Hochstapler

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Hochstapler sind Personen, die mehr scheinen wollen als sie sind, indem sie eine höhere als die von ihnen tatsächlich bekleidete gesellschaftliche Position vortäuschen. Sie täuschen eine Abstammung aus dem Adel, einen prestigeträchtigen Beruf (z.B. Arzt), ein großes Vermögen oder sonst etwas vor, von dem sie sich ein besonderes Ansehen versprechen.

"Stapeln" entstammt dem Rotwelsch und bedeutet betteln, tippeln. "Hoch" besagt, dass die Person sich als vornehm ausgibt. Somit ist ein Hochstapler ein sich als vornehm gebender Bettler. Das Gegenteil vom Hochstapler ist der Tiefstapler. Tiefstapeln ist kein Delikt, wird allerdings gelegentlich informell sanktioniert ("falsche Bescheidenheit").

Hochstapler avant la lettre gab es schon in der Feudalgesellschaft. So gab sich ein Tile Kolup 1284 als (der längst verstorbene) Kaiser Friedrich II. aus. Am 7. Juli 1285 wurde er in Wetzlar verbrannt. Im 16. Jahrhundert verschwand der Bauer Martin Guerre. An seiner Stelle gab sich nach etlichen Jahren ein Hochstapler als der Vermisste aus und vermochte sowohl die Ehefrau als auch das ganze Umfeld zu täuschen. Nachdem der wahre Martin Guerre zurückkehrte, wurde der Betrüger hingerichtet. Die Fakten des Falles waren Thema zahlreicher Bücher und Fernsehfilme. Häufiger war der Hochstapler in der bürgerlichen Gesellschaft. Der spätere Schriftsteller Karl May gab sich zwischen 1864 und 1870 als Augenarzt Dr. Heilig aus, als Seminarlehrer, als Mitglied der Geheimpolizei und als Neffe eines Plantagenbesitzers aus Martinique.

Hochstapelei beeinflusst den Willen der Opfer. Wer sich die Autorität eines Arztes anmaßt, kann Personen zu Handlungen bewegen, die sonst außerhalb seines Einflussbereichs lägen. Wer sich eine Amtsautorität anmasst, kann den Mechanismus von Befehl und Gehorsam für sich nutzen. Typischer Fall: der Hauptmann von Köpenick. 1906 gab sich der arbeitslose Schuster Wilhelm Voigt in Köpenick bei Berlin als Hauptmann aus. Er forderte vom Bürgermeister die Herausgabe der Stadtkasse und ließ ihn verhaften. Der Fall diente Carl Zuckmayer als Vorlage für seine Komödie Der Hauptmann von Köpenick. Ein deutsches Märchen. Später wurde der Stoff auch wiederholt verfilmt.

In den 1920er Jahren gab sich Otto Witte (* 16. Oktober 1872 (oder 1871) Dortmund, oder Diesdorf bei Magdeburg, † 13. August 1958 Hamburg) als ehemaliger König von Albanien aus. Zwar war er tatsächlich 1912 auf dem Balkan von Räubern gefangengenommen worden, nach Afrika geflohen und 1912 in die Türkei gelangt, wo er vom Geheimdienst angeworben wurde und die Aufmarschpläne für den gerade begonnenen ersten Balkankrieg entwendete, doch war das für seinen Geschmack wohl noch zu wenig. Jedenfalls erzählte er in einer Schaubude auf Jahrmärkten, dass er sich 1913 nach Albanien begeben habe. Dort habe er seine Ähnlichkeit mit einem angeblichen Neffen des Sultans festgestellt, der von albanischen Muslimen eingeladen worden sei, König des neu gebildeten Staates zu werden. Er sei daraufhin mit einem Freund, dem Schwertschlucker Max Schlepsig, nach Durrës in Albanien gereist und habe sich den osmanischen Truppen als Prinz Halim ed-Din präsentiert. Am 15. Februar 1913 sei er dann zum König ausgerufen worden. Er habe eine Regierung eingesetzt, Kommandeure ernannt, sich an einem Harem erfreut und einen Krieg gegen Serbien oder Montenegro geplant, bis seine Täuschung entdeckt worden sei. Er und Schlepsig hätten sich (unter Mitnahme eines beträchtlichen Anteils der königlichen Schätze) am 19. Februar 1913 abgesetzt und Albanien verlassen. Er bestand bis zu seinem Tode darauf, als „ehemaliger König von Albanien“ angesprochen zu werden. Die Berliner Polizei gestand ihm diesen Titel auch im Sinne eines Künstlernamens in seinem Pass zu, und er findet sich noch auf seinem Grabstein in Hamburg-Ohlsdorf (Parzelle Q 9, 430–433).

Im April 1945 gab sich der 19jährige Gefreite Willi Herold im Emsland als Hauptmann aus. Er ließ im Lager Aschendorfermoor über einhundert Häftlinge erschießen. Nach einem Kriegsverbrecherprozess gegen Herold und sechss weitere Angeklagte wurde Herold im November 1946 hingerichtet.

Aktuelle Erscheinungsformen

Immer wieder machen heutzutage Hochstapler von sich reden, die ihre Umwelt über einen längeren Zeitraum zu täuschen vermögen, etwa wenn sie, ohne aufzufallen, als Ärzte oder andere Experten tätig sind. Mundus vult decipi (Die Welt will betrogen werden) - unter diesem Motto schaffen es Betrüger immer wieder, die Leichtgläubigkeit und das Vertrauen ihrer Mitmenschen auszunutzen. Trotzdem genießen sie gewisse Sympathien, wenn sie als moderne Eulenspiegel auftreten, die Missstände aufdecken oder die Geldgier ihrer Opfer entlarven.

Der Hochstapler Gert Postel konnte als gelernter Postbote einen Oberarztposten in der Psychiatrie bekleiden und nimmt für sich in Anspruch, die Rechtspolitik mit seinem Fall beeinflusst zu haben. Postel sagte in einem Interview: „Ich habe mich in der Psychiatrie als Hochstapler unter Hochstaplern gefühlt“.

Eine angebliche Tochter des früheren russischen Präsidenten Michail Gorbatschow hat sich in Monaco Zugang zum Fürstenhof erschlichen. Die gebürtige Griechin Kathryn Kechagia Aikterini - die kein Russisch spricht - habe in Monaco eine Filiale der von Gorbatschow gegründeten Organisation Green Cross International aufbauen wollen, berichtete die französische Zeitschrift "Le Point". Prinz Albert von Monaco hatte sich daraufhin im April 2008 bereiterklärt, den Ehrenvorsitz der Organisation zu übernehmen, hat davon inzwischen aber wieder Abstand genommen.

Die Geldgier seiner Mitmenschen entlarvte der Hauptschullehrer Winfried Bornemann, der als „Carola von Gästern“ Prominente anschrieb, sich ihnen als vermögende ältere Dame vorstellte und den Angeschriebenen mitteilte, „sie“ wolle sie zu Alleinerben einsetzen. Die Reaktionen der Prominenten sind in dem Buch „Bornemanns lachende Erben?“ nachzulesen. Dieser Fall belegt auch, dass nicht jede Form der Hochstapelei strafbar ist (Bornemann hat gegen kein Gesetz verstoßen, da der einzige „Schaden“, den die Prominenten erlitten, darin besteht, dass ihre Gier der Öffentlichkeit bekannt wurde).

In jüngster Zeit spielt auch das Phänomen gefälschter Erinnerungen eine Rolle, in denen sich die AutorInnen als Holocaust-Überlebende darstellen. Hier werden gewissermaßen Tief- und Hochstapelei vermengt.

Strafbarkeit

Strafrechtlich geahndet werden kann die Hochstapelei

  • als Betrug (strafbar in Deutschland nach § 263 Strafgesetzbuch),
  • als Urkundenfälschung (strafbar in Deutschland nach § 267 Strafgesetzbuch),
  • als Amtsanmaßung (strafbar in Deutschland nach § 132 Strafgesetzbuch) oder
  • als unrechtmäßige Führung eines akademischen Grades (strafbar in Deutschland nach § 132a Strafgesetzbuch).

Die Voraussetzungen für einen Betrug liegen vor, wenn der Hochstapler sein Opfer durch Vortäuschung falscher Tatsachen (hier: über seine Identität) schädigt. Eine Urkundenfälschung besteht im Wesentlichen darin, dass jemand mit einem falschen Namen unterschreibt. Im Fall einer Amtsanmaßung führt der Hochstapler Handlungen aus, zu deren Ausführung nur Amtspersonen berechtigt sind. „Unrechtmäßige Führung akademischer Grade“ wird einem Hochstapler vor allem dann vorgeworfen, wenn er sich zu Unrecht „Professor“ oder „Doktor“ nennt.

Eine Ordnungswidrigkeit begeht der Hochstapler, wenn er sich unbefugt mit einem staatlich geschützten Berufstitel bezeichnet.

Sieht man Hochstapler nicht als bloße Kriminelle (die sie nicht in jedem Fall sein müssen, z.B. dann nicht, wenn sie die o.g. „Fallen“ meiden), so verweist ihre Maskerade auf die Problematik der Identität und gesellschaftlicher Rollen.

Erklärungsansätze

Hochstapelei als Motiv in Literatur und Film

Bücher

  • Carl Zuckmayer veröffentlichte 1931 die Komödie Der Hauptmann von Köpenick. Vorbild für die Titelfigur war ein realer Hochstapler (Wilhelm Voigt, siehe auch: Köpenickiade). Das Stück wurde später mehrmals verfilmt, unter anderem mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle.
  • Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (1954). In diesem Roman, in dem der Autor den Künstler in die Nähe des Hochstaplers rückt, rechtfertigt der Hochstapler seine kriminelle Laufbahn mit dem Gedanken, dass er mit seinen Selbstinszenierungen der Umwelt einen Liebesdienst erweise, verkörpere er doch geheime Identitätswünsche seines Publikums. Wikipedia: "Zitierenswert ist die Vorbereitung Felix Krulls auf die Täuschung der Militärersatzkommission: „[…], daß ich mit großer Genauigkeit, ja streng wissenschaftlich zu Werke ging und mich wohl hütete, die sich bietenden Schwierigkeiten für gering zu achten. Denn Dreinstolpern war nie meine Art, eine ernste Sache in Angriff zu nehmen; vielmehr habe ich stets dafür gehalten, dass ich gerade mit dem äußerstem, der gemeinen Menge unglaubhaftesten Wagemut kühlste Besonnenheit und zarteste Vorsicht zu verbinden habe, damit das Ende nicht Niederlage, Schande und Gelächter sei, und bin gut damit gefahren.“ Mit gleicher Sorgfalt ist auch Thomas Mann an seine künstlerischen Produktionen herangegangen.

Seinen Narzissmus fasst Felix Krull in die Worte: „Ja, der Glaube an mein Glück und daß ich ein Vorzugskind des Himmels sei, ist in meinem Innersten stets lebendig geblieben, und ich kann sagen, dass er im ganzen nicht Lügen gestraft worden ist“. Thomas Mann hat sich ebenso gesehen. Aus dem amerikanischen Exil, sein trotz des Zwangs zum Weggang aus Deutschland geglücktes Leben rechtfertigend, schreibt er einem Freund im Nachkriegsdeutschland: „Ich bin eben gnädig geführt worden von einem Schicksal, das es zwar streng, darunter aber immer grund-freundlich mit mir meinte.“ Der Adressat, Hans Reisiger, ist in Doktor Faustus als Rüdiger Schildknapp porträtiert.

Felix Krull erkämpft sich gewaltfrei seinen Weg durch die Schichten der Gesellschaft. Seine Waffe ist die Sprache".


  • Buch und Film (2000) "Der talentierte Mr. Ripley".

Filme

  • Steven Spielberg präsentiert in dem Film Catch Me If You Can (2002) die Geschichte des Hochstaplers Frank William Abagnale Jr..
  • U.S.-Fernsehserie Pretender (1996-2000).
  • Die Hochstapler. Deutschland 2007. Buch & Regie: Alexander Adolph. "Hinter den vier Betrügern erahnt man ungeliebte Kinder, fehlende Anerkennung kompensieren sie als Erwachsene durch Geld und Statussymbole." (http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/619427/; 16.12.08).

Quellen

Siehe auch

  • Amtsanmaßung, Betrug, Köpenickiade, Manipulation, Pseudologie

Links