Guantanamo

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Der Name einer Stadt und Provinz sowie einer Bucht auf der Karibikinsel Kuba - Guantanamo - wurde weltbekannt als Bezeichnung für ein Gefangenenlager, das die USA im Rahmen des War on Terror auf dem Gelände ihres Stützpunktes auf dieser Karibikinsel - der Guantanamo Bay Naval Base - einrichteten und bis heute unterhalten. Das aus mehreren Teilbereichen bestehende Gefangenenlager von Guantanamo wird von einer speziellen Task Force der US-Streitkräfte betrieben. Der Philosoph Giorgio Agamben sieht Guantanamo als Symbol für den Ausnahmezustand und die Reduzierung des Menschen im rechtlosen Raum des Lagers auf das "nackte Leben".

Geschichte

Das Röntgenlager (2001-2002)

Die Arbeit am ersten provisorischen Lager, dem "Röntgenlager" Camp X-Ray, begann im Dezember 2001. Als am 11.01.2002 die ersten 20 Gefangenen im Guantanamo Bay Detention Camp (auch: GTMO; Gitmo) eintrafen, kamen sie in Drahtkäfige von ca. 2,5 x 2,5 Metern Größe. Die Gefangenen, deren Zahl bald auf 300 meist in Pakistan oder Afghanistan gefangene Personen anwuchs, mussten ihre Notdurft innerhalb der Käfige verrichten (Duschen gab es nur außerhalb). Die ersten Fotografien der hinter Maschen- und Stacheldraht in orangenen Anzügen und mit verbundenen Augen vor schussbereiten Soldaten knieenden Gefangenen erlangten weltweite Symbolkraft. Mit der Verlegung der Gefangenen in das mit Zellenblöcken mit Metallwänden ausgerüstete Camp Delta wurde das Röntgenlager Ende April 2002 geschlossen.

Das Delta-Lager (mit Echo-Lager, Iguana-Lager u.a.)

Das 2002 errichtete Delta-Lager, bestehend aus Haftlagern 1-6, dem Platin-Lager, dem Iguana-Lager, der psychiatrischen Abteilung, dem Echo-Lager und dem Lager No, ist ein permanentes Haftlager mit einer Art Stufenvollzug, wobei die Kooperation mit Wach- und Verhörpersonal über die Qualität der Unterbringung entscheidet.

Lager 3 (Höchstsicherheit) ist für die Neuankömmlinge. Von dort geht es für die kooperativen Gefangenen zuerst ins Lager 2 und dann 1. Wer zudem noch als ungefährlich eingestuft wird, kommt ins Lager 4, wo die Häftlinge einige Privilegien genießen. Sie tragen weiße Kleidung, verfügen über ein eigenes Bett und einen schmalen Schrank, können ihre Mahlzeiten in einem Gemeinschaftsraum (für je 10 Häftlinge) zusammen mit anderen Gefangenen einnehmen und haben das Recht auf kleine Ergänzungen zu ihren Essensrationen sowie auf längere Zeiten zum Duschen und für körperliche Bewegung.


Das nach einem maximum security Gefängnis in Terre Haute, Indiana, gebaute und im Jahre 2004 eröffnete Lager 5 dient der Unterbringung von bis zu 100 nicht-kooperativen (non-compliant) Gefangenen und war im September 2006 etwa halb voll. Das US-Verteidigungsministerium berichtete, dass sich Mohammad Ahmed Abdullah Saleh Al Hanashi am 1. Juni 2009 in Lager 5 suizidierte.


Lager 6 wurde nach dem Vorbild von US Federal medium-security penitentiaries gebaut: individuelle Zellen um eine Gemeinschaftsfläche herum, auf der sich die Gefangenen während eines Teils des Tages gemeinsam aufhalten können sollten. Noch während der Bauzeit wurde beschlossen, dass die Gefangenen keine Zeit gemeinsam verbringen sollten. So wurde Lager 6 zur maximum security Einrichtung. Im April 2010 zeigte ein Photobericht im "Guardian" ein TV-Gerät auf der Gemeinschaftsfläche. Häftling wurden am Fußboden angekettet, während sie ihre als Privileg gewährte Fernsehzeit genossen.

Das kleine und "ultra-sichere" Lager 7 (auch Platin-Lager genannt), dessen Existenz zwei Jahre lang geheimgehalten wurde, war das Aufnahmelager für die am 5./6. September 2006 von geheimer CIA-Haft in Militärhaft auf Guantanamo überstellten 14 "hochwertigen" Häftlinge, die Kapuzen tragen müssen, wenn sie in andere Teile des Lagers geführt werden. Mit der Begründung, dass die genaue Lage von Lager 7 nicht bekannt werden dürfe, wurde Anwälten der Zugang zu Lager 7 lange Zeit verwehrt. Erst als Anwälte (Suzanne Lachelier, Richard Federico) anboten, dieselben Kapuzen zu tragen, wurde ihnen Zugang erlaubt. Sie wurden in fensterlosen Transportwagen gefahren, so dass die Geheimhaltung aufrechterhalten wurde. Am 04.02.2009 schrieb Chief Military Defense Counsel Peter Masciola: "...To date, only one HVD attorney team has been permitted to inspect Camp Platinum; attorneys from such team assert that conditions of confinement may well be in violation of the law and current directives of the EO [Executive Order 13492]."


Nach fünf Jahren (11.01.2006) gab es rund 500 Gefangene.

Dass sich zwischen dem 18. und 26. August 2003 23 Gefangene zum Suizid durch Erhängen entschlossen hatten, kam erst 2005 heraus, als das Pentagon erklärte, die Gefangenen hätten den Betrieb "stören" und eine neue Gruppe von Sicherheitskräften "herausfordern" wollen. Menschenrechtsorganisationen wiesen darauf hin, dass der Vorfall sich nach der Amtsübernahme von Generalmajor Geoffrey Miller ereignet hatte, der den Auftrag erhalten hatte, mehr Informationen aus den Gefangenen herauszuholen. Der Rote Kreuz kommentierte, dass Häftlinge aufgrund der Ungewissheit über ihre Haftdauer psychisch krank seien (FAZ 26.01.05: 2; Pentagon bestätigt kollektive Suizidversuche).

2009 wurde ein streng vertraulicher 43-Seiten-Bericht des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) vom Februar 2007 internet-öffentlich. 780 Männer waren insgesamt interniert gewesen. Sie kamen aus Dutzenden von Staaten. Im April 2009 befanden sich dort noch ca. 240 Gefangene. Die Bush-Regierung hatte 60-80 davon anklagen wollen. Weitere 60 galten z.T. seit langer Zeit nicht mehr als gefährlich und sollten freigelassen werden. 105-125 sollten ohne Anklage interniert bleiben. Militärankläger hatten 21 Anklageschriften vorbereitet. Der IKRK-Bericht betraf 14 sog. Platinum-Gefangene, mit denen Gespräche geführt worden waren, also mutmaßliche Planer von großen Attentaten einschließlich des 11.09.2001. Die 14 Gefangenen um Khalid Scheich Mohammed und Ramzi Binalshib waren vom 6.-11.10. und 4.-14.12.2006 in Guantánamo vernommen worden. Sie waren auf Geheiß von Präsident Bush im September 2006 von verschiedenen CIA-Gefängnissen nach Guantánamo geflogen worden. Das IKRK hielt die Aussagen der Gefangenen für glaubwürdig. Das IKRK kritisierte in dem Bericht die Hilfe von Medizinern bei Misshandlungen: "Die Gefangenen hätten übereinstimmend berichtet, dass medizinische Kräfte teilweise oder ständig anwesend waren, als sie von ihren Vernehmern geschlagen wurden oder ihr Kopf gegen die Wand gehämmert wurde, als sie mit den Armen an die Decke ihrer Zelle gekettet, nackt ausgezogen, in Kisten eingeschlossen sowie Hunger, extremer Kälte, lauter Musik und fortgesetztem Schlafentzug ausgesetzt wurden. Teilweise hätten die Mediziner direkt bei den Misshandlungen assistiert, etwa beim simulierten Ertränken (Waterboarding), über das drei der 14 Gefangenen berichteten" (Rüb 2009).

Während der Tortur von Khalid Scheich Mohammeds wurden der Sauerstoffgehalt seines Blutes und sein Puls gemessen. Mediziner drohten einem anderen Häftling, dass seine ärztliche Versorgung von seiner Zusammenarbeit mit den Vernehmungsbeamten abhänge. "In manchen Fällen habe das medizinische Personal Anweisungen gegeben, mit den „harschen“ Verhören „fortzufahren, Methoden zu korrigieren oder diese einzustellen“. Der Gefangene Wald bin Attasch berichtet, während er mit den Armen an der Decke seiner Zelle angekettet gewesen sei und sein linker Fuß den Boden kaum berührt habe (Attaschs rechter Unterschenkel wurde wegen einer früheren Verletzung amputiert), habe offenbar ein Arzt den Umfang seines Knöchels regelmäßig gemessen und das Ende der Tortur angeordnet, als die Schwellung offenbar bedrohliche Ausmaße angenommen hatte" (Rüb 2009).

"Übereinstimmend berichten die Gefangenen, sie hätten während ihres Fluges nach Guantánamo von den CIA-Geheimgefängnissen an unbekannten Orten, der zwischen drei und 30 Stunden gedauert habe, Windeln tragen müssen, weil sie die Toiletten nicht hätten aufsuchen dürfen. Während des gesamten Fluges seien sie angekettet sowie an Händen und Füßen gefesselt gewesen, zudem habe man ihnen die Augen verbunden und auf die Ohren schalldichte Kopfhörer gesetzt, aus denen teilweise leise Musik zu hören gewesen sei. Alle 14 Gefangenen berichteten, sie seien nach ihrer Festnahme zwischen März 2002 und Mai 2005 mehrere Tage bis zu einem Monat lang in dem betreffenden Land - in neun Fällen Pakistan - festgehalten worden, ehe man sie mehrfach zu unterschiedlichen Geheimgefängnissen an verschiedenen Orten in jeweils wohl anderen Staaten geflogen habe" (Rüb 2009).

Ära Obama

Bezug zu Deutschland

Literatur

  • Willemsen, Roger (2007) Hier spricht Guantanamo. Frankfurt: Fischer.

Links