Günther Jakobs: Unterschied zwischen den Versionen

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==Werk==
==Werk==
Schwerpunkte des wissenschaftlichen Werks von Günther Jakobs sind die Grundlagen des Strafrechts, speziell die Strafzwecke, die Zurechnungslehre und der Schuldbegriff. Mit einzelnen Straftatbeständen aus dem Besonderen Teil des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB) hat er sich näher befasst, soweit sie ihm dogmatisch unklar bzw. von der Rechtsprechung widersprüchlich interpretiert erschienen, wie etwa die Nötigung (§ 240 StGB)[1] und die Urkundenfälschung (§ 267 StGB)[2].
Schwerpunkte des wissenschaftlichen Werks von Günther Jakobs sind die Grundlagen des Strafrechts, speziell die [[Strafzwecke]], die Zurechnungslehre und der [[Schuld]begriff. Mit einzelnen Straftatbeständen aus dem Besonderen Teil des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB) hat er sich näher befasst, soweit sie ihm dogmatisch unklar bzw. von der Rechtsprechung widersprüchlich interpretiert erschienen, wie etwa die Nötigung (§ 240 StGB)[1] und die Urkundenfälschung (§ 267 StGB)[2].


In seinem Lehrbuch[3] zum Allgemeinen Teil des deutschen Strafgesetzbuchs, in Monographien und zahlreichen Aufsätzen entwickelte Jakobs Elemente einer Strafrechtstheorie, die sich als Funktionalismus bezeichnen lässt.[4] Sie geht von der Annahme aus, strafrechtliche Schuld sei nicht ontologisch begründbar oder allein aus einem fiktiven Gesellschaftsvertrag herzuleiten, sondern eine Frage sozialer Notwendigkeit mit dem Ziel, das Recht als verbindliches Orientierungsmuster zu schützen.[5] Während G.W.F. Hegel die Strafe als „Negation der Negation“ des Rechts zwecks dessen Wiederherstellung begriff,[6] wird in Jakobs‘ auf den ersten Blick ähnlichem Modell auch die gesellschaftliche Bedingtheit des Rechts selber (als „Erledigung des Konfliktes durch Zurechnung“[7]) sichtbar. Dies wirft allerdings, ähnlich wie Hans Kelsens „Reine Rechtslehre“, die Frage auf, welchen ethischen Mindestanforderungen das Recht genügen muss, um Geltung beanspruchen zu können.[8]
In seinem Lehrbuch[3] zum Allgemeinen Teil des deutschen Strafgesetzbuchs, in Monographien und zahlreichen Aufsätzen entwickelte Jakobs Elemente einer [[Straftheorien|Strafrechtstheorie]], die sich als Funktionalismus bezeichnen lässt.[4] Sie geht von der Annahme aus, strafrechtliche Schuld sei nicht ontologisch begründbar oder allein aus einem fiktiven Gesellschaftsvertrag herzuleiten, sondern eine Frage sozialer Notwendigkeit mit dem Ziel, das Recht als verbindliches Orientierungsmuster zu schützen.[5] Während G.W.F. Hegel die Strafe als „Negation der Negation“ des Rechts zwecks dessen Wiederherstellung begriff,[6] wird in Jakobs‘ auf den ersten Blick ähnlichem Modell auch die gesellschaftliche Bedingtheit des Rechts selber (als „Erledigung des Konfliktes durch Zurechnung“[7]) sichtbar. Dies wirft allerdings, ähnlich wie Hans Kelsens „Reine Rechtslehre“, die Frage auf, welchen ethischen Mindestanforderungen das Recht genügen muss, um Geltung beanspruchen zu können.[8]


Eine strafrechtlich relevante Handlung ist nach Jakobs ein objektiviertes Nichtanerkennen der Normgeltung.[9] Die Frage nach der Willensfreiheit des Straftäters sei falsch gestellt, denn: „Das Strafrecht kennt die Kategorie nicht, in die das Problem der Willensfreiheit gehört.“[10] Statt dessen schlägt Jakobs vor, den Schuldvorwurf aus einer „Zuständigkeit“ des Täters für dessen normwidriges Verhalten herzuleiten; hierfür soll es ausreichen, dass kein rechtlich akzeptierter Grund vorlag, der den Täter daran hinderte, sich für ein normgerechtes Verhalten zu entscheiden.[11]
Eine strafrechtlich relevante Handlung ist nach Jakobs ein objektiviertes Nichtanerkennen der [[Norm]]geltung.[9] Die Frage nach der Willensfreiheit des Straftäters sei falsch gestellt, denn: „Das Strafrecht kennt die Kategorie nicht, in die das Problem der Willensfreiheit gehört.“[10] Statt dessen schlägt Jakobs vor, den Schuldvorwurf aus einer „Zuständigkeit“ des Täters für dessen normwidriges Verhalten herzuleiten; hierfür soll es ausreichen, dass kein rechtlich akzeptierter Grund vorlag, der den Täter daran hinderte, sich für ein normgerechtes Verhalten zu entscheiden.[11]


Eine heftige Kontroverse weit über die juristische Fachwelt hinaus entfachte Günther Jakobs mit seiner erstmals 1985[12] formulierten und sodann 1999[13] weiter ausgeführten Unterscheidung zwischen „Bürgerstrafrecht“ und „Feindstrafrecht“.[14] Jakobs stellt fest, das geltende Strafrecht behandle, etwa in Gestalt der Sicherungsverwahrung (§ 61 Nr. 3 und § 66 StGB) und der Strafbarkeit der bloßen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB), Feinde des Rechts anders als seine grundsätzlich rechtstreuen Bürger: „Bürgerstrafrecht erhält die Normgeltung, Feindstrafrecht (...) bekämpft Gefahren.“[15] Dem stimmt Jakobs zu, denn: „Der prinzipiell Abweichende bietet keine Garantie personalen Verhaltens; deshalb kann er nicht als Bürger behandelt, sondern muß als Feind bekriegt werden.“[16] Nachdem diese Argumentation zunächst kaum Beachtung, jedenfalls keinen lauten Widerspruch gefunden hatte,[17] entwickelte sich nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eine Debatte um die Bewahrung rechtsstaatlicher Garantien im Kampf gegen den Terrorismus. Jakobs‘ Position wurde nun in zahlreichen Beiträgen als im Kern totalitär verworfen,[18] da sie auf die „Ersetzung von Recht durch Krieg“[19] hinauslaufe. Die Definition, wer als Feind zu betrachten sei, öffne einer Staatswillkür wie der des Dritten Reiches Tür und Tor. Hiergegen hat Jakobs unter anderem eingewandt, als Feind verstehe er nicht den Andersartigen (hostis) wie der NS-Staatstheoretiker Carl Schmitt, sondern den gefährlichen Verbrecher (inimicus).[20]Dennoch fand Jakobs nur vereinzelt[21] ungeteilte Zustimmung.
Eine heftige Kontroverse weit über die juristische Fachwelt hinaus entfachte Günther Jakobs mit seiner erstmals 1985[12] formulierten und sodann 1999[13] weiter ausgeführten Unterscheidung zwischen „Bürgerstrafrecht“ und „[[Feindstrafrecht]]“.[14] Jakobs stellt fest, das geltende Strafrecht behandle, etwa in Gestalt der Sicherungsverwahrung (§ 61 Nr. 3 und § 66 StGB) und der Strafbarkeit der bloßen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB), Feinde des Rechts anders als seine grundsätzlich rechtstreuen Bürger: „Bürgerstrafrecht erhält die Normgeltung, Feindstrafrecht (...) bekämpft Gefahren.“[15] Dem stimmt Jakobs zu, denn: „Der prinzipiell Abweichende bietet keine Garantie personalen Verhaltens; deshalb kann er nicht als Bürger behandelt, sondern muß als [[Feind]] bekriegt werden.“[16] Nachdem diese Argumentation zunächst kaum Beachtung, jedenfalls keinen lauten Widerspruch gefunden hatte,[17] entwickelte sich nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eine Debatte um die Bewahrung rechtsstaatlicher Garantien im Kampf gegen den Terrorismus. Jakobs‘ Position wurde nun in zahlreichen Beiträgen als im Kern totalitär verworfen,[18] da sie auf die „Ersetzung von Recht durch Krieg“[19] hinauslaufe. Die Definition, wer als Feind zu betrachten sei, öffne einer Staatswillkür wie der des Dritten Reiches Tür und Tor. Hiergegen hat Jakobs unter anderem eingewandt, als Feind verstehe er nicht den Andersartigen (hostis) wie der NS-Staatstheoretiker Carl Schmitt, sondern den gefährlichen Verbrecher (inimicus).[20]Dennoch fand Jakobs nur vereinzelt[21] ungeteilte Zustimmung.


Zu der von Günther Jakobs pronociert beantworteten Frage nach den zulässigen Mitteln rechtsstaatlicher Selbstverteidigung hatte der spätere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda, im Jahr 1966 festgestellt: „Gegen den Notstand muß Vorsorge getroffen werden; aber das darf nicht so geschehen, daß hierdurch die freiheitlich demokratische Grundordnung, deren Schutz alle Verteidigungsmaßnahmen dienen sollen, verloren geht. Sonst könnte der Rechtsstaat (...) vielleicht nach außen erfolgreich verteidigt werden, würde aber zugleich im Inneren tödlich getroffen werden und müßte so auch dann untergehen (...).“[22] Die Diskussion um Günther Jakobs‘ Thesen ist nicht abgeschlossen. Die Debatte für schlechthin unzulässig zu erklären,[23] wäre schon deshalb nicht überzeugend, weil Jakobs, wie auch seine Gegner einräumen,[24] etwas längst Existierendes beschreibt, dessen ethische Begründung keineswegs klar ist.
Zu der von Günther Jakobs pronociert beantworteten Frage nach den zulässigen Mitteln rechtsstaatlicher Selbstverteidigung hatte der spätere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda, im Jahr 1966 festgestellt: „Gegen den Notstand muß Vorsorge getroffen werden; aber das darf nicht so geschehen, daß hierdurch die freiheitlich demokratische Grundordnung, deren Schutz alle Verteidigungsmaßnahmen dienen sollen, verloren geht. Sonst könnte der Rechtsstaat (...) vielleicht nach außen erfolgreich verteidigt werden, würde aber zugleich im Inneren tödlich getroffen werden und müßte so auch dann untergehen (...).“[22] Die Diskussion um Günther Jakobs‘ Thesen ist nicht abgeschlossen. Die Debatte für schlechthin unzulässig zu erklären,[23] wäre schon deshalb nicht überzeugend, weil Jakobs, wie auch seine Gegner einräumen,[24] etwas längst Existierendes beschreibt, dessen ethische Begründung keineswegs klar ist.
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