie erarbeitete zahlreiche Entwürfe und Gegenvorschläge für die Reform der Gesetzgebung, veröffentlichte Fachliteratur, trug zu einer nationalen und internationalen Verständigung bei und nahm Einfluss auf die Kriminalpolitik.
In vielen der genannten Gebiete hatte die IKV messbare Erfolge. Sie erarbeitete zahlreiche Entwürfe und Gegenvorschläge für die Reform der Gesetzgebung, veröffentlichte Fachliteratur, trug zu einer nationalen und internationalen Verständigung bei und nahm Einfluss auf die Kriminalpolitik.
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