Henning von Tresckow

Henning Hermann Robert Karl von Tresckow (* 10. Januar 1901 in Magdeburg; † 21. Juli 1944 in Ostrow bei Białystok, Polen) war ein deutscher Offizier aus altem preußischem Adel, der sich nach dem Missglücken des Attentats auf Hitler das Leben nahm und von dem folgender oft zitierter Ausspruch über die Rechtfertigung des Attentats aus wertrationalen (gesinnungsethischen) Gründen überliefert ist: "Das Attentat auf Hitler muss erfolgen, um jeden Preis. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem der Staatsstreich versucht werden. denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat" (Riebsamen 2009).

Leben

Tresckow machte eine militärische Bilderbuchkarriere. Mit 17 - er war schon Leutnant - war er schon mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden (Juli 1918). Auch die Zeit zwischen seinem Ausscheiden aus der Reichswehr (1920) und seinem Wiedereintritt (1926) nutzte er. Er studierte, arbeitete in einer Bank und dann als Geschäftsführer einer kleinen Fabrik. Aus seiner Ehe mit Erika von Falkenhayn (01/1926) gingen vier Kinder hervor. Während Tresckow den Aufstieg der NS-Bewegung vor dem Hintergrund des Versailler Vertrags noch mit Sympathie verfolgte, kollidierte die Politik des NS-Regimes mit seinem Respekt vor dem Völkerrecht. So war er, als er die Kriegsakademie (1934-36) hinter sich und einen Generalstabsposten im Reichswehrministerium hatte, Offenheit für oppositionelle Kreise im Umfeld des späteren Generalfeldmarschalls Erwin von Witzleben. Nach einer Zeit als Generalstabsoffizier einer Infanteriedivision (1939; Eisernes Kreuz Erster Klasse) kam er zum Stab der Heeresgruppe B (1940) und erfuhr bald von Judenerschießungen durch SS-Einsatzgruppen sowie vom Kommissarbefehl. Empört über die Missachtung des Kriegsvölkerrechts versuchte er mehrmals (vergeblich), seinen Onkel, Generalfeldmarschall Fedor von Bock, zu einem offiziellen Protest zu bewegen (Gillessen 2008). Im September 1941 nahm Tresckow Kontakt zur Berliner Widerstandsgruppe um Ludwig August Theodor Beck, Carl Friedrich Goerdeler und Hans Oster auf. Am 1.04.1942 wurde er zum Oberst im Generalstab in der Heeresgruppe Mitte ernannt und erhielt am 2.01.1943 das Deutsche Kreuz in Gold. In dieser Stellung entwarf er verschiedene Attentatspläne mit der Pistole oder mit Sprengstoff. Zusammen mit Fabian von Schlabrendorff schmuggelte er am 13.03.1943 ein als Cognacflaschen getarntes Sprengstoffpaket in Hitlers Flugzeug. Der vereiste Zündmechanismus versagte jedoch. Wenige Tage später ergab sich eine zweite Gelegenheit. Tresckow war es gelungen, Rudolph-Christoph Freiherr von Gersdorff zu einem Selbstmordattentat anlässlich einer Ausstellung russischer Beutewaffen am 21.03.1943 in Berlin zu bewegen. Gersdorffs Versuch ging daneben, weil Hitler die Ausstellung überraschend nach zwei Minuten wieder verließ. Auf der Toilette konnte Gersdorff den auf 10 Minuten eingestellten Säurezünder im letzten Moment unbemerkt entschärfen. Im August und September 1943 gelang es Tresckow zusammen mit Claus Graf Schenk von Stauffenberg, die Befehle der „Operation Walküre“ (ursprünglich ein militärischer Einsatzplan für das „Ersatzheer“ in der Heimat im Falle innerer Aufstände von Zwangarbeitern) so zu manipulieren, dass die in den Plänen vorgesehenen Einheiten im Sinne der Verschwörer agierten. Damit sollte der Putsch quasi auf offiziellem Dienstweg verordnet werden. Die Chancen einer erfolgreichen Übernahme der Staatsgewalt waren jetzt deutlich gestiegen. Allerdings fehlte zur Ausführung nach wie vor ein entschlossener Attentäter.

Tresckow selbst hatte keinen Posten, der ihm ungehinderten Zugang zu Hitler ermöglicht hätte. Zunächst wurde er im Oktober 1943 Kommandeur eines Grenadierregiments, am 20. November des gleichen Jahres dann Chef des Stabes der 2. Armee. In dieser Stellung war er von den Vorgängen in Berlin eher isoliert und Stauffenberg wurde zum neuen Zentrum der Verschwörer.

1944 wurde er zum Generalmajor ernannt. Neben Stauffenberg war er die treibende Kraft hinter dem Umsturzplan des 20. Juli 1944. Jedoch wurde er kurz vor der Ausführung des Anschlags an die Ostfront abkommandiert und konnte so nicht aktiv am Umsturz teilnehmen. Als er am 21. Juli 1944 vom Scheitern des Attentats erfuhr, setzte er seinem Leben selbst mit einer Handgranate ein Ende.

„Das Attentat muß erfolgen, coûte que coûte. Sollte es nicht gelingen, so muß trotzdem in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.“

– Henning von Tresckow: Nachricht an Stauffenberg, Sommer 1944 (Zitiert nach dem Bericht Schlabrendorffs nach dem Krieg)

Im Juni und Juli 1944 hatte der inzwischen zum Generalmajor ernannte von Tresckow an der Ostfront auf seinem Posten alle Hände voll zu tun. (→Operation Bagration) Die 2. deutsche Armee, deren Stabschef von Tresckow war, hatte als einziger Verband der Heeresgruppe Mitte den Beginn der sowjetischen Sommeroffensive intakt überstanden und musste nun die Hauptlast bei den Versuchen des Feldmarschalls Model tragen, wieder eine zusammenhängende deutsche Abwehrfront zu errichten. Die extrem kritische Lage, in der sich die gesamte deutsche Ostfront ab dem 22. Juni 1944 befand, dürfte einer der Hauptgründe für die von Schlabrendorff geschilderte Entschlossenheit Tresckows gewesen sein. Als Stabschef der 2. deutschen Armee hatte er wie auch von Stauffenberg einen genügend tiefen Einblick in die militärische Gesamtsituation, um zu wissen, das es nicht mehr lange bis zur endgültigen Niederlage des Dritten Reiches dauern würde. Er konnte von seiner Position aus lediglich die Herausnahme eines Kavalleriebatallions durch die Brüder Philipp und Georg Freiherr von Boeselager decken, das für die Absicherung des Putsches in Berlin vorgesehen war. Er erfuhr erst am Nachmittag des 20. Juli 1944 von der Ausführung des Attentats durch von Stauffenberg und dass dieses offenbar gescheitert sei. Gewissheit über den erfolglosen Ausgang des Umsturzversuchs erlangte er aber erst gegen Mitternacht, als er über die Rede Hitlers im Rundfunk informiert wurde.

Um nicht bei der erwarteten, mit Folter verbundenen Untersuchung die Namen weiterer Beteiligter preisgeben zu müssen, entschloss sich Tresckow zum Selbstmord. Er fuhr am Morgen des 21. Juli an die Front und nahm sich mit einer Gewehrgranate das Leben. Sein Leichnam wurde zunächst nach Wartenberg überführt und dort beerdigt, da seine Verstrickung in die Verschwörung erst allmählich bekannt wurde. Ende August wurde der Sarg jedoch exhumiert und im Krematorium des KZ Sachsenhausen verbrannt.

Nach Henning von Tresckow wurden Straßen (z.B. in Magdeburg, Hamburg, Stade) und Kasernen (z.B. in Potsdam und Oldenburg) benannt.

Henning von Tresckow in Worten

Aussagen über Henning von Tresckow:

  • „Sie, Tresckow, werden einmal entweder Chef des Generalstabes werden oder als Revolutionär auf dem Schafott enden.“ (1918, Graf Eulenburg, Kommandeur Erstes Garde-Regiment zu Fuß)
  • „In ihm zeigten sich drei Eigenschaften, die einzeln so häufig und vereint so selten sind. Er war gut, klug und fleißig, und alles in Staunen erregendem Maße.“ (1941, F. v. Schlabrendorff über Tresckow als Ersten Generalstabsoffizier)
  • „Für mich gab es eigentlich nur einen einzigen Nachfolger in der Stellung des Chefs des Generalstabes. Ich muß es offen aussprechen: Es gab niemand anders als Tresckow, der der Lage des Zweiten Weltkrieges gewachsen wäre.“ (ca. 1946, Generaloberst Franz Halder, ehem. Chef des Generalstabes des Heeres)

Aussagen von Henning von Tresckow:

  • „Hitler ist ein tanzender Derwisch. Man muß ihn totschießen.“ (1938)
  • „Die Alliierten müssen schon mit dem Dummbeutel geschlagen sein, wenn sie nicht erkannt haben, dass Deutschlands Militär ohne Hitler stärker ist, als mit.“
  • Mitte Mai 1940, Frankreichfeldzug, persönlicher Befehl Hitlers an die Heeresgruppe A, mit der Masse der Panzerverbände sofort anzuhalten und nicht weiter nach Westen an die Küste vorzustoßen. Auf die Frage des OKH, wie die Heeresgruppe dabei den Begriff „Masse der anzuhaltenden Panzerverbände“ auslege, antwortet Tresckow: „Die rückwärtigen Dienste.“
  • „Befehle sind Gesetze für Dumme“ (1942)
  • „Warum gibt mir das Schicksal nicht die Gelegenheit, auf russischer Seite zu führen? Ich hätte Hitler schon längst geschlagen. Aber die Russen verlassen sich ausschließlich auf den Mut und die Fähigkeit ihrer Soldaten, Entbehrungen zu ertragen. Das ist zu wenig. Man muß im modernen Krieg auch etwas von Nachschub verstehen, und schließlich darf man nicht glauben, daß einem das Glück hold ist, wenn man ganz auf operative Ideen verzichtet.“ (1943)
  • „Die Welt muss von dem größten Verbrecher aller Zeiten befreit werden.“ (1943 zu Gersdorff kurz vor dem geplanten Selbstmordattentat auf Hitler)
  • „Wir werden unsere Untätigkeit vor dem Richterstuhl Gottes nie vertreten können. Wir haben nicht die Entschuldigung, Unteroffizier gewesen zu sein. Der Offizier steht – Fahneneid hin, Fahneneid her – über dem Befehl.“ (1942)
  • „Alle Generale sind Feiglinge“ und „So schlapp wie ein Feldmarschall“ (ca. 1943, nach vergeblichem Versuch, unter der Generalität weitere Anhänger eines Staatsstreiches zu finden)
  • Juni 1944, Hptm Stahlberg, Adjutant des Generalfeldmarschalls von Manstein:

„Ich fragte Henning von Tresckow, ob der denn eine Chance sehe, daß der Staatsstreich gelingen werde. „Mit größter Wahrscheinlichkeit wird alles schiefgehen“. „Und trotzdem?“ „Ja, trotzdem“.

Im Weitergehen sprach er vor sich hin, als wäre er alleine. Man müsse sich vorstellen, wie man in späteren Generationen die Weltgeschichte über uns Deutsche urteilen würde, wenn es in Deutschland nicht einmal eine Handvoll Männer gegeben hätte, die diesem Verbrecher in den Arm gefallen seien. Noch wüßten bis jetzt nur wenige Deutsche, welche unsagbaren Verbrechen von den Nazis verübt würden. Nur in den obersten Kommandobehörden sei das bisher bekannt. Eines Tages aber würden es alle erfahren. Und dann würden sie mit Recht über die herfallen, die davon gewußt haben und nichts getan haben, um es zu verhindern. „Deshalb muß Hitler umgebracht werden, coûte que coûte.“

Dann fragte Henning von Tresckow: „Wo steht Manstein, wenn Hitler tot ist?“

Ich sagte, ich sei sicher, er werde dort stehen, wo die Legalität sei.

„Für einen Feldmarschall ist das zu wenig.“

„Jetzt wird die ganze Welt über uns herfallen und uns beschimpfen. Aber ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, daß wir recht gehandelt haben. Ich halte Hitler nicht nur für den Erzfeind Deutschlands, sondern auch für den Erzfeind der Welt.

Wenn ich in wenigen Stunden vor den Richterstuhl Gottes treten werde, um Rechenschaft abzulegen über mein Tun und Unterlassen, so glaube ich mit gutem Gewissen das vertreten zu können, was ich im Kampf gegen Hitler getan habe. Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, daß Gott auch Deutschland um unsertwillen nicht vernichten wird.

Niemand von uns kann über seinen Tod Klage führen. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessoshemd angezogen.

Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben.“

(21. Juli 1944)

Literatur

  • Fest, Joachim (1994) Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli. Berlin.
  • Gerlach, Christian (1995) Die Männer des 20. Juli und der Krieg gegen die Sowjetunion. In: Hannes Heer / Klaus Naumann (Hg.) Vernichtungskrieg. Die Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944. Hamburg: Hamburger Edition/Lizenzausgabe für Zweitausendeins 1995, S. 427-446.
  • Gillessen, Günther (2008) Unsere letzten Zweifel und Hemmungen waren 1941 beseitigt. War der Verschwörer Henning von Tresckow in die Verbrechen der SS hinter der Ostfront verstrickt? ...FAZ 18.07.2008: 37.
  • Grabner, Sigrid u. Hendrik Röder (2001) Henning von Tresckow. Ich bin, der ich war.
  • Riebsamen, Hans (2009) Der stille Attentäter. Fabian von Schlabrendorff ist als Hitler-Attentäter kaum bekannt. FAZ 20.02.09: 3.
  • Scheurig, Bodo (1973) Henning von Tresckow. Eine Biographie. Oldenburg/Hamburg.
  • v. Schlabrendorff, Fabian (1984)Offiziere gegen Hitler. Neue, durchgesehene und erweiterte Ausgabe von Walter Bußmann. Berlin.
  • Stahlberg, Alexander (2000) Die verdammte Pflicht - Erinnerungen 1932-1945. Ullstein, 2000.