Freiheitsentzug: Unterschied zwischen den Versionen

12.821 Bytes entfernt ,  15:03, 14. Feb. 2011
Der Seiteninhalt wurde durch einen anderen Text ersetzt: „Freiheitsentzug“
(Der Seiteninhalt wurde durch einen anderen Text ersetzt: „Freiheitsentzug“)
Zeile 1: Zeile 1:
Eine Freiheitsentziehung, auch als Freiheitsentzug bezeichnet, ist die Einschränkung des [http://de.wikipedia.org/wiki/Grundrechte_%28Deutschland%29 Grundrechtes] auf die [http://de.wikipedia.org/wiki/Freiheit_der_Person Freiheit der Person] (siehe auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Habeas_Corpus Habeas Corpus]) durch jede andere juristisch mögliche Person.
Freiheitsentzug
 
== Gesetzeslage ==
 
Die '''Freiheit der Person''' ist in Deutschland ein Grundrecht gemäß Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 und Artikel 104 [http://de.wikipedia.org/wiki/Grundgesetz Grundgesetz] und bezeichnet die körperliche Bewegungsfreiheit. Die Freiheit der Person ist ein eigenes Grundrecht und grenzt sich zum allgemeinen Personlichkeitsrecht nach Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 1 I GG ab. Inhalt und Schutzbereich: Recht jedes Menschen, jeden zulässigen Ort seiner Wahl zu betreten, dort zu verbleiben bzw. diesen zu verlassen, ohne durch die Staatsgewalt hieran behindert zu werden. (körperliche Bewegungsfreiheit).
 
 
== Allgemeines ==
 
Freiheitsentzug ist das Festhalten einer Person an einem (oder sukzessive an mehreren) Aufenthaltsorten.
Methoden des Freiheitsentzugs sind die Einsperrung, die Fesselung, die Ankettung - aber in seltenen Fällen auch die Hypnose.
Der Freiheitsentzug erfolgt in der Regel gegen den Willen der Betroffenen.
Sei es, dass es sich um eine strafbare Handlung handelt ("[http://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitsberaubung Freiheitsberaubung]"), sei es, dass es sich um eine Strafe als Reaktion auf eine strafbare Handlung handelt ("[http://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitsstrafe Freiheitsstrafe]").
 
In Ausnahmefällen ist der Freiheitsentzug von Betroffenen gewollt (z.B. Eintritt in eine geschlossene Gemeinschaft; stationäre Drogentherapie; freiwillige psychiatrische Unterbringung ...) und beruht dann auf einem (mehr oder minder selbstbestimmten) Akt des Verzichts auf Bewegungsfreiheit. Dieser Verzicht kann vorläufig und an bestimmte Voraussetzungen und Grenzen geknüpft sein ("fessle mich"), er kann aber auch die ganze Existenz erfassen (Kloster). Freiheitsentzug kann sehr kurz andauern (z.B. jemanden während einer Rangelei in den Schwitzkasten nehmen) oder sehr lang (lebenslange Freiheitsstrafe).
 
Freiheitsentzug kann rechtlich neutral, ausdrücklich vorgesehen oder ausdrücklich verboten sein. Rechtlich neutral ist der rechtlich nicht geregelte Freiheitsentzug im Rahmen harmloser Scherze ("practical jokes") - solange sie harmlos bleiben.
Ausdrücklich vorgesehen ist der Freiheitsentzug zum Beispiel dort, wo er als Strafe oder Maßregel gesetzlich normiert ist.
Ausdrücklich verboten ist der Freiheitsentzug in den Fällen, in denen er zum Beispiel die Tatbestände der Freiheitsberaubung, des erpresserischen Menschenraubs oder anderer Delikte gegen die Freiheit verwirklicht. Freiheitsentzug kann durch Private oder durch Träger der öffentlichen Gewalt erfolgen.
 
Privater Freiheitsentzug ist in einigen Fällen rechtmäßig (elterliches Aufenthaltsbestimmungsrecht; "civil arrest"), in anderen Fällen aber rechtswidrig und strafbar ("[http://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitsberaubung Freiheitsberaubung]"; "[http://de.wikipedia.org/wiki/Entf%C3%BChrung Entführung]").
Der durch Amtsträger realisierte Freiheitsentzug kann ebenfalls rechtmäßig sein (rechtskräftiger Haftbefehl, rechtmäßige Haftstrafe, Unterbringung ...) oder rechtswidrig (Freiheitsberaubung im Amt; illegale Verschleppungen, Verschwindenlassen ...).
 
 
== Freiheitsentzug als Straftat==
 
Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit einer Person durch eine andere Privatperson wird in modernen Staaten meist als Straftat definiert ("Freiheitsberaubung"; [[Kidnapping]]; erpresserischer Menschenraub).
Die Häufigkeit solcher illegaler Aktionen variiert mit dem Grad staatlicher Stärke und politischer Konflikte.
Hochburgen der Entführungen zu Zwecken der Erpressung sind Gegenden mit schwach ausgeprägter Staatlichkeit.
 
== Freiheitsentzug als amtliche oder behördliche Maßnahme ==
 
In den meisten Staaten ist Freiheitsentzug die wichtigste strafrechtliche Sanktion ("Freiheitsstrafe"), jedoch kann eine Freiheitsentziehung auf Grund unterschiedlichster Gesetze getroffen werden, dabei wird zwischen Freiheitsentziehungen zur Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr und solchen im Verwaltungs- bzw. Zivilrecht unterschieden.
 
===Strafverfolgung===
 
Der überwiegende Bereich der Freiheitsentziehungen entfällt auf die '''Strafverfolgung'''.
Im [[Strafrecht]] und [[Strafvollzugsrecht]] gibt es verschiedene Begrifflichkeiten, die sich dadurch unterscheiden, dass sie in unterschiedlichen Stadien des Verfahrens zur Anwendung kommen.
Dazu zählt die [http://de.wikipedia.org/wiki/Festnahme Festnahme], wobei eine Festnahme das Festhalten von Personen (Personengewahrsam) auf rechtlicher Grundlage ist, wie zivil- oder strafprozessrechtlicher Bestimmungen. In Deutschland ist nur die vorläufige Festnahme vorgesehen.
Weiter Möglichkeiten sind die [http://de.wikipedia.org/wiki/Verhaftung Verhaftung], die [http://de.wikipedia.org/wiki/Untersuchungshaft Untersuchungshaft], die [http://de.wikipedia.org/wiki/Zwischenhaft Zwischenhaft], die [http://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitsstrafe Freiheitsstrafe], die [http://de.wikipedia.org/wiki/Ersatzfreiheitsstrafe Ersatzfreiheitsstrafe], die [http://de.wikipedia.org/wiki/Haft Haft] sowie der [http://de.wikipedia.org/wiki/Offener_Vollzug offene Vollzug].
Daneben gibt es noch Randbereiche der Strafverfolgung, bei denen in seltenen Fällen auch Freiheitsentziehungen verhängt werden.
Dazu zählen die [http://de.wikipedia.org/wiki/Abschiebungshaft Abschiebungshaft] im [http://de.wikipedia.org/wiki/Ausl%C3%A4nderrecht Ausländerrecht], die [http://de.wikipedia.org/wiki/Erzwingungshaft Erzwingungshaft] im Ordnungswidrigkeitenrecht, die strafrechtliche Unterbringung unter Organisationshaft, [[Maßregeln der Besserung und Sicherung]], der [http://de.wikipedia.org/wiki/Ma%C3%9Fregelvollzug Maßregelvollzug] und die [http://de.wikipedia.org/wiki/Forensische_Psychiatrie forensische Psychiatrie].
Üblicherweise verbüßen Personen, denen die Freiheit entzogen wurde, ihre Haft in [http://de.wikipedia.org/wiki/Gef%C3%A4ngnis Gefängnissen]; früher auch in Zuchthäusern.
 
===Gefahrenabwehr===
 
Der zweite größere Bereich der Freiheitsentziehungen liegt im Feld der '''Gefahrenabwehr''' dort existieren mehrere Vorschriften über die polizeilichen Unterbringungen, darunter der [http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Polizeigewahrsam Polizeigewahrsam] und der [http://de.wikipedia.org/wiki/Unterbindungsgewahrsam Unterbindungsgewahrsam].
Weitere Einschränkungen werden aufgrund des Betreuungsrechtes mit der Unterbringung sowie dem Unterbringungsverfahren und dem Psychisch-Kranken-Gesetz mit der Zwangseinweisung sowie den Regelungen in verschiedenen Ländern getroffen, dazu zählen das Unterbringungsgesetz in Deutschland, die Unterbringung (Österreich) in Österreich und der fürsorgerische Freiheitsentzug in der Schweiz.
 
===Verwaltungsvollstreckungsrecht===
 
Nicht in vorgenannte Bereiche fallen die Freiheitsentziehungen im '''Verwaltungsvollstreckungsrecht'''
unter (Ersatz-)Zwangshaft und im Zwangsvollstreckungsrecht (nach der Zivilprozessordnung) unter Versicherung an Eides statt.
Insbesondere für die Freiheitsentziehung im Rahmen der Abschiebehaft sowie für freiheitsentziehende Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz gibt es ein eigenes Verfahrensgesetz, das FEVG.
Dieses wird zum 1. September 2009 aufgehoben und in das neue FamFG (als 7. Buch) eingegliedert.
Ist eine Freiheitsentziehung unrechtmäßig – dabei spielt es keine Rolle, ob sie durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen verantwortet wurde – stellt dies eine Freiheitsberaubung dar.
 
 
== Kriminologisch relevante Kritik ==
 
Immer wieder werden Stimmen von Verbänden und Rechtswissenschaftlern laut, auf die [http://de.wikipedia.org/wiki/Lebenslange_Freiheitsstrafe lebenslange Freiheitsstrafe] komplett zu verzichten. Hierbei führen Kritiker die folgenden Argumente ins Feld:
* Sie widerspricht dem [http://de.wikipedia.org/wiki/Resozialisierung_als_Vollzugsziel Resozialisierungsgedanken] des Strafrechts (§ 2 Satz 1 StVollzG ), denn der Verurteilte wird für die Dauer seines gesamten Lebens aus der Gesellschaft ausgegrenzt.
* Der Täter wird auf eine unmenschliche, die Menschenwürde nicht angemessen berücksichtigende Weise bestraft. Laut § 3 Abs. 2 StVollzG müssen schädliche Folgen des Freiheitsentzuges verhindert werden. Die lebenslange Freiheitsstrafe führt jedoch vor allem zu langfristigen psychischen Schäden: Soziale Fähigkeiten, das Selbstwertgefühl und die Selbstwahrnehmung gehen verloren, der Gefangene isoliert sich, sieht keine Perspektive mehr, vereinsamt und verkümmert.
* Die Gesellschaft profitiert überhaupt nicht von der Vollstreckung lebenslanger Haft, schwere Straftaten werden durch sie nicht vermieden. In Ländern, die sie abgeschafft haben, war kein Anstieg von Tötungsdelikten festzustellen.
* Eine vorzeitige Freilassung ist zwar in den meisten Staaten möglich, die Anwendung der entsprechenden Paragraphen jedoch zu willkürlich, die entsprechenden Bedingungen zu ungenau definiert. Insbesondere für die Feststellung der „besonderen Schwere der Schuld“ gibt es keine einheitlichen Kriterien.
 
Das Resozialisierungsideal wurde nicht nur durch die empirisch umstrittene und relativierte "Nothing Works" These (Martinson 1974) geschwächt, sondern, so [[David Garland]] (2001) und [[Susanne Krasmann]] (2003), die gesellschaftliche Wahrnehmung und der Umgang mit Problemen der Kriminalität änderten sich. Dieser Wandel lässt sich auch als die Rückkehr des Strafrechts zu seinen repressiven Formen beschreiben.
 
 
 
==Literatur==
 
 
* Heinz Cornel, Gabriele Kawamura-Reindl, Bernd Maelicke, Bernd Rüdeger Sonnen (Hrsg.): Handbuch der Resozialisierung. 2. Aufl. Baden-Baden 2003
* Gerhard Deimling: „Resozialisierung“ im Spannungsfeld von Strafanstalt und Gesellschaft. In: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft. Berlin 1968, S. 873ff.
* Gerhard Deimling: Theorie und Praxis des Jugendstrafvollzugs in pädagogischer Sicht. Neuwied/Berlin 1969
* Frieder Dünkel: Sicherheit als Vollzugsziel? Die Wende im Strafvollzug in Zeiten des Wahlkampfes: eine Initiative aus Hessen. In: Neue Kriminalpolitik. Heft 1/2003, S. 8–9
* Hans Ellger: Der Erziehungszweck im Strafvollzug. Halle 1922
* [[Johannes Feest]]: Behandlungsvollzug – Kritik und vollzugspolitische Konsequenzen. In: Juristische Arbeitsblätter. Neuwied 1990, S. 223 ff.
* [[Johannes Feest]] (Hrsg.): Kommentar zum Strafvollzugsgesetz. 5. Aufl., Neuwied 2006
* [[David Garland]]: The Culture of Control. Crime and Social Order in Contemporary Society. Oxford / New York 2001
* Erving Goffman: Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt a.M. 1973
* Winfried Hassemer: Resozialisierung und Rechtsstaat. In: Kriminologisches Journal (KrimJ) 14 Jg. Heft 3, 1982, S. 161–166
* Günther Kaiser u. a. (Hrsg.): Kleines Kriminologisches Wörterbuch. 3. Aufl., Heidelberg / Stuttgart 1993
* [[Susanne Krasmann]]: Die Kriminalität der Gesellschaft. Zur Gouvernementalität der Gegenwart. Konstanz 2003
* [http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht Karl Liebknecht]: Gegen die Freiheitsstrafe. In: Gesammelte Reden und Schriften, Bd. IX, Berlin 1971, S. 391ff.
* [[Franz von Liszt]]: Der Zweckgedanke im Strafrecht. Berlin 2002 (Orig. 1882/83)
* Robert Martinson: What works? Questions and answers about prison reform. Journal of Public Interest, No. 36, Spring 1974, S. 22-54
* Heinz Müller-Dietz: Strafvollzugsgesetzgebung und Strafvollzugsreform. Köln 1970
* Werner Nickolai (Hrsg.): Lebenslänglich: Kontroverse um die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 1993. ISBN 3-7841-0691-9
* Horst Schüler-Springorum: Strafvollzug im Übergang. Göttingen 1969
* Hartmut Schellhoss: Resozialisierung. In: Kaiser, Günther u. a. (Hrsg.): Kleines Kriminologisches Wörterbuch 3. Aufl., Heidelberg / Stuttgart 1993, S. 429
* Hartmut-Michael Weber: Die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe – Für eine Durchsetzung des Verfassungsanspruchs. Nomos-Verlag, Baden-Baden 1999. ISBN 3-7890-4666-3
 
 
==Weblinks==
 
* Bundesverfassungsgericht: [http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen.html Bundesverfassungsgericht] (letzter Zugriff: 12. Juli 2008)
* Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung: (StVollzG) (letzter Zugriff: 25. Juli 2008)
 
 
==Einzelnachweise==
 
1. ↑ Prison Portal: [http://prisonportal.informatik.uni-bremen.de/knowledge/index.php/Prisonisierung Prisonisierung]
 
2. ↑ Reportage von Sonntag, 9. Mai 2010, 20.00 Uhr auf Schweizer Radio DRS 3