Helmut Schelsky: Unterschied zwischen den Versionen

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Helmut Wilhelm Friedrich Schelsky (* 14. 10. 1912 in Chemnitz; † 24. 02. 1984 in Münster i.W.) war ein einflussreicher deutscher Soziologe, der in Hamburg, Münster und Bielefeld forschte und lehrte und aus dessen Schülerschaft mindestens 20 nahmhafte Wissenschaftler hervorgingen, die bedeutende Lehrstühle besetzten und besetzen - darunter die Soziologen Heinz Hartmann, Dieter Claessens, Franz-Xaver Kaufmann und Niklas Luhmann sowie die Kriminologin Lieselotte Pongratz.   
Helmut Wilhelm Friedrich Schelsky (* 14. 10. 1912 in Chemnitz; † 24. 02. 1984 in Münster i.W.) war der wohl einflussreichste deutsche Soziologe, der mit Werken wie "Soziologie der Sexualität" und "Die skeptische Generation" großen Erfolg hatte, der zudem auch den Begriff der "nivellierten Mittelstandsgesellschaft" prägte und aus dessen Lehr- und Forschungstätigkeit in Hamburg, Münster, Dortmund und Bielefeld mindestens 20 nahmhafte Wissenschaftler hervorgingen, die bedeutende Lehrstühle besetzten und besetzen - darunter die Soziologen Heinz Hartmann, Dieter Claessens, Franz-Xaver Kaufmann und Niklas Luhmann sowie die Kriminologin Lieselotte Pongratz.   


== Leben ==
== Leben ==
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1938-1940 Assistent von Gehlen in Leipzig, 1940-1941 von Freyer in Budapest. 1941 Soldat. Aus seiner Ehe mit Hildegard Brettle (1944) gingen zwei Söhne hervor (darunter Wilhelm Schelsky, der 2008 vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Untreue zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde und ankündigte, in Revision zu gehen). Nachdem Helmut Schelsky wegen des Kriegsverlaufs (1944) eine Stelle als außerordentlicher Professor an in Straßburg nicht antreten konnte, baute er nach dem Krieg den „Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes“ auf.
1938-1940 Assistent von Gehlen in Leipzig, 1940-1941 von Freyer in Budapest. 1941 Soldat. Aus seiner Ehe mit Hildegard Brettle (1944) gingen zwei Söhne hervor (darunter Wilhelm Schelsky, der 2008 vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Untreue zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde und ankündigte, in Revision zu gehen). Nachdem Helmut Schelsky wegen des Kriegsverlaufs (1944) eine Stelle als außerordentlicher Professor an in Straßburg nicht antreten konnte, baute er nach dem Krieg den „Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes“ auf.


1949 wurde er Professor für Soziologie an der „Akademie für Gemeinwirtschaft“ in Hamburg, 1953 an der Universität. Ab 1960 leitete er als Soziologie-Professor an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Münster zugleich die renommierteste empirisch-soziologische Forschungsstätte jener Jahre, die der Münsteraner Universität angegliederte Sozialforschungsstelle in Dortmund. Er engagierte sich für die Gründung der Reform-Universität in Bielefeld und sorgte dort für die Errichtung der ersten „Soziologischen Fakultät“ in der Bundesrepublik. Bereits in diesem Kampf um den ostwestfälischen Standort von der Paderborner CDU als ehedem nationalsozialistischer Student enttarnt, trat er von allen Ämtern zurück - zumal von dem als Vorsitzender des Planungsbeirats Nordrhein-Westfalen für die Entwicklung des Hochschulwesens. 1970 wurde er dann jedoch Professor in Bielefeld, wo er u.a. am Standort Rheda das als ein ‚deutsches Harvard‘ angelegte „Zentrum für interdisziplinäre Forschung“ (ZiF) leitete, bis er sich mit den Kollegen in Bielefeld überwarf. Da er nach Münster zurück wollte, ein ordentliches Berufungsverfahren aber zu riskant erschien, bewirkte er eine Versetzung dorthin mitsamt seinem Lehrstuhl (1973). Nach seiner Emeritierung (1978) hielt er sich vornehmlich in seinem Feriendomizil Stadtschlaining nahe der österreichisch-ungarischen Grenze im Burgenland auf. Er schrieb noch kämpferische Großessays gegen die in seinen Augen eine utopische Erziehungsdiktatur anstrebenden Soziologen der 1968er-Generation, vereinsamte aber bis zu seinem Tod. Seine Grabstelle befindet sich in der Rosalienkapelle von Stadtschlaining unterhalb des Schelsky'schen Grundbesetzes auf dem Terrain der örtlichen katholischen Kirchengemeinde, abgedeckt mit einer Grabplatte mit der Inschrift "Wahrhaftigkeit und Wohlwollen".  
1949 wurde er Professor für Soziologie an der „Akademie für Gemeinwirtschaft“ in Hamburg, 1953 an der Universität. Ab 1960 leitete er als Soziologie-Professor an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Münster zugleich die renommierteste empirisch-soziologische Forschungsstätte jener Jahre, die der Münsteraner Universität angegliederte Sozialforschungsstelle in Dortmund. Er engagierte sich für die Gründung der Reform-Universität in Bielefeld und sorgte dort für die Errichtung der ersten „Soziologischen Fakultät“ in der Bundesrepublik. Nachdem seine NS-Vergangenheit (seitens der Paderborner CDU, die sich ebenfalls um den Universitätsstandort beworben hatte, der dann Bielefeld zufiel) herausgekommen war, trat er von allen Ämtern zurück - zumal von dem als Vorsitzender des Planungsbeirats Nordrhein-Westfalen für die Entwicklung des Hochschulwesens. Gleichwohl wurde der 1970 Professor in Bielefeld, wo er u.a. am Standort Rheda das als ein ‚deutsches Harvard‘ angelegte „Zentrum für interdisziplinäre Forschung“ (ZiF) leitete, bis er sich mit den Kollegen in Bielefeld überwarf. Da er nach Münster zurück wollte, ein ordentliches Berufungsverfahren aber zu riskant erschien, bewirkte er im Ministerium, dass er ohne Berufungsverfahren durch eine Verlagerung seines gesamten Lehrstuhls nach Münster zurückkehren konnte (1973). Nach seiner Emeritierung (1978) hielt er sich vornehmlich in seinem Feriendomizil Stadtschlaining nahe der österreichisch-ungarischen Grenze im Burgenland auf, wo er sich auch Verdients um die Restaurierung der spätmittelalterlichen Burganlage erwarb. Er schrieb noch kämpferische Großessays gegen die in seinen Augen eine utopische Erziehungsdiktatur anstrebenden Soziologen der 1968er-Generation, vereinsamte aber bis zu seinem Tod. Seine Grabstelle befindet sich in der Rosalienkapelle von Stadtschlaining unterhalb des Schelsky'schen Grundbesetzes auf dem Terrain der örtlichen katholischen Kirchengemeinde, abgedeckt mit einer Grabplatte mit der Inschrift "Wahrhaftigkeit und Wohlwollen".  


Er schrieb über die Soziologie der Familie, der Sexualität, der Industrie, der Jugend, der Erziehung und der Ideengeschichte der deutschen Universität, die vielfach neu aufgelegt wurden. Kontrovers diskutiert wurde seine These, dass moderne Gesellschaften zur Bildung einer „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ tendierten.
Er schrieb über die Soziologie der Familie, der Sexualität, der Industrie, der Jugend, der Erziehung und der Ideengeschichte der deutschen Universität, die vielfach neu aufgelegt wurden. Kontrovers diskutiert wurde seine These, dass moderne Gesellschaften zur Bildung einer „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ tendierten.
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