Heimkampagne: Unterschied zwischen den Versionen

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BAUSTELLE!!!


Als [http://de.wikipedia.org/wiki/Heimkampagne '''Heimkampagne'''] wurde eine Initiative des Sozialistischen Studentenbundes [http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistischer_Deutscher_Studentenbund (SDS)], einer Kerngruppe der [http://de.wikipedia.org/wiki/Au%C3%9Ferparlamentarische_Opposition APO], im Juni 1969 bekannt, die sich gegen die Zustände in den Erziehungsheimen richtete. Gemeinsam mit Lehrlingen, Heimzöglingen und späteren Mitgliedern der [http://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Armee_Fraktion RAF] wurde in mehrere Aktionen das Fürsorgesystem angeprangert.
Als [http://de.wikipedia.org/wiki/Heimkampagne '''Heimkampagne'''] wurde eine Initiative des Sozialistischen Studentenbundes [http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistischer_Deutscher_Studentenbund (SDS)], einer Kerngruppe der [http://de.wikipedia.org/wiki/Au%C3%9Ferparlamentarische_Opposition APO], im Juni 1969 bekannt, die sich gegen die Zustände in den Erziehungsheimen richtete. Gemeinsam mit Lehrlingen, Heimzöglingen und späteren Mitgliedern der [http://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Armee_Fraktion RAF] wurde in mehreren Aktionen das Fürsorgesystem angeprangert.




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== Anfänge der Heimkampagne ==
== Anfänge der Heimkampagne ==


Die Heimkampagne fand ihren Anfang im Juni 1969 in dem hessischen Heim Staffelberg bei Biedenkopf. Initiiert wurde die Kampagne von Frankfurter Lehrlingen, SDS-Studenten, (ehemaligen) Fürsorgezöglingen, sowie den oben genannten späteren RAF-Mitgliedern. Die Heimleitung stimmte einer Vollversammlung zu, war sich aber des Ausmaßes der Aktion nicht bewusst. Die Anhänger der Inititative protestierten gegen die repressiven Heimzustände, zu dem sie viele Heimzöglinge gewinnen konnten. Neben Staffelberg hatte sich die Kampagne auch in weiteren Heimen in der BRD ausgedehnt. Insgesamt kam es in der Zeit vom 28. Juni 1969 bis zum 31. August 1969 zu fünfzehn ähnlichen Aktionen in verschiedenen Erziehungsheimen in Hessen. Darunter auch im [http://de.wikipedia.org/wiki/Beiserhaus Beiserhaus] in Rengshausen, wo der Heimzögling [http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Peter-J%C3%BCrgen_Boock Peter-Jürgen Boock] zum ersten Mal auf Baader traf.
Die Heimkampagne fand ihren Anfang im Juni 1969 in dem hessischen Heim Staffelberg bei Biedenkopf. Initiiert wurde die Kampagne von Frankfurter Lehrlingen, SDS-Studenten, (ehemaligen) Fürsorgezöglingen, sowie den oben genannten späteren RAF-Mitgliedern. Die Heimleitung stimmte einer Vollversammlung zu, war sich aber des Ausmaßes der Aktion nicht bewusst. Die Anhänger der Inititative protestierten gegen die repressiven Heimzustände, zu dem sie viele Heimzöglinge gewinnen konnten. Neben Staffelberg hatte sich die Kampagne auch in weiteren Heimen in der BRD ausgedehnt. Insgesamt kam es in der Zeit vom 28. Juni 1969 bis zum 31. August 1969 zu fünfzehn ähnlichen Aktionen in verschiedenen Erziehungsheimen in Hessen. Darunter auch im [http://de.wikipedia.org/wiki/Beiserhaus Beiserhaus] in Rengshausen, wo der Heimzögling [http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Peter-J%C3%BCrgen_Boock Peter-Jürgen Boock] zum ersten Mal auf Baader und Ensslin traf.


=== Die Staffelberg-Kampagne ===
=== Die Staffelberg-Kampagne ===
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30 Jugendliche flüchteten aus dem Heim in Staffelberg und fuhren mit ihren "Befreiern" nach Frankfurt. Es folgten ihnen weitere Heimzöglinge, auch aus anderen Heimen. Für die entflohenen Jugendlichen wurden Quartiere bei Studenten (Wohnkollektive) und das notwendige Geld besorgt.  
30 Jugendliche flüchteten aus dem Heim in Staffelberg und fuhren mit ihren "Befreiern" nach Frankfurt. Es folgten ihnen weitere Heimzöglinge, auch aus anderen Heimen. Für die entflohenen Jugendlichen wurden Quartiere bei Studenten (Wohnkollektive) und das notwendige Geld besorgt.  
Einige der Heimzöglinge wurden von späteren RAF-Mitgliedern (Freiherr-vom-Stein-Straße, Berlin) aufgenommen. Astrid Proll:''"Wir mussten wahnsinnig aufpassen mit unserem eigenen Lebensstil, der relativ locker und provokativ war. Sie sollten arbeiten gehen oder eine Lehre machen, wir selbst gingen aber nicht irgendwo arbeiten. Unsere Arbeit war die revolutionäre Arbeit, damals eben die Heimkampagne. Die fanden das natürlich toll, identifizierten sich mit uns. Wir wollten aber, dass sie ihren eigenen Weg finden. Viele entdeckten obendrein Haschisch, da gab es plötzlich wahnsinnig viel zu tun für uns: Aufsicht, Gespräche und Betreuung"'' (Wensierski 2006: 163). Ensslin gründete zudem ein sogenanntes "Lehrlingskomitee", das Studenten und Heimzöglinge täglich an einem Tisch versammelte. Das Ziel war es die Jugendlichen     
Einige der Heimzöglinge wurden von späteren RAF-Mitgliedern (Freiherr-vom-Stein-Straße, Berlin) aufgenommen. Astrid Proll:''"Wir mussten wahnsinnig aufpassen mit unserem eigenen Lebensstil, der relativ locker und provokativ war. Sie sollten arbeiten gehen oder eine Lehre machen, wir selbst gingen aber nicht irgendwo arbeiten. Unsere Arbeit war die revolutionäre Arbeit, damals eben die Heimkampagne. Die fanden das natürlich toll, identifizierten sich mit uns. Wir wollten aber, dass sie ihren eigenen Weg finden. Viele entdeckten obendrein Haschisch, da gab es plötzlich wahnsinnig viel zu tun für uns: Aufsicht, Gespräche und Betreuung"'' (Wensierski 2006: 163). Ensslin gründete zudem ein sogenanntes "Lehrlingskomitee", das Studenten und Heimzöglinge täglich an einem Tisch versammelte. Das Ziel war es die Jugendlichen     
vom "Abgleiten" zu schützen. Ferner versuchte Ensslin finanzielle Unterstützung der Behörden sowie Wohnräume zu beschaffen. Als das alles zu lange dauerte, besetzte die Gruppe das Büro des Frankfurter Jugendamtsleiters Herbert Faller; die späteren RAF-Mitglieder wollten nicht nur radikale Reformen in den Heimen, sondern Sofortmaßnahmen für die entwichenen Fürsorgezöglinge:  "Go-ins" wurden diese Aktionen genannt.
vom "Abgleiten", so Wensierski, zu schützen. Ferner versuchte Ensslin finanzielle Unterstützung der Behörden sowie Wohnräume zu beschaffen. Als das alles zu lange dauerte, besetzte die Gruppe das Büro des Frankfurter Jugendamtsleiters Herbert Faller; die späteren RAF-Mitglieder wollten nicht nur radikale Reformen in den Heimen, sondern Sofortmaßnahmen für die entwichenen Fürsorgezöglinge:  "Go-ins" wurden diese Aktionen genannt.
Am 12. September kam es auf dem Frankfurter Opernplatz zu einer Solidaritätsdemonstration. Die Demonstranten forderten, alle illegal nach Frankfurt gekommenen Heimzöglinge müssten eine Wohnung erhalten. Mit Erfolg. Der Landeswohlfahrtsverband wollte ein Ende der Aktionen vor den Heimen und bot als Kompromiss Wohnungen an, in denen die Jugendlichen Unterstützung von Sozialarbeitern erhielten. Nach dem Vorbild dieser ersten "Wohnkollektive" entstanden die noch heute üblichen "betreuten Jugendwohngemeinschaften".
Am 12. September kam es auf dem Frankfurter Opernplatz zu einer Solidaritätsdemonstration. Die Demonstranten forderten, alle illegal nach Frankfurt gekommenen Heimzöglinge müssten eine Wohnung erhalten. Mit Erfolg. Der Landeswohlfahrtsverband wollte ein Ende der Aktionen vor den Heimen und bot als Kompromiss Wohnungen an, in denen die Jugendlichen Unterstützung von Sozialarbeitern erhielten. Nach dem Vorbild dieser ersten "Wohnkollektive" entstanden die noch heute üblichen "betreuten Jugendwohngemeinschaften".


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=== Mahler und Meinhof ===
=== Mahler und Meinhof ===


Davon war vor allem [http://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Mahler Horst Mahler] überzeugt. Mahler setzte auf die westdeutsche Jugend in ihrer Gesamtheit, wozu Studenten, aber auch die proletarischen Jugendlichen zählten. Anlass dazu bot ihm die kritische Einstellung der meisten Jugendlichen zu der Welt der  Erwachsenen und zu deren Idealen. Er war der Meinung, dass die Einstellung der Jugendlichen tendenziell antikapitalistisch und revolutionär sei.''"Sie ist verbunden mit der für Jugendliche kennzeichnende Bereitschaft zu aggressiver Äußerung bis hin zur Gewaltanwendung im großen Maß. '''Dort''' ist in erster Linie das Potential für revolutionäre Gewaltanwendung zu suchen und zu finden"'' (Mahler in: Fetscher/Rohrmoser 1981: 64). Somit zeigte sich auch in seiner Erwartung eine wesentliche Unterstützung der RAF durch diese Jugendlichen.
Davon war vor allem [http://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Mahler Horst Mahler] überzeugt. Mahler setzte auf die westdeutsche Jugend in ihrer Gesamtheit, wozu Studenten, aber auch die "proletarischen Jugendlichen" zählten. Anlass dazu bot ihm die kritische Einstellung der meisten Jugendlichen zu der Welt der  Erwachsenen und zu deren Idealen. Er war der Meinung, dass die Einstellung der Jugendlichen tendenziell antikapitalistisch und revolutionär sei.''"Sie ist verbunden mit der für Jugendliche kennzeichnende Bereitschaft zu aggressiver Äußerung bis hin zur Gewaltanwendung im großen Maß. '''Dort''' ist in erster Linie das Potential für revolutionäre Gewaltanwendung zu suchen und zu finden"'' (Mahler in: Fetscher/Rohrmoser 1981: 64). Somit zeigte sich auch in seiner Erwartung eine wesentliche Unterstützung der RAF durch diese Jugendlichen.
Genauso wie Mahler, fasste Ulrike Meinhof zu Beginn der RAF-Aktionen die Marginalisierten als die bereits "revolutionären Teile" der Bevölkerung ins Auge. So behauptete sie, dass die spätere Befreiung Andreas Baaders den potentiell revolutionären Teilen des Volkes zu verdanken sei. Meinhof setzte darauf, dass die RAF von denen eine Nachhaltige Unterstützung ihrer Aktionen zu erwarten habe. Zitat aus ihrem Traktat "Die Rote Armee aufbauen": ''"Kriegt raus, wo die Heime sind und die kinderreichen Familien und das Subproletariat und die proletarischen Frauen, die nur darauf warten, dem Richtigen und die Fresse zu schlagen. Die werden die Führung übernehmen"'' (Meinhof 1973 in: Fetscher/Rohrmoser 1981:66).
Genauso wie Mahler, fasste Ulrike Meinhof zu Beginn der RAF-Aktionen die Marginalisierten als die bereits "revolutionären Teile" der Bevölkerung ins Auge. So behauptete sie, dass die spätere Befreiung Andreas Baaders den potentiell revolutionären Teilen des Volkes zu verdanken sei. Meinhof setzte darauf, dass die RAF von denen eine Nachhaltige Unterstützung ihrer Aktionen zu erwarten habe. Zitat aus ihrem Traktat "Die Rote Armee aufbauen": ''"Kriegt raus, wo die Heime sind und die kinderreichen Familien und das Subproletariat und die proletarischen Frauen, die nur darauf warten, dem Richtigen und die Fresse zu schlagen. Die werden die Führung übernehmen"'' (Meinhof 1973 in: Fetscher/Rohrmoser 1981:66).


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=== "Rekrutierung" von Heimzöglingen ===
=== "Rekrutierung" von Heimzöglingen ===


Die Kritik an der Heimkampagne ist in verschiedenen Beiträgen verbreitet - vor allem im Zusammenhang mit der Marcuse Theorie.  
Die Kritik an der Heimkampagne ist in verschiedenen Beiträgen verbreitet - vor allem im Zusammenhang mit der Theorie von Marcuse.  
Es wird behauptet, so Köhler-Saretzki/Schölzel-Klamp, dass die Heimzöglinge während der Heimkampagne hauptsächlich für die revolutionären Ziele und Ideale der Studenten, wie auch späterer RAF-Mitglieder, „rekrutiert“ wurden.
Es wird behauptet, so Köhler-Saretzki/Schölzel-Klamp, dass die Heimzöglinge während der Heimkampagne hauptsächlich für die revolutionären Ziele und Ideale der Studenten, wie auch späterer RAF-Mitglieder, „rekrutiert“ wurden.


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= Vom Heimzögling zur RAF =
= Vom Heimzögling zur RAF =


* [http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Peter-J%C3%BCrgen_Boock Peter-Jürgen Boock], welcher mit der Hilfe von Baader und Ensslin aus dem Jugendheim Beiserhaus in Rengshausen floh, war an wesentlichen Anschlägen beteiligt, wozu auch die [http://de.wikipedia.org/wiki/Schleyer-Entf%C3%BChrung Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer] und der Ermordung des Bankiers [http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Ponto Jürgen Ponto] zählen.
* [http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Peter-J%C3%BCrgen_Boock Peter-Jürgen Boock], welcher mit der Hilfe von Baader und Ensslin aus dem Jugendheim Beiserhaus in Rengshausen floh, war an wesentlichen Anschlägen beteiligt, wozu auch die [http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Die_Entf%C3%BChrung_und_Ermordung_des_Hanns-Martin_Schleyer Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer] und der Ermordung des Bankiers [http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Die_Ermordung_des_J%C3%BCrgen_Ponto Jürgen Ponto] zählen.


* Die Heimjugendliche [http://de.wikipedia.org/wiki/Irene_Goergens Irene Goergens] lernete Meinhof bei den Dreharbeiten zu ihrem Fernsehfilm [http://de.wikipedia.org/wiki/Bambule_(Fernsehspiel) ''Bambule''] über ein Mädchenheim in West-Berlin kennen. Sie zählt zu den Gründungsmitgliedern der Roten Armee Fraktion. Goergens war beispielsweise an der [http://de.wikipedia.org/wiki/Baader-Befreiung Baader-Befreiung] beteiligt, indem sie für diese Tat eine Waffe besorgte.
* Die Heimjugendliche [http://de.wikipedia.org/wiki/Irene_Goergens Irene Goergens] lernete Meinhof bei den Dreharbeiten zu ihrem Fernsehfilm [http://de.wikipedia.org/wiki/Bambule_(Fernsehspiel) ''Bambule''] über ein Mädchenheim in West-Berlin kennen. Sie zählt zu den Gründungsmitgliedern der Roten Armee Fraktion. Goergens war beispielsweise an der [http://de.wikipedia.org/wiki/Baader-Befreiung Baader-Befreiung] beteiligt, indem sie für diese Tat eine Waffe besorgte.
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