Gustav Radbruch: Unterschied zwischen den Versionen
keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Gustav Radbruch (* 21. November 1878 in Lübeck; † 23. November 1949 in Heidelberg) war Reichsjustizminister in der Weimarer Republik und | Gustav Radbruch (* 21. November 1878 in Lübeck; † 23. November 1949 in Heidelberg) war ein deutscher Rechtswissenschaftler, Strafrechtsreformer und Reichsjustizminister in der Weimarer Republik. Sein rechtsphilosophischer Relativismus begründete für ihn die Privilegierung von "Überzeugungstätern" (z.B. durch Festungshaft statt Gefängnis oder Zuchthaus). Darüber hinaus stand er dem Strafrecht und der Kriminalstrafe skeptisch gegenüber. Das "unendliche Ziel" der Kriminalpolitik war für ihn "nicht die Verbesserung des Strafrechts, sondern der Ersatz des Strafrechts durch Besseres, durch ein 'Besserungs- und Bewahrungsrecht'" (1969: 150f.). | ||
== Leben == | |||
Der in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aufgewachsene Gustav Radbruch war ein sehr guter Schüler (Klassenprimus) und erfolgreicher Jurastudent (München, Leipzig, Berlin). Der Schüler Franz v. Liszts legte 1901 das Erste Staatsexamen ab, wurde 1902 mit einer Arbeit über die adäquate Verursachung (magna cum laude) promoviert und habilitiert sich 1903 in Heidelberg mit einer Arbeit zum strafrechtlichen Handlungsbegriff. Während seiner Zeit als Privatdozent in Heidelberg gehörten zu seinen Freunden u.a. Karl Jaspers, Emil Lask und Hermann Kantorowicz. Der Kreis um Max Weber brachte ihm zudem den Neukantianismus nahe. Nach einer Zeit als Lehrbeauftragter an der Handelshochschule in Mannheim (ab 1906) und einer bereits nach einem Jahr wieder geschiedenen Ehe (die 1915 eingegangene zweite war erfolgreicher) folgten zwei außerordentliche Professuren (Heidelberg 1910, Königsberg 1914)und die freiwillige Teilnahme am Ersten Weltkrieg (1915-1918). | |||
Von 1919 bis 1926 wirkte Radbrauch als ordentlicher Professor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. | |||
Radbruch war Mitglied der SPD und für diese von 1920 bis 1924 Abgeordneter des Reichstags. Mit einem Versuch zur Reform des Abtreibungsparagraphen des Strafgesetzbuchs (Drei-Monats-Fristenlösung), den er mit 54 weiteren Mitgliedern der SPD-Fraktion am 31.7.1920 einbrachte, war er seiner Zeit weit voraus.[1] | |||
Zweimal war Radbruch als Justizminister tätig: von Oktober 1921 bis November 1922 (Kabinett Wirth) und von August bis November 1923 (Kabinett Stresemann). In seine Amtszeit fällt die Ausarbeitung des durch die Ermordung Rathenaus veranlassten Republikschutzgesetzes ebenso wie der Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs (1922).[2] Radbruch wollte die Vergeltungsstrafe abschaffen und durch eine Besserungsstrafe ersetzen. Er war deshalb gegen die Todesstrafe und das Zuchthaus. Die Resozialisierung wurde neben der Sicherung zum Hauptziel der Strafe erklärt. In der Weimarer Republik wurde der Entwurf nur eingeschränkt umgesetzt, er gewann dann aber für die Strafrechtsentwicklung der jungen Bundesrepublik an Bedeutung.[3] Eine dritte Minister-Berufung lehnte Radbruch ab. Er folgte 1925 einem Ruf nach Heidelberg, wo zu seinen StudentInnen auch Anne-Eva Brauneck gehörte, die später die erste deutsche Professorin für Strafrecht wurde. | |||
Am 8. Mai 1933 wurde Radbruch als erster deutscher Professor aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" aus dem Staatsdienst entlassen. | |||
Seine Reaktion bestand in der Befassung mit der Rechtsgeschichte. 1934 erschien in Wien seine Biographie des Paul Johann Anselm Feuerbach. Eine Lehrtätigkeit im Ausland wurde ihm nicht gestattet. Aber von 1935 bis 1936 durfte er sich zu Studien an das University College nach Oxford begeben. Als wissenschaftliche Frucht dieses Englandaufenthalts entstand das Werk Der Geist des englischen Rechts, das erst 1946 erscheinen durfte. Bei einem Skiunfall verunglückte Radbruchs Tochter Renate 1939 tödlich, sein Sohn Anselm fiel drei Jahre später bei der Schlacht um Stalingrad. | |||
Wiederaufbau und Tod [Bearbeiten] | Wiederaufbau und Tod [Bearbeiten] | ||
Zeile 53: | Zeile 16: | ||
Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 nahm er seine Lehrtätigkeit in Heidelberg wieder auf. Als Dekan leitete er den Wiederaufbau der Juristischen Fakultät. Gesundheitlich war er bereits stark geschwächt. Durch zahlreiche Aufsätze beeinflusste er noch nachhaltig die Entwicklung des deutschen Rechts. Im Alter von 71 Jahren verstarb er an den Folgen eines Herzinfarkts. | Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 nahm er seine Lehrtätigkeit in Heidelberg wieder auf. Als Dekan leitete er den Wiederaufbau der Juristischen Fakultät. Gesundheitlich war er bereits stark geschwächt. Durch zahlreiche Aufsätze beeinflusste er noch nachhaltig die Entwicklung des deutschen Rechts. Im Alter von 71 Jahren verstarb er an den Folgen eines Herzinfarkts. | ||
Werk | == Werk == | ||
Schon 1910 erschien Radbruchs Einführung in die Rechtswissenschaft. Bereits dieses Buch wurde in viele Sprachen übersetzt. Sein Hauptwerk erschien zunächst 1914 unter dem Titel Einführung in die Rechtsphilosophie. Es wurde dann 1932 grundlegend überarbeitet und als Rechtsphilosophie veröffentlicht. | Schon 1910 erschien Radbruchs Einführung in die Rechtswissenschaft. Bereits dieses Buch wurde in viele Sprachen übersetzt. Sein Hauptwerk erschien zunächst 1914 unter dem Titel Einführung in die Rechtsphilosophie. Es wurde dann 1932 grundlegend überarbeitet und als Rechtsphilosophie veröffentlicht. |