Gezielte Tötung: Unterschied zwischen den Versionen

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Während im alltagssprachlichen Verständnis jede absichtliche Auslöschung von nicht-pflanzlichem Leben (z.B. der Schuss des [https://en.wikipedia.org/wiki/Cecil_%28lion%29 Jägers auf einen Löwen]) als '''gezielte Tötung''' bezeichnet werden kann, versteht man unter dem Fachbegriff "[[Targeted Killing]]" eine Methode des bewaffneten Kampfes, die in der Liquidierung von (hinreichend individualisierten) Feinden mittels geplanter Einzelaktionen besteht. Dies kann durch Scharfschützen (Heckenschützen, sniper), durch Killer-Kommandos oder auch durch unbemannte [[Killer-Drohne|Killer-Drohnen]] (z.B. Predator) erfolgen.
Während im alltagssprachlichen Verständnis jede absichtliche Auslöschung von nicht-pflanzlichem Leben (z.B. der Schuss des [https://en.wikipedia.org/wiki/Cecil_%28lion%29 Jägers auf einen Löwen]) als '''gezielte Tötung''' bezeichnet werden kann, versteht man unter dem Fachbegriff "[[Targeted Killing]]" eine Methode des bewaffneten Kampfes, die in der Liquidierung von entweder individualisierten oder namentlich nicht identifizierten, aber allgemein als geeignete Zielpersonen eingeschätzten Personen oder Personengruppen mittels geplanter Einzelaktionen besteht. Im letztgenannten Fall spricht man von [[Signature Strike|signature strikes]].  


Als staatliche Praxis mit Legitimitäts- und Legalitätsanspruch werden gezielte Tötungen hauptsächlich - und seit 2001 immer häufiger - von Israel und den USA angewandt. Aufgrund des Einflusses dieser beiden Staaten auf die Rechtsauffassung wird die Kritik an gezielten Tötungen, die sie einst einhellig als rechtswidrige Akte zu verurteilen pflegte, immer leiser. Seit 2015 scheint die normative Kraft des Faktischen ([[Georg Jellinek)]] die Oberhand zu gewinnen.  
Für gezielte Tötungen kann man sich speziell ausgebildeter Scharfschützen (Heckenschützen, sniper) oder Killer-Kommandos bedienen. Häufiger werden neuerdings Raketen aus der Luft abgefeuert: sei es von Apache-Kampfhubschraubern oder von Predator- oder Reaper-[[Killer-Drohne|Drohnen]].  


Den Anspruch, dass gezielte Tötungen nicht als Mord, sondern als legitimes Mittel staatlicher Anti-Terror-Politik anzusehen seien, erhob zuerst die Regierung Israels unter Ariel Scharon. Während die USA diese Politik zunächst noch als illegal und illegitim kritisierten, schwenkten sie nach dem 11.09.2001 erst de facto und dann de jure auf die israelische Linie ein.
Den Umschlagspunkt markierte das Jahr 2012. Schon im September 2011 waren mit Anwar al-Awlaki und seinem 16-jährigen Sohn die ersten US-Bürger per Drohne gezielt getötet worden. Am 30.04.2012 umriss John O. Brennan als Assistant to the President for Homeland Security and Counterterrorism die Politik der gezielten Tötung. In seiner Rede über "The Ethics and Efficacy of the President's Counterterrorism Strategy" gab Brennan erstmals die Tötung von Al-Kaida-Mitgliedern durch Drohnenangriffe der USA zu.
Das war Tage, nachdem Präsident Obama die CIA und JSOC ermächtigt hatte, auch Ziele lediglich aufgrund ihrer Verhaltensmuster anzugreifen ("signature strikes").
In seiner Rede konnte Brennan auf Überlegungen von Hongju Koh und Eric Holder sowie Jeh Johnson und Obama selbst aufbauen, der den Einsatz von Drohnen außerhalb von "heißen Kampfplätzen" wie Afghanistan ausdrücklich erlaubt hatte.
Als staatliche Praxis mit Legitimitäts- und Legalitätsanspruch werden gezielte Tötungen hauptsächlich - und seit 2001 immer häufiger - von Israel und den USA angewandt. Aufgrund des Einflusses dieser beiden Staaten auf die Rechtsauffassung wird die Kritik an gezielten Tötungen, die sie einst einhellig als rechtswidrige Akte zu verurteilen pflegte, immer leiser. Seit 2015 scheint die normative Kraft des Faktischen [[Georg Jellinek) die Oberhand zu gewinnen. Subtile Steuerungen des rechtlichen Diskurses ("lawfare") können diesen Prozess unterstützen. Im Grunde genügt aber die langfristige Praxis durch mächtige Akteure. In den Worten des hochrangigen israelischen Militärjuristen Daniel Reisner aus dem Jahre 2009:
:"If you do something for long enough, the world will accept it. The whole of international law is based on the notion that an act that is forbiddeen today becomes permissible if execjuted by enough countries."
Semantische Veränderungen zeigen die Art des Wandels in der Rechtsauffassung.  
Semantische Veränderungen zeigen die Art des Wandels in der Rechtsauffassung.  


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:[http://www.tagesspiegel.de/medien/folter-made-in-usa-die-dunkle-seite-der-macht/4305996.html Beschränkungen für Geheimdienste dürfe es nicht geben]. Nun ist es in der Geschichte etwa der CIA immer recht schattig zugegangen. Doch die Regierung von George W. Bush hatte sich im „Krieg gegen den Terror“ durch ein besonders trauriges Beispiel von Schreibtischtäterei hervorgetan: der Legalisierung von Folterpraktiken. Man kann es auch so sehen wie CIA-Agent Michael Scheuer. Der antwortet im Film „Folter – Made in USA“ auf die Frage, ob „Waterboarding“, also das simulierte Ertränken, Folter sei: „Natürlich nicht. Es war vom Präsidenten genehmigt und von US-Juristen gebilligt." Im Frühjahr 2009 hatte US-Präsident Obama den Agenten und Verhörspezialisten Straffreiheit zugesichert, aber zugleich zahlreiche Regierungsdokumente freigegeben. Insofern enthüllt der Dokumentarfilm von Marie-Monique Robin keine Neuigkeiten. Die Memos der Juristen im Pentagon, im Justizministerium und im Weißen Haus liefen 2003 auf eine von Verteidigungsminister Rumsfeld unterzeichnete Liste empfohlener Verhörtechniken hinaus. Spätestens seit ihrer Veröffentlichung sechs Jahre später war klar, dass die Fotos aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib von 2004 nicht durchgeknallte Einzeltäter zeigten, sondern eine von oben abgesegnete Praxis.
:[http://www.tagesspiegel.de/medien/folter-made-in-usa-die-dunkle-seite-der-macht/4305996.html Beschränkungen für Geheimdienste dürfe es nicht geben]. Nun ist es in der Geschichte etwa der CIA immer recht schattig zugegangen. Doch die Regierung von George W. Bush hatte sich im „Krieg gegen den Terror“ durch ein besonders trauriges Beispiel von Schreibtischtäterei hervorgetan: der Legalisierung von Folterpraktiken. Man kann es auch so sehen wie CIA-Agent Michael Scheuer. Der antwortet im Film „Folter – Made in USA“ auf die Frage, ob „Waterboarding“, also das simulierte Ertränken, Folter sei: „Natürlich nicht. Es war vom Präsidenten genehmigt und von US-Juristen gebilligt." Im Frühjahr 2009 hatte US-Präsident Obama den Agenten und Verhörspezialisten Straffreiheit zugesichert, aber zugleich zahlreiche Regierungsdokumente freigegeben. Insofern enthüllt der Dokumentarfilm von Marie-Monique Robin keine Neuigkeiten. Die Memos der Juristen im Pentagon, im Justizministerium und im Weißen Haus liefen 2003 auf eine von Verteidigungsminister Rumsfeld unterzeichnete Liste empfohlener Verhörtechniken hinaus. Spätestens seit ihrer Veröffentlichung sechs Jahre später war klar, dass die Fotos aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib von 2004 nicht durchgeknallte Einzeltäter zeigten, sondern eine von oben abgesegnete Praxis.
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Unmittelbar nach 09/11, am 21.09. 2001 legalisierte Präsident George W. Bush den gezielten Einsatz von Killerdrohnen: "President George W. Bush signed a secret 'Memorandum of Notification" giving the CIA carte blanche to hunt down and kill high-value Targets in the al-Qaeda leadership. Bush also approved a list of about two dozen people whom the CIA was authorized to kill or capture without further presidential Review and allowed the Addition of names to that list with no permission necessary. On the day he signed the document, Bush spoke with Reporters at the Pentaton saying: 'I want justice, and there's an old poster out West, as I recall, saying WANTED, DEAD OR ALIVE'. Reporting on the presidential 'kill list', the New York Times noted: ' Despite the authority given to the agency, Mr. Bush has not waived the executive order banning assassinations, officials said. The presidential authority to kill terrorists defines operatives of Al Qaeda as enemy combatants and thus legitimate targets for lethal force".
 
Die erste Killer-Drohne wurde am 1. Oktober 2001 in Afghanistan eingesetzt; sie galt einem Toyoto Corolla, in dem man den Taliban-Führer Mullah Omar vermutete. Sie traf letztlich ein anderes Fahrzeug. November 2001: die erste Tötung eines "hochwertigen" Ziels, Mohammed Atef, Schwiegersohn von Osama Bin Laden, gemeinsam mit sieben weiteren Personen, in Jalalabad, Afghanistan. Am 3.11.2002: Drohnentötung von Salim Sinan al-Harithi, einem Al-Quaida-Führer im Jemen. "It was the first assassination by drone in a country with which the United States was not at war (unlike the Afghan hits). In the more innocent days this was cause for shock to many People, including Asma Jahandir, the UN Special rapporteur on extrajudial, summary, or arbitrary executions, who thought the development 'truly disturbing'". Tatsächlich hat sie in ihrem Report vom 13.01.2003 als "clear case of extrajudicial killing" bezeichnet.
 
2004: Scheich Yassin.
 
September 2011: "Hassprediger" Anwar al Awlaki "killed by a CIA drone" im Yemen.
 
Early one morning in September 2011, Abdulrahman set out from our home in Sana by himself. He went to look for his father, whom he hadn’t seen for years. He left a note for his mother explaining that he missed his father and wanted to find him, and asking her to forgive him for leaving without permission.
 
A couple of days after Abdulrahman left, we were relieved to receive word that he was safe and with cousins in southern Yemen, where our family is from. Days later, his father was targeted and killed by American drones in a northern province, hundreds of miles away. After Anwar died, Abdulrahman called us and said he was going to return home.
 
That was the last time I heard his voice. He was killed just two weeks after his father.
 
A country that believes it does not even need to answer for killing its own is not the America I once knew. From 1966 to 1977, I fulfilled a childhood dream and studied in the United States as a Fulbright scholar, earning my doctorate and then working as a researcher and assistant professor at universities in New Mexico, Nebraska and Minnesota.
 
I have fond memories of those years. When I first came to the United States as a student, my host family took me camping by the ocean and on road trips to places like Yosemite, Disneyland and New York — and it was wonderful.
 
After returning to Yemen, I used my American education and skills to help my country, serving as Yemen’s minister of agriculture and fisheries and establishing one of the country’s leading institutions of higher learning, Ibb University. Abdulrahman used to tell me he wanted to follow in my footsteps and go back to America to study. I can’t bear to think of those conversations now.
 
After Anwar was put on the government’s list, but before he was killed, the American Civil Liberties Union and the Center for Constitutional Rights represented me in a lawsuit challenging the government’s claim that it could kill anyone it deemed an enemy of the state.
 
The court dismissed the case, saying that I did not have standing to sue on my son’s behalf and that the government’s targeted killing program was outside the court’s jurisdiction anyway.
 
After the deaths of Abdulrahman and Anwar, I filed another lawsuit, seeking answers and accountability. The government has argued once again that its targeted killing program is beyond the reach of the courts. I find it hard to believe that this can be legal in a constitutional democracy based on a system of checks and balances.
 
The government has killed a 16-year-old American boy. Shouldn’t it at least have to explain why?
 
"Over fifteen days in the summer of 2013 the United States hit Yemen with nine strikes, killing as many as forty-nine people, including up to seven civilians, three of whom were children." Clearly in 2013 "things had come a very long way since George Bush had begun crossing out names in the list he kept in his desk drawér. A well-funded bureaucratic mechanism to service the 'Disposition matrix' as the kill list had been euphemistically relabeled, was centred at the national Counterterrorism Center, whose 500-strong staff was charged with, among other things, collating the various lists crafted by the CIA and JSOC and others. (As noted, the president liked to have the very last word. 'Turns out I'm really good at killing People,' he remarked the day Awlaki dies. "Didn't know that was gonna be a strong suit of mine'.)




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