Geschlossene Unterbringung (Heimerziehung): Unterschied zwischen den Versionen

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5. Aktuelles
5. Aktuelles
Exemplarisch mögen die beiden folgenden Beispiele aus der Praxis die Herausforderungen veranschaulichen, mit denen die "geschlossene Heimunterbringung" immer wieder zu tun hat. Bei dem sog. "Rodalben - Fall" geht es um den gewaltsamen Tod der Erzieherin Christina K. im Jugendheim "Mühlkopf" im rheinland - pfälzischen Rodalben. In der Nacht zum 21. November 2003 war die 26jährige von drei jugendlichen Heiminsassen überwältigt und erstochen worden. Die Urteile des Landgerichtes Zweibrücken, wonach zwei der Angeklagten zu jeweils acht Jahren und einer zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt wurden, bestätigte der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes im Revisionsverfahren. Folglich sind die Urteile seit dem 10. März und dem 26. April 2005 rechtskräftig.
Im Zuge konservativer Machtübernahme und eines damit einhergehenden jugendpolitischen Paradigmenwechsels in der Freien und Hansestadt Hamburg wurde die "geschlossene Heimunterbringung" wieder eingeführt. Seitdem steht der Name "Feuerbergstraße" für ein Symbol reaktionärer Kinder - und Jugendpolitik. Fachleute äußern erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität dieser Einrichtung; spezifische schwere Verstöße gegen Grundrechte, wie z.B. das unerlaubte Öffnen der für die Zöglinge bestimmten Post und das rechtswidrige Einsperren und Festhalten nach Fristablauf des einschlägigen Einweisungsbeschlusses sowie die Betreuung oder besser: Verwahrung durch Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen (securitas) an Stelle von Pädagogen werden regelmäßig kritisiert. Zahlreiche Ausbrüche sind dokumentiert, Gewalt dürfte den Alltag und das soziale Miteinander bestimmen. Insbesondere scheint die Verhängung von Einzelhaft mit weitgehender Isolation auch schon von Kindern (13 Jahre) einen Tiefpunkt an Menschenverachtung und auch Konzeptionslosigkeit widerzuspiegeln. Zur Zeit beschäftigt sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuß mit den Vorgängen in dem geschlossenen Heim "Feuerbergstraße". Das Interesse der Öffentlichkeit scheint jedoch eher gering zu sein, so daß davon auszugehen ist, daß die Verantwortlichen ihren jugendpolitischen Kurs in dieser Frage beibehalten werden.
An dieser Stelle soll zwar keineswegs versucht werden, das Phänomen der Gewalt zu erlären oder zu rechtfertigen, weil es dafür zu vielschichtig ist; doch ist darauf hinzuweisen, daß die Auseinandersetzung und Problematisierung derartiger gewalttätiger Exzesse wie im Jugendheim "Mühlkopf" in Rodalben und auch der Entweichungen und Fluchtversuche in der Feuerbergstraße zunehmend einseitig unter dem Aspekt von Sicherheitsvorkehrungen geschieht. Demzufolge reduziert sich die Frage nach geeigneten Präventionsmaßnahmen darauf, ob die Mauern hoch genug und die Fenster und Türen fest verschlossen seien. Nach psychischen Ursachen, die in der Tiefe der Seele eines Kindes oder Jugendlichen verborgen sind, zu fragen, ist wohl nicht mehr zeitgemäß. Viele Heiminsassen sind seit Beginn ihres Lebens mindestens vernachlässigt, mit Liebesentzug bedacht oder gar mißhandelt worden. Führt eine geschlosene Unterbringung zu weiteren Erfahrungen von Ausgrenzung, Schuld, Mißachtung und Gewalt, so kann auch nicht erwartet werden, daß die Zöglinge ihren Bezugspersonen mit Achtung, Verständnis, Vertrauen und Respekt gegenübertreten.
Kurz vor Fertigstellung dieses Artikels erfuhr ich zufällig am 20.03.2006 in der Sendung Kulturjournal auf NIII von der Gründung eines Vereins ehemaliger Heimkinder und dem Erscheinen eines neuen Buches mit dem Titel "Schläge im Namen des Herrn" von Peter Wensierski, welches das Thema der "geschlossenen Heimunterbringung" aus der Perspektive der Heimzöglinge, insbesondere der 50er und 60er Jahre, beleuchtet, dokumentiert und analysiert.
6. Literatur
Anonymer Benutzer