Hamburger Polizeikommission: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Hamburger Polizeikommission''' war ein außerparlamentarisches Kontrollorgan der Landespolizei Hamburg. Ihre Einrichtung erfolgte auf Empfehlung des „Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ´Hamburger Polizei´“ (PUA) im Jahr 1996 und stellte bis zu diesem Zeitpunkt die einzige unabhängige, ohne Polizeibeamte besetzte Kontrollinstanz einer polizeilichen Ermittlungsbehörde in Deutschland dar.
Die '''Hamburger Polizeikommission''' war ein außerparlamentarisches Kontrollorgan der Landespolizei Hamburg. Ihre Einrichtung erfolgte auf Empfehlung des „Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ´Hamburger Polizei´“ (PUA) im Jahr 1996 und stellte bis zu diesem Zeitpunkt die einzige unabhängige, ohne Polizeibeamte besetzte Kontrollinstanz einer polizeilichen Ermittlungsbehörde in Deutschland dar.

Version vom 15. März 2012, 23:56 Uhr

Die Hamburger Polizeikommission war ein außerparlamentarisches Kontrollorgan der Landespolizei Hamburg. Ihre Einrichtung erfolgte auf Empfehlung des „Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ´Hamburger Polizei´“ (PUA) im Jahr 1996 und stellte bis zu diesem Zeitpunkt die einzige unabhängige, ohne Polizeibeamte besetzte Kontrollinstanz einer polizeilichen Ermittlungsbehörde in Deutschland dar.


Hintergründe

Polizeiskandal

Auslöser für die Einberufung der Polizeikommission war der Hamburger Polizeiskandal aus dem Jahr 1994. Durch Aussagen von Betroffenen war öffentlich bekannt geworden, dass es im Rahmen von polizeilichen Maßnahmen wiederholt zu Gesetzesübertretungen durch Polizeibeamte gekommen war. Neben den Polizeikommissariaten (PK) 16 (Hamburg-St.Pauli) und 34 (Hamburg-Langenhorn) stand das PK 11 im Stadtteil Hamburg-St.Georg im Fokus der Anschuldigungen. Durch die dort eingesetzten Beamten sollen insbesondere Schwarzafrikaner systematisch schikaniert und misshandelt worden sein. Neben Körperverletzungsdelikten, Nötigungen und Beleidigungen, bezogen sich die Anschuldigungen auf so genannte „Scheinhinrichtungen“, inszeniert durch Polizeibeamte an festgenommenen Personen. Einen weiteren Höhepunkt des Skandals stellte der Fall „Oliver Neß“ dar. Der WDR-Journalist Neß hatte wiederholt kritisch über die Polizei Hamburg und deren Methoden berichtet und war gezielt durch Polizeibeamte am Rande einer Wahlkampfveranstaltung des „Bund freier Bürger“, am 30.05.1994, angegriffen und verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft Hamburg leitete aufgrund dieser und ähnlich gelagerter Vorfälle gegen rund 80 Beamte Ermittlungsverfahren ein. Während der Untersuchungen wurde bekannt, dass die laufenden Ermittlungen massiv durch das Verhalten von Polizeiangehörigen erschwert bzw. sabotiert worden waren. Durch die Staatsanwaltschaft wurde u.a. angeführt, dass die Ermittlungen durch eine so genannte „Mauer des Schweigens“ (offensichtliche Missachtung des gem. §163 Strafprozessordnung (StPO) normierten Strafvervolgungszwang für Polizeibeamte) oder durch die Vernichtung belastenden Materials, welches sich in polizeilichen Gewahrsam befunden hatte, erschwert worden waren. So waren beispielsweise im Fall „Oliver Neß“ bestehende Videoaufzeichnungen gelöscht worden. Vom Skandal war auch die Hamburger Polizeiführung betroffen. Untersuchungen ergaben, dass diese bereits im Vorfeld der Ermittlungen über Gewaltexzesse innerhalb des Apparates informiert war, ohne entsprechende Maßnahmen einzuleiten bzw. die Innenbehörde in Kenntnis zu setzen.

Rücktritt Innensenator Werner Hackmann

Im Zuge des Hamburger Polizeiskandals trat am 12.09.1994 der damalige Innensenator und oberste Dienstherr der Polizei Hamburg, Werner Hackmann (SPD), von seinem Amt zurück. In seiner Rücktrittserklärung verwies Hackmann u.a. auf den bei der Polizei Hamburg festgestellten „Korpsgeist“, in Verbindung mit einer „Mauer des Schweigens“ und „gelebter Ausländerfeindlichkeit“, der er ihn zum Verzicht seines Amtes bewogen hätte.

PUA „Hamburger Polizei“

Durch die Grün-Alternative Liste (GAL) war bereits im Vorfeld des Rücktritts des Innensenators angekündigt worden, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu beantragen, der die ausländerfeindlichen Übergriffe der Polizei untersuchen sollte. Infolge immer neuer Details und den bereits angenommenen Dimensionen des Skandals, wurde durch die Bürgerschaft (15. Wahlperiode) der „Parlamentarische Untersuchungsausschuss `Hamburger Polizei`“, unter Vorsitz des Staatsrechtlers Ulrich Karpen (CDU), ins Leben gerufen. Der Ausschuss nahm unmittelbar nach dem Rücktritt von Werner Hackmann seine Arbeit auf und stellte im November 1996 seinen 1137 Seiten umfassenden Untersuchungsbericht (Hamburger Bürgerschaft,Drucksache 15/6200) vor. In dem Bericht wurde festgestellt, dass die durch Betroffene geschilderten Sachverhalte keine Einzelfälle waren. Des Weiteren wurde deutlich, dass eine kritische Auseinandersetzung mit Verfehlungen innerhalb des Polizeiapparates, aufgrund der durch den zurückgetretenen Innensenator Hackmann bereits angesprochenen strukturellen Probleme, nahezu unmöglich war. Der Ausschuss empfahl als Ergebnis seiner Untersuchungen die Einrichtung einer externen Kontrollkommission. Durch eine politisch legitimierte, vom Polizeiapparat unabhängige Institution, sollte polizeiliches Handeln zukünftig einer transparenten und objektiven Überprüfung unterzogen werden. Der Vorschlag stellte den bundesweit ersten Versuch dar zu erproben, was z.B. in Kanada unter dem Namen „Police-Complaints-Commission“, „Klachtenbüro“ in Amsterdam oder in Australien unter „Police-Complaints-Authority“ bereits seit Jahren praktiziert wird.

Kommission

Implementierung

Im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen von 1997 einigten sich SPD und GAL in der 16. Wahlperiode auf die Einrichtung der „Hamburger Polizeikommission“, die als offene Anlauf- und Beschwerdestelle fungieren sollte - sowohl für Bürger als auch für Polizisten. Die politische Intention war es, mit einem durch Experten und nicht durch Polizeibeamte besetzten Gremium, Missstände und Fehlentwicklungen innerhalb des Apparates zu erkennen, ohne dabei eine neue Ermittlungsbehörde zu schaffen. Die rechtliche Grundlage der Hamburger Polizeikommission bildete das „Gesetz über die Polizeikommission“, das am 26.6.1998 in Hamburg in Kraft trat. Neben der Berufung, Aufgabenbeschreibung und Darstellung der Befugnisse, war ein wesentlicher Bestandteil des Gesetzes die normierte Unabhängigkeit der Kommission. Infolgedessen war sie weder weisungsgebunden, noch konnten Senat oder Bürgerschaft ihr Aufträge erteilen. Die Kommission war der direkten Rechts- und Dienstaufsicht, nicht aber der Fachaufsicht, des Innensenators unterstellt (§2(2) Gesetz über die Polizeikommission).

Berufung

Die Hamburger Polizeikommission bestand aus drei ehrenamtlichen Mitgliedern, die vom Senat zum 01.09.1998, zunächst für die Dauer von 2 Jahren (für spätere Mitglieder galt gem. §1 (3) Gesetz über die Polizeikommission eine Dauer von 4 Jahren), berufen wurden. Zu den „Gründungsmitgliedern“ gehörten Ralf Heine (Rechtsanwalt, Vorsitzender) auf Vorschlag der SPD, Prof. Dr. Fritz Sack (Soziologe, Kriminologe) auf Vorschlag der GAL, und Ingrid Soehring (Rechtsanwältin) auf Vorschlag der CDU. Als spätere Mitarbeiter wurden zusätzlich Werner Lehne (Psychologe, Kriminologe) und Karen Plath (Rechtsanwältin) benannt. Im Oktober 2000 wurden die Kommissionsmitglieder, durch Heide Deutsch (Oberstaatsanwältin a.D.), Dr. Susanne Krasmann (Kriminologin) und Dr. Martin Lutz (Jurist, Soziologe) ersetzt.

Aufgaben und Befugnisse

Gemäß §2 Abs. 1 Gesetz über die Polizeikommission sollte das Gremium folgende Aufgaben wahrnehmen: „Die Kommission hat die Aufgabe, interne Fehlentwicklungen und daraus folgende Gefährdungen der Einhaltung rechtsstaatlichen Verhaltens der Polizei zu erkennen und darüber zu berichten“. Darüber hinaus sah der "Parlamentarische Untersuchungsausschuss ´Hamburger Polizei´" die speziellen Aufgaben der Kommission unter anderem in der "Überwindung der durch § 163 StPO begünstigten "Mauer des Schweigens" innerhalb der Polizei, die unvoreingenommene Prüfung gemeldeter Vorfälle ohne persönliche Rücksichtnahme, den Schutz aussagewilliger Polizeibeamter gegen Mobbing sowie fallübergreifende Strukturanalyse als Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen […]“. Im Rahmen ihrer Aufgabenstellung hatte die Kommission das Recht auf Auskunft und Einsicht in Unterlagen und Ermittlungsakten bzw. auf unangemeldeten Zutritt aller Polizeidienststellen (§4 Gesetz über die Polizeikommission). Die Kommissionsmitglieder unterlagen ihrerseits während ihrer Amtszeit ausdrücklich nicht dem Strafverfolgungszwang nach der Strafprozessordnung (§1(2) Gesetz über die Polizeikommission). Die Kommission konnte jedoch im Einzelfall dem Innensenator Sachverhalte zur Prüfung und weiteren Veranlassung vorlegen (§5(2) Gesetz über die Polizeikommission).

Arbeitsweise

Die Regelungen zur Organisation der Kommission wurden in ihrer Geschäftsordnung festgehalten. Beschlüsse wurden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst (§3 Gesetz über die Polizeikommission). Die Sitzungen des Gremiums, deren Leitung dem Kommissionsvorsitzenden oblag, sollten einmal monatlich stattfinden und protokolliert werden. Des Weiteren sollte einmal jährlich ein Tätigkeitsbericht (Kommissionsbericht) erstellt und über den Senat der Bürgerschaft vorgelegt werden(§5(1) Gesetz über die Polizeikommission). Publiziert wurde in den Jahren 1999 und 2000 jeweils ein Jahresbericht, der Bericht für das Jahr 2001 entfiel auf Initiative des damaligen Innensenators Schill. Grundsätzlich konnten sich sowohl Polizeibedienstete als auch BürgerInnen mit ihrem Anliegen direkt an die Kommission wenden. Durch diese wurde überprüft, ob und wie der Vorfall im Rahmen der internen Kontrolle strafrechtlich und disziplinarisch bearbeitet wurde. Über die Einzelfallbetrachtung hinaus untersuchte man, ob eine systematische Problematik im Sinne polizeilichen Fehlverhaltens und deren Bearbeitung vorlag und/oder strukturelle Fehlentwicklungen erkennbar waren. Aufgrund ihrer geringen Mitarbeiterzahl, konnte durch die Kommission nur ca. 10%, der durchschnittlich 600 Fälle jährlich dokumentierten, polizeilichen Fehlverhaltens untersucht werden.

Berichtsperioden 1999-2001

Jahresbericht 1999

In der ersten Berichtsperiode gelangten insgesamt 61 Beschwerdefälle der Kommission zur Kenntnis, davon 47 von Bürgern und 14 aus den Reihen der Polizei. Von diesen gehörten 45 Fälle in den Zuständigkeitsbereich der Polizeikommission, 4 waren Grenzfälle, 13 Fälle betrafen nicht das Aufgabengebiet. In dieser Berichtsperiode wurde u.a. ein innerpolizeilicher Konflikt als so gravierend durch die Kommission eingestuft, dass sie erstmals direkt an den damaligen Innensenator Hartmuth Wrocklage, Nachfolger von Werner Hackmann, herantrat. Es handelte sich um einen Fall von sexueller Belästigung verbaler und physischer Art, der von der Polizeiführung kaschiert, bagatellisiert und vertuscht wurde. Aus Sicht der Polizeikommission war der Vorgang gekennzeichnet von stereotyper Wiederholung gleicher Verhaltens- und Argumentationsmuster und ließ deshalb den Schluss auf ein strukturell verankertes Fehlverhalten zu. Durch die Polizeikommission erging an die Verantwortlichen die Anregung, zusammen mit dem Personalrat die Dienstvereinbarung zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz nachzubessern. Vorfälle sexueller Belästigung sollten detaillierte dokumentiert werden und Entscheidungen zu disziplinären Maßnahmen nachprüfbar begründet sein.

Jahresbericht 2000

Im Jahr 2000 wurden 70 Beschwerdefälle an die Kommission herangetragen. Neben Problemen in der Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen und internen Mobbing-Vorwürfen, wurde durch die Kommission ein tödlicher Schusswaffengebrauch durch das Mobile Einsatzkommando besonders hervorgehoben. Nach einer eingehenden Untersuchung des Sachverhaltes gelangte die Kommission zu der Ansicht, dass die Tötung des zu Unrecht als Dealer verdächtigten Bürgers, hätte vermieden werden können.

Jahresbericht 2001

Im Jahr 2001 wurde infolge ihrer vorzeitigen Auflösung kein Jahresbericht durch die Kommission veröffentlicht. Bis zum Zeitpunkt ihrer Auflösung waren bereits 136 Fälle von den Mitgliedern für das Jahr 2001 erfasst worden. Durch die Kommission wurden am Ende ihrer Amtszeit lediglich folgende Empfehlungen an die Behördenleitung ausgesprochen:

- Schaffung einer Mobbing-Dienstvereinbarung,

- Einrichtung eines Fonds für freiwillige Entschädigungszahlungen,

- Anwendung polizeilicher Maßnahmen wie Festnahmen, Fesselungen oder Durchsuchung nur in unvermeidlichen Fällen.

Kritik

Schon zu Beginn ihrer Arbeit stieß die Hamburger Polizeikommission auf Kritik. Politische Parteien (CDU, PRO), Gewerkschaften (DPolG, GdP) und Teile der öffentlichen Presse (BILD) zeigten offen ihre Ablehnung ggü. der Kommission und zweifelten ihre Legitimation an. Dabei ist hervorzuheben, dass sich zum Ende der 16. Wahlperiode auch die SPD in den Medien von der Hamburger Polizeikommission distanzierte. Als Kernkritik wurde durch die unterschiedlichen Lager angeführt, dass die Kommission als eigenständige Kontrollinstitution eine unbegründete Misstrauenserklärung gegenüber der Polizei und ihren Bediensteten darstellen würde. Die Arbeitsweise des Gremiums wurde u.a. als diffamierend, die Berichte als substanz- und haltlos bezeichnet. Im Laufe ihrer ehrenamtlichen Amtszeit mehrten sich ferner Stimmen aus den Reihen der Mitglieder, die das hohe Arbeitspensum der Kommission mit einem Ehrenamt als nicht mehr zu vereinbaren ansahen.

Auflösung

Im September 2001 kam es im Rahmen der Bürgerschaftswahl zur Abwahl der bisherigen rot-grünen Regierungskoalition und Bildung einer Koalition aus CDU, PRO und FDP. Die durch den neuen Innensenator Schill (PRO) bereits im Wahlkampf geforderte Abschaffung der Polizeikommission erfolgte unmittelbar nach dessen Amtsantritt, im November 2001.

Quellen

  • Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1998/ Nr.20, 24.Juni 1998, Gesetz über die Polizeikommission [Hrsg.](06/2000), Druck Lütcke & Wulff
  • Freie und Hansestadt Hamburg, PUA Abschlussbericht „Hamburger Polizei“, Parlamentarische Informationsdienste/ Parlamentsdokumentation (Hamburger Bürgerschaft Drucksache 15/6200 vom 13.11.1996)
  • Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Inneres -Polizei-, Polizeibericht 1998, [Hrsg.](10/1999), Druck Lütcke & Wulff
  • Freie und Hansestadt Hamburg, Hamburger Polizeikommission [Hrsg.](10/1999): Polizeikommission Jahresbericht 2000, 55 Seiten, Amt für Geoinformation und Vermessung (Druck)
  • Freie und Hansestadt Hamburg, Hamburger Polizeikommission [Hrsg.](10/2000): Polizeikommission Jahresbericht 2000, 82 Seiten, Amt für Geoinformation und Vermessung (Druck)
  • POLIZEI –heute, 2/ 06 Herrnkind, Martin (2006): Was der Whistleblower von den Kollegen zu erwarten hat


Literatur

  • Karlhans Liebl (Hrsg.)(2004), Empirische Polizeiforschung V, Fehler und Lernkultur in der Polizei, Verlag für Polizeiwissenschaft, ISBN 9783935979450, Frankfurt/M
  • Martin Herrenkind, Sebastian Scheerer (Hrsg.)(2003) Hamburger Studien zur Kriminologie und Kriminalpolitik, Band 31, Die Polizei als Organisation mit Gewaltlizenz – Möglichkeiten der Grenzen und Kontrolle , Lit-Verlag, ISBN 3825865169, Münster


Weblinks