Gerhard Roth: Unterschied zwischen den Versionen

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Laut Roth gibt es - jedenfalls aus neurobiologischer Sicht - keine Willensfreiheit.[1] Zumindest ließen sich bestimmte Vorstellungen von einem freien Willen nicht aufrecht erhalten.[2] In letzter Zeit lässt Roth allerdings eine Vorstellung von Willensfreiheit anklingen, die z.B. den von Peter Bieri entwickelten Thesen zu diesem Thema nahekommen.
Laut Roth gibt es - jedenfalls aus neurobiologischer Sicht - keine Willensfreiheit.[1] Zumindest ließen sich bestimmte Vorstellungen von einem freien Willen nicht aufrecht erhalten.[2] In letzter Zeit lässt Roth allerdings eine Vorstellung von Willensfreiheit anklingen, die z.B. den von Peter Bieri entwickelten Thesen zu diesem Thema nahekommen.
Roth zur Willensfreiheit: "Der freie Wille ist eine Illusion." Seine zwei häufig herangezogenen Belege dafür lassen sich in Anekdoten erzählen:
Erste Anekdote:
"Ein OP-Saal in Montreal, Kanada, Mit des letzten Jahrhunderts. Ein Neurochirurg namens Wilder Penfield beugt sich über den offenen Schädel eines Epilepsie-Patienten und stimuliert mit Elektroden dessen Hirn; der Patient ist bei vollem Bewusstsein. Was sich wie Science-Fiction anhört, ist für den Chirurgen fast eine Routineuntersuchung - in den 1940er und 50er Jahren operiert er Hunderte von Epileptikern. Mit seinen Elektroden sucht er nach dem "epileptischen Herd": dem krankhaften Gewebeklumpen, von dem die epileptischen Gewitter im Gehirn ihren Anfang nehmen.
Irgendwann während der OP des epileptischen Mannes trifft der Chirurg mit der Reizelektrode auch das Hirnzentrum, das den Arm steuert - und der Arm des Mannes bewegt sich. Kurios fällt die Antwort aus, als Penfield den Mann daraufhin fragt, warum er den gerade den Arm bewegt habe: "Weil ich es wollte!", sagt der Mann.
Befunde wie diese sind ein gefundenes Fressen für Roth. Seiner Meinung nach ist nicht nur der freie Wille eine Illusion. Auch die Vorstellung, wir könnten vernünftige Erklärungen für unser Verhalten ablegen, sei eine Täuschung. Wir meinen zwar zu wissen, warum etwas tun, sagt Roth, aber in Wahrheit tappen wir im Dunkeln.
Seine Begründung: Die Entscheidungen für unsere Handlungen stammen aus dem Unbewussten. Weil das aber per definitionem inkognito arbeitet, bleibt es unserem Bewusstsein verborgen, dass eigentlich das Unbewusste "der Chef ist", wie Roth sagt. In seiner Verblendung schreibt das bewusste Ich, nicht ganz frei von Größenwahn, "alles sich selbst zu".
Die zweite Anekdote könnte unter der Überschrift stehen: "Wir wollen, was wir tun". Dazu gehört die Geschichte aus den 1970er Jahren.
"Damals startete der Neuropsychologe Benjamin Libet von der Universität von Kalifornien in San Diego eine Serie von spektakulären Experimenten, die unsere herkömmliche Vorstellung von Wille und Handlung auf den Kopf stellen. Intuitiv gehen wir davon aus, dass wir zuerst eine Entscheidung für eine Handlung treffen, um danach diese Handlung auszuführen. Libet entdeckte, dass es sich genau umgekehrt verhält.
Der Neuropsychologe bat Versuchspersonen, ihre Hand zu einem frei gewählten Zeitpunkt zu bewegen. Währenddessen blickten sie auf eine Art Uhr: Die Probanden sollten sich genau merken, zu welchem Zeitpunkt sie sich für ihre Bewegung entschieden. Gleichzeitig registrierte Libet die Hirnaktivität der Probanden. Das erstaunliche Resultat: 350 Millisekunden bis 400 Millisekunden vor dem Entschluss, die Hand zu bewegen, zeigte sich bereite Aktivität in dem Hirnbereich, der die Hand steuert. Ein Ergebnis, das dem Neuropsychologen "unglaublich peinlich" war, wie Roth sagt, der den Forscher persönlich kennt. "Schließlich wollte er mit seinem Experiment gerade den freien Willen experimentell nachweisen."
Stattdessen musste der Forscher an der amerikanischen Westküste feststellen, dass wir unserem Hirn hinterherhinken: Fast eine halbe Sekunde, nachdem sich das Hirn auf die Bewegung vorbereitet hat, kommen wir offenbar erst auf den Gedanken, unsere Hand zu bewegen. "Wir tun nicht, was wir wollen", bringt es der Münchner Psychologe Wolfgang Prinz auf den Punkt, "sondern wir wollen, was wir tun."
Mit ihren pikanten Vorstellungen befinden sich Roth und Prinz in guter Gesellschaft. Auch der Direktor des Max-Planck-lnstituts für Hirnforschung in Frankfurt, Wolf Singer, glaubt, dass sich unsere herkömmliche Vorstellung vom freien Willen nicht mehr lange halten wird. Singer war bei der Diskussion zwar nicht dabei - aber seine Thesen dafür umso mehr. Der Forscher hält den freien Willen für ein "soziales Konstrukt". "Tu dies, sonst passiert das", sagt Singer - so klinge die Methode, mit denen wir unsere Kinder erziehen. Damit werde uns schon in jungen Jahren suggeriert, dass wir uns "auch anders hätten entscheiden können". So entstehe allmählich die Vorstellung eines freien Willens in unserem Kopf.
Wenn es in Wahrheit aber keinen freien Willen gibt, sagt Singer, dann wird auch das in unserer Kultur tief verwurzelte Konzept von Schuld und Sühne nicht so bleiben, wie es ist. Verbrecher könnte man nicht mehr "bestrafen", es gebe keine "Schuld" mehr. Allerdings, räumt Singer ein, müssten wir uns schließlich auch in Zukunft vor Verbrechern schützen. An der juristischen Praxis würde sich also kaum etwas ändern. Dafür wäre die Sichtweise eine andere: Wir würden etwa nicht mehr von "Strafmaß", sondern von "Schutzmaß" sprechen."
(aus: Bas Kast: http://www.sprache-werner.info/4_X-Der_frei_Wille_ist_eine.2827.html.)


Roth vertritt darüber hinaus einige Ansichten, die für den radikalen Konstruktivismus typisch sind.[3] So nimmt er an, "die Wirklichkeit" werde von unserem Gehirn konstruiert,[4] gleichzeitig sei uns aber nur diese vom Gehirn konstruierte Wirklichkeit erfahrbar.[5]
Roth vertritt darüber hinaus einige Ansichten, die für den radikalen Konstruktivismus typisch sind.[3] So nimmt er an, "die Wirklichkeit" werde von unserem Gehirn konstruiert,[4] gleichzeitig sei uns aber nur diese vom Gehirn konstruierte Wirklichkeit erfahrbar.[5]
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