Henning von Tresckow

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Der aus einer alten preußischen Adelsfamilie stammende Henning Hermann Robert Karl von Tresckow (* 10. Januar 1901 in Magdeburg; † 21. Juli 1944 in Ostrow bei Białystok, Polen) war als Generalmajor der deutschen Wehrmacht im militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus tätig. Mit 17 Jahren war Tresckow schon Leutnant (Juni 1918) und Träger des Eisernen Kreuzes (Juli 1918). Zwischen dem Abschied von der Reichswehr (1920) und seinem Wiedereintritt (1926) nahm er ein Studium auf, trat in ein Bankhaus ein, wurde Geschäftsführer einer kleinen Fabrik und heiratete (Januar 1926) Erika von Falkenhayn, Tochter Erich von Falkenhayns, mit der er 4 Kinder hatte.

Tresckows Überzeugungen von der Notwendigkeit einer friedlichen und das Völkerrecht respektierenden Außenpolitik brachte ihn, der zunächst (wegen der Schmach des Versailler Vertrags) Sympathien für den Aufstieg der NS-Bewegung hatte, in Gegensatz zum NS-Regime.

Nach der glänzende absolvierten Kriegsakademie (1934-36) trat er im September 1936 eine Stelle in der 1. Abteilung des Generalstabs im Reichswehrministerium an. Im Gefolge der Blomberg-Fritsch-Krise im Februar 1938 lernte er oppositionell eingestellte militärische wie zivile Kreise im Umfeld des späteren Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben kennen. Ab 1939 diente Tresckow als 1. Generalstabsoffizier der 118. Infanteriedivision und verdiente sich in dieser Tätigkeit das Eiserne Kreuz Erster Klasse.

Ab 1940 war Tresckow 1. Generalstabsoffizier (Ia) des Stabes der Heeresgruppe B. Er erfuhr von Judenerschießungen durch die Einsatzgruppen der SS und vom „Kommissarbefehl“. Im Gegensatz zu Gerlachs These von der Komplizenschaft Tresckows mit den Verbrechen der SS existieren "mehrere Indizien für seinen kontinuierlich aufrechterhaltenen Widerspruch und Widerstand gegen die Missachtung des Kriegsvölkerrechts; vor der Eröffnung des Ostfeldzugs, bei Eröffnung des Feldzugs und in den Monaten danach. Ihre Beweiskraft ist stark, weil zeitgenössische Aufzeichnungen Dritter und frühe Memoiren aus dem Kreis überlebender Offiziere einander beglaubigen. Sie stimmen darin überein, dass Tresckow von Anfang an über die geplanten und ausgeführten Staatsverbrechen im Ostkrieg aus Gewissen und Ehrgefühl empört war und sie zu verhindern suchte, sowie dies in der Macht eines bloßen Generalstäblers lag" (Gillessen 2008).

Tresckow versuchte mehrmals vergeblich, seinen Onkel, Generalfeldmarschall Fedor von Bock, davon zu überzeugen, offiziellen Protest gegen den Befehl einzulegen.

Im September 1941, nachdem Tresckow zunehmend auch Berichte über die Zustände in den Konzentrationslagern bekommen hatte, nahm er Kontakt zur Berliner Widerstandsgruppe um Ludwig August Theodor Beck, Carl Friedrich Goerdeler und Hans Oster auf. Am 1. April 1942 wurde Tresckow zum Oberst im Generalstab in der Heeresgruppe Mitte ernannt und erhielt am 2. Januar 1943 das Deutsche Kreuz in Gold. In dieser Stellung entwarf er verschiedene Attentatspläne mit der Pistole oder mit Sprengstoff. Zusammen mit Fabian von Schlabrendorff schmuggelte Tresckow am 13. März 1943 ein als Cognacflaschen getarntes Sprengstoffpaket in Hitlers Flugzeug, doch die eingeweihten Mitverschwörer in Berlin warteten vergeblich auf die Meldung vom Absturz Hitlers. Das Päckchen mit dem Sprengstoff wurde im Frachtraum des Flugzeuges transportiert, wo es vereiste und der Zündmechanismus versagte.

Wenige Tage später ergab sich eine zweite Gelegenheit. Tresckow war es nach einer langen Unterredung mit Rudolph-Christoph Freiherr von Gersdorff gelungen, ihn zu einem Selbstmordattentat zu bewegen. Gersdorff sagte zu, sich bei der Eröffnung einer Ausstellung russischer Beutewaffen am 21. März 1943 in Berlin mit Hitler in die Luft zu sprengen. Er versteckte einen Sprengstoffgürtel unter seinem Mantel, der nach etwa 10 Minuten detonieren sollte. Doch Hitler zeigte an der Ausstellung überraschend wenig Interesse und verließ diese bereits nach zwei Minuten. Gersdorff gelang es im letzten Moment, den Säurezünder auf der Toilette unbemerkt zu entschärfen.

Im August und September 1943 gelang es Tresckow zusammen mit Claus Graf Schenk von Stauffenberg, die Befehle der „Operation Walküre“ (ursprünglich ein militärischer Einsatzplan für das „Ersatzheer“ in der Heimat im Falle innerer Aufstände von Zwangarbeitern) so zu manipulieren, dass die in den Plänen vorgesehenen Einheiten im Sinne der Verschwörer agierten. Damit sollte der Putsch quasi auf offiziellem Dienstweg verordnet werden. Die Chancen einer erfolgreichen Übernahme der Staatsgewalt waren jetzt deutlich gestiegen. Allerdings fehlte zur Ausführung nach wie vor ein entschlossener Attentäter.

Tresckow selbst hatte keinen Posten, der ihm ungehinderten Zugang zu Hitler ermöglicht hätte. Zunächst wurde er im Oktober 1943 Kommandeur eines Grenadierregiments, am 20. November des gleichen Jahres dann Chef des Stabes der 2. Armee. In dieser Stellung war er von den Vorgängen in Berlin eher isoliert und Stauffenberg wurde zum neuen Zentrum der Verschwörer.

1944 wurde er zum Generalmajor ernannt. Neben Stauffenberg war er die treibende Kraft hinter dem Umsturzplan des 20. Juli 1944. Jedoch wurde er kurz vor der Ausführung des Anschlags an die Ostfront abkommandiert und konnte so nicht aktiv am Umsturz teilnehmen. Als er am 21. Juli 1944 vom Scheitern des Attentats erfuhr, setzte er seinem Leben selbst mit einer Handgranate ein Ende.

„Das Attentat muß erfolgen, coûte que coûte. Sollte es nicht gelingen, so muß trotzdem in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.“

– Henning von Tresckow: Nachricht an Stauffenberg, Sommer 1944 (Zitiert nach dem Bericht Schlabrendorffs nach dem Krieg)

Im Juni und Juli 1944 hatte der inzwischen zum Generalmajor ernannte von Tresckow an der Ostfront auf seinem Posten alle Hände voll zu tun. (→Operation Bagration) Die 2. deutsche Armee, deren Stabschef von Tresckow war, hatte als einziger Verband der Heeresgruppe Mitte den Beginn der sowjetischen Sommeroffensive intakt überstanden und musste nun die Hauptlast bei den Versuchen des Feldmarschalls Model tragen, wieder eine zusammenhängende deutsche Abwehrfront zu errichten. Die extrem kritische Lage, in der sich die gesamte deutsche Ostfront ab dem 22. Juni 1944 befand, dürfte einer der Hauptgründe für die von Schlabrendorff geschilderte Entschlossenheit Tresckows gewesen sein. Als Stabschef der 2. deutschen Armee hatte er wie auch von Stauffenberg einen genügend tiefen Einblick in die militärische Gesamtsituation, um zu wissen, das es nicht mehr lange bis zur endgültigen Niederlage des Dritten Reiches dauern würde. Er konnte von seiner Position aus lediglich die Herausnahme eines Kavalleriebatallions durch die Brüder Philipp und Georg Freiherr von Boeselager decken, das für die Absicherung des Putsches in Berlin vorgesehen war. Er erfuhr erst am Nachmittag des 20. Juli 1944 von der Ausführung des Attentats durch von Stauffenberg und dass dieses offenbar gescheitert sei. Gewissheit über den erfolglosen Ausgang des Umsturzversuchs erlangte er aber erst gegen Mitternacht, als er über die Rede Hitlers im Rundfunk informiert wurde.

Um nicht bei der erwarteten, mit Folter verbundenen Untersuchung die Namen weiterer Beteiligter preisgeben zu müssen, entschloss sich Tresckow zum Selbstmord. Er fuhr am Morgen des 21. Juli an die Front und nahm sich mit einer Gewehrgranate das Leben. Sein Leichnam wurde zunächst nach Wartenberg überführt und dort beerdigt, da seine Verstrickung in die Verschwörung erst allmählich bekannt wurde. Ende August wurde der Sarg jedoch exhumiert und im Krematorium des KZ Sachsenhausen verbrannt.

Seine Heimatstadt Magdeburg hat die (Henning-von-Tresckow-Straße) nach ihm benannt.

Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr befindet sich in der Henning-von-Tresckow-Kaserne im Wildpark Potsdam (zwischen Geltow und Potsdam).

In Oldenburg sind der Brigadestab der Luftlandebrigade 31 und Teile des Luftlandeunterstützungsbataillons 272 in der Henning-von-Tresckow-Kasernen stationiert.

Zahlreiche Straßen in Deutschland sind nach Tresckow benannt, z. B. in Hamburg und in Stade. Bezeichnenderweise befindet sich diese auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne der Stadt Stade. An der Potsdamer Henning-von-Tresckow-Straße liegt ebenfalls eine ehemalige Kaserne, die Standort des 1. Garde-Regiments zu Fuß war.

Henning von Tresckow in Worten

Aussagen über Henning von Tresckow:

  • „Sie, Tresckow, werden einmal entweder Chef des Generalstabes werden oder als Revolutionär auf dem Schafott enden.“ (1918, Graf Eulenburg, Kommandeur Erstes Garde-Regiment zu Fuß)
  • „In ihm zeigten sich drei Eigenschaften, die einzeln so häufig und vereint so selten sind. Er war gut, klug und fleißig, und alles in Staunen erregendem Maße.“ (1941, F. v. Schlabrendorff über Tresckow als Ersten Generalstabsoffizier)
  • „Für mich gab es eigentlich nur einen einzigen Nachfolger in der Stellung des Chefs des Generalstabes. Ich muß es offen aussprechen: Es gab niemand anders als Tresckow, der der Lage des Zweiten Weltkrieges gewachsen wäre.“ (ca. 1946, Generaloberst Franz Halder, ehem. Chef des Generalstabes des Heeres)

Aussagen von Henning von Tresckow:

  • „Hitler ist ein tanzender Derwisch. Man muß ihn totschießen.“ (1938)
   * „Die Alliierten müssen schon mit dem Dummbeutel geschlagen sein, wenn sie nicht erkannt haben, dass Deutschlands Militär ohne Hitler stärker ist, als mit.“
  • Mitte Mai 1940, Frankreichfeldzug, persönlicher Befehl Hitlers an die Heeresgruppe A, mit der Masse der Panzerverbände sofort anzuhalten und nicht weiter nach Westen an die Küste vorzustoßen. Auf die Frage des OKH, wie die Heeresgruppe dabei den Begriff „Masse der anzuhaltenden Panzerverbände“ auslege, antwortet Tresckow: „Die rückwärtigen Dienste.“
  • „Befehle sind Gesetze für Dumme“ (1942)
  • „Warum gibt mir das Schicksal nicht die Gelegenheit, auf russischer Seite zu führen? Ich hätte Hitler schon längst geschlagen. Aber die Russen verlassen sich ausschließlich auf den Mut und die Fähigkeit ihrer Soldaten, Entbehrungen zu ertragen. Das ist zu wenig. Man muß im modernen Krieg auch etwas von Nachschub verstehen, und schließlich darf man nicht glauben, daß einem das Glück hold ist, wenn man ganz auf operative Ideen verzichtet.“ (1943)
  • „Die Welt muss von dem größten Verbrecher aller Zeiten befreit werden.“ (1943 zu Gersdorff kurz vor dem geplanten Selbstmordattentat auf Hitler)
  • „Wir werden unsere Untätigkeit vor dem Richterstuhl Gottes nie vertreten können. Wir haben nicht die Entschuldigung, Unteroffizier gewesen zu sein. Der Offizier steht – Fahneneid hin, Fahneneid her – über dem Befehl.“ (1942)
  • „Alle Generale sind Feiglinge“ und „So schlapp wie ein Feldmarschall“ (ca. 1943, nach vergeblichem Versuch, unter der Generalität weitere Anhänger eines Staatsstreiches zu finden)
  • Juni 1944, Hptm Stahlberg, Adjutant des Generalfeldmarschalls von Manstein:

„Ich fragte Henning von Tresckow, ob der denn eine Chance sehe, daß der Staatsstreich gelingen werde. „Mit größter Wahrscheinlichkeit wird alles schiefgehen“. „Und trotzdem?“ „Ja, trotzdem“.

Im Weitergehen sprach er vor sich hin, als wäre er alleine. Man müsse sich vorstellen, wie man in späteren Generationen die Weltgeschichte über uns Deutsche urteilen würde, wenn es in Deutschland nicht einmal eine Handvoll Männer gegeben hätte, die diesem Verbrecher in den Arm gefallen seien. Noch wüßten bis jetzt nur wenige Deutsche, welche unsagbaren Verbrechen von den Nazis verübt würden. Nur in den obersten Kommandobehörden sei das bisher bekannt. Eines Tages aber würden es alle erfahren. Und dann würden sie mit Recht über die herfallen, die davon gewußt haben und nichts getan haben, um es zu verhindern. „Deshalb muß Hitler umgebracht werden, coûte que coûte.“

Dann fragte Henning von Tresckow: „Wo steht Manstein, wenn Hitler tot ist?“

Ich sagte, ich sei sicher, er werde dort stehen, wo die Legalität sei.

„Für einen Feldmarschall ist das zu wenig.“

„Jetzt wird die ganze Welt über uns herfallen und uns beschimpfen. Aber ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, daß wir recht gehandelt haben. Ich halte Hitler nicht nur für den Erzfeind Deutschlands, sondern auch für den Erzfeind der Welt.

Wenn ich in wenigen Stunden vor den Richterstuhl Gottes treten werde, um Rechenschaft abzulegen über mein Tun und Unterlassen, so glaube ich mit gutem Gewissen das vertreten zu können, was ich im Kampf gegen Hitler getan habe. Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, daß Gott auch Deutschland um unsertwillen nicht vernichten wird.

Niemand von uns kann über seinen Tod Klage führen. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessoshemd angezogen.

Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben.“

(21. Juli 1944)

Literatur

  • Joachim Fest: Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli. Berlin 1994.
  • Gerlach, Christian (1995) Die Männer des 20. Juli und der Krieg gegen die Sowjetunion. In: Hannes Heer / Klaus Naumann (Hg.) Vernichtungskrieg. Die Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944. Hamburg: Hamburger Edition/Lizenzausgabe für Zweitausendeins 1995, S. 427-446.
  • Gillessen, Günther (2008) Unsere letzten Zweifel und Hemmungen waren 1941 beseitigt. War der Verschwörer Henning von Tresckow in die Verbrechen der SS hinter der Ostfront verstrickt? ...FAZ 18.07.2008: 37.
  • Sigrid Grabner u. Hendrik Röder: Henning von Tresckow. Ich bin, der ich war. 2001.
  • Bodo Scheurig: Henning von Tresckow. Eine Biographie. Oldenburg/Hamburg 1973. (ISBN 3-549-07212-0, mehrfache Neuauflagen, zuletzt 2004)
  • Fabian von Schlabrendorff: Offiziere gegen Hitler. Neue, durchgesehene und erweiterte Ausgabe von Walter Bußmann. Berlin 1984.
  • Alexander Stahlberg: Die verdammte Pflicht - Erinnerungen 1932-1945. Ullstein, 2000 (ISBN 3-550-07288-0).