Geschlossene Unterbringung (Heimerziehung): Unterschied zwischen den Versionen

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Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verbietet zwar freiheitsentziehende Maßnahmen nicht ausdrücklich, stellt aber in Artikel 37 für die geschlossene Unterbringung entscheidende Regeln auf. Artikel 37 betont, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strikt zu beachten ist. Demzufolge ist jede Form des Freiheitsentzuges bei einem Kind bis 18 Jahren nur als ultima ratio zu verhängen. Das Kind ist seinem Entwicklungsstand entsprechend zu behandeln, seine Würde ist zu achten und darf unter keinen Umständen verletzt werden. Das Recht auf Anfechtung der stationären Maßnahme ist zu gewährleisten und ein Rechtsbeistand zu stellen.
Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verbietet zwar freiheitsentziehende Maßnahmen nicht ausdrücklich, stellt aber in Artikel 37 für die geschlossene Unterbringung entscheidende Regeln auf. Artikel 37 betont, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strikt zu beachten ist. Demzufolge ist jede Form des Freiheitsentzuges bei einem Kind bis 18 Jahren nur als ultima ratio zu verhängen. Das Kind ist seinem Entwicklungsstand entsprechend zu behandeln, seine Würde ist zu achten und darf unter keinen Umständen verletzt werden. Das Recht auf Anfechtung der stationären Maßnahme ist zu gewährleisten und ein Rechtsbeistand zu stellen.
4. Kritik
Im folgenden skizziere ich wesentliche Argumente, die gegen oder für eine geschlossene Heimunterbringung regelmäßig vorgetragen werden. Diese sind in erster Linie aus erziehungswissenschaftlicher, psychologischer und soziologischer Perspektive entwickelt.
Für eine bundesweite Einführung geschlossener Heime spreche die Tatsache, daß Länder ohne diese Einrichtungen delinquente Jugendliche in Länder mit geschlossenen Heimen abschöben. Das ist unglaubwürdig. Aufgrund der Zugriffsmöglichkeiten auf den Educanden ließen sich erzieherische Handlungen optimieren. So seien ein strukturierter Tagesablauf gewährleistet, die Verbindlichkeit von festen Regeln zur Basis des gemeinsamen Lebens gemacht und eingeübt, die Übernahme von Pflichten eingefordert sowie die Durchführung von Maßnahmen der schulischen Ausbildung und beruflichen Orientierung sichergestellt. Dieser Mix an Interventionen diene somit der sozialen Integration. Ferner handele es sich bei der geschlossenen Unterbringung um eine Hilfe zur Erziehung entsprechend den Vorschriften des Kinder - und Jugendhilferechtes
(§1 SGB VIII). Folglich gehe es dabei weder um den Zweck der Strafe noch um Sühne oder Abschreckung.
Einrichtungen der geschlossenen Unterbringung wiesen alle Merkmale einer totalen Institution auf. Dazu gehören die Häufung schwieriger Problemlagen, die Herausbildung eines subkulturellen Normen - und Wertesystems, häufig wechselnde Bezugspersonen, reduzierte soziale Betätigungs - und Lernmöglichkeiten, hoher Anpassungsdruck und die Verursachung individueller Krisen durch die gegenüber der Institution empfundene Ohnmacht.
Darüber hinaus beklagen Ausbilder wie Auszubildende, Lehrende und Lernende sowie Praktiker die unzureichende Ausbildung und Qualifizierung von Erziehern und Pädagogen für den Bereich der geschlossenen Heimunterbringung. Inhalte der Heimerziehung und Erziehungshilfen scheinen weitgehend eher randständig behandelt zu werden, so daß Erzieher und Pädagogen häufig auf die Aufgabe der Erziehung verhaltensauffälliger oder massiv gestörter Kinder und Jugendlicher in Einrichtungen der Erziehungshilfe ungenügend vorbereitet sind. Vereinzelt berücksichtigen zwar einige Bildungseinrichtungen dieses Ausbildungsdefizit und modifizieren die Inhalte ihres Curriculums entsprechend; doch ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften der (geschlossenen) Heimerziehung unübersehbar.
Schließlich behindere der Einschluß soziale Intergration und effektive, die Komplexität des Lebens berücksichtigende, Problemlösungen. Sozialisation sei nämlich zunächst ein aus dem jeweiligen Sozialraum gebundener Prozeß. Ferner fehle dem Konzept der "geschlossenen Unterbringung" eine gesicherte empirische Basis. Alltagstheorien sind schließlich kein Ersatz für Evaluation. Darüber hinaus sei ein mechanistisches Verständnis von Erziehung, das den Zögling zu einem Objekt degradiert, als überholt anzusehen. Erziehungsziele zu erreichen erfordere Zeit und wirklichkeitsgetreue Bedingungen. Tatsächlich gehe es den Befürwortern geschlossener Unterbringung, sei es bewußt oder unbewußt, um Strafe, sie etikettierten es bloß als Erziehung oder Hilfe.
Außerdem sollte sich die Jugendhilfe zu der Erkenntnis durchringen, daß die Ursachen für viele Schwierigkeiten außerhalb des unmittelbaren Einflußbereiches der Sozialpädagogik liegen. In der heutigen komplexen Welt gebe es nämlich keine Patentrezepte zur Lebensbewältigung, die hinter verschlossenen Mauern lediglich angewendet werden wollen. Die zunehmend zu beobachtenden Schwierigkeiten, das Leben in Zeiten der Globalisierung zu meistern, seien zwangsläufig mit der Entwicklung dieser Gesellschaft verknüpft und zeigten immer wieder die Grenzen der Integration und die Gefahren der Ausgrenzung auf.
Das vielleicht aussagekräftigste Argument gegen die geschlossene Heimunterbringung ist sowohl pädagogischer als auch ethischer Natur und geht von der unumstößlichen Prämisse aus, daß Erziehung nur in Freiheit möglich sei. Erziehung müsse nämlich Freiwilligkeit und Vertrauen voraussetzen; denn nur so könne ein auf einer positiven menschlichen Beziehung basierender Interaktionsprozeß gelingen. Dieses Verständnis von Erziehung gründet auf dem Humanismus, der Aufklärung und der Reformpädagogik und wendet sich naturgemäß strikt gegen einen reduktionistischen Erziehungsbegriff, der sich im wesentlichen an Bestrafung, Zwang und Unterordnung orientiert.
5. Aktuelles
Anonymer Benutzer