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== Beispiel Rassismus ==
*[http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/attacken-gegen-professoren-muenkler-und-baberowski-13596126.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 Friederike Haupt. Attacken gegen Professoren Münkler und Baberowski, FAZ online 17.05.2015]:
*[http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/attacken-gegen-professoren-muenkler-und-baberowski-13596126.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 Friederike Haupt. Attacken gegen Professoren Münkler und Baberowski, FAZ online 17.05.2015]:


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Die Einschüchterung funktioniert, in Amerika und in Berlin. Sie ist eine alte Waffe, doch im Internet trifft sie so gefährlich wie nie.
Die Einschüchterung funktioniert, in Amerika und in Berlin. Sie ist eine alte Waffe, doch im Internet trifft sie so gefährlich wie nie.
== Beispiel Isarel und Antisemitismus ==
Transponiert und kondensiert hieße das, dass die Universität Hamburg aus guten Gründen anstrebt, nicht als Nazi-Hochburg zu gelten. Doch seit einiger Zeit werden Professoren, die dort lehren, als Rassisten, Faschisten und/oder Antisemiten entlarvt, jedenfalls nach Ansicht der Entlarver. Gerade erst geriet der bekannte Professor M in den schrecklichen Verdacht. Eine erstaunliche Häufung. Die Anklagen gegen die Professoren erscheinen anonym im Internet - und nicht nur beiläufig bei Facebook, sondern ausführlich, in offiziösem Ton, auf verschiedenen geeigneten Seiten. Für M gibt es den Blog „M-watch“. Von anderen Fällen liest man auf der Seite des AStA und auch auf einer Plattform wird über Professoren Buch geführt. Name, Stichwörter wie „brauner Professor, Antisemitismus“ und Notizen dazu, wer auf ihn hört: „Liebling des X-Radios, allein 32 Auftritte“. Die anonyme Kritik der vergangenen Monate wirkt. An der Universität hat man Angst.
Nicht, weil dort wirklich Antisemiten und Rassisten lehren würden. Journalisten stürzten sich fleißig auf die Vorwürfe ... Was bedeutet die Angst für einen Ort, an dem junge Menschen das Denken lernen?
Ein Pressereferent der Uni erzählt am Telefon, was er darüber denkt. Er redet lange. M ein Antisemit – das hält er für Unfug. Er ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Er will sich aber nicht zitieren lassen, weil er nicht der Pressesprecher sei. Ein Professor, der im Netz als Antisemit bezeichnet wurde, will lieber nichts sagen. Man habe ihm geraten, Journalistenfragen nur zu beantworten, wenn sie über die Pressestelle kommen.
Ein anderer sagt etwas und streicht beim Autorisieren seiner Antworten wieder viel davon weg. Er habe sich mit seinen Mitarbeitern besprochen. „Besser, man weckt keine schlafenden Hunde“, schreibt er entschuldigend dazu. Komplett gestrichen hat er alle Sätze, die davon handeln, welche Konsequenzen er persönlich für seine Lehre gezogen hat. M, heißt es aus der Pressestelle, wolle bis auf weiteres nichts mehr zu der Sache sagen.
Die Angst ist so groß, weil die Angreifer sich jederzeit ein neues Ziel suchen können. Und weil man ihnen nicht entgegentreten kann. Nach den Maßstäben der Angreifer ist fast jeder Hochschullehrer in Deutschland ein Antisemit; es ist ungefähr so, als erklärte ein Bäcker einen Apfel für ungenießbar, weil der nun mal kein Brot sei.
Zum Beispiel: Der Präsident der Uni begrüßte vor zwei Jahren im Audimax Alfred Grosser, den bekannten Politikwissenschaftler, der sich um die deutsch-französische Freundschaft verdient gemacht hatte. Dieser ist aber anonymen Beobachtern zufolge ein „Antisemit aus jüdischem Selbsthass“, der Präsident also ein Antisemiten-Begrüßer. Der Präsident lehnte außerdem die Forderung ab, auch Vertreter der jüdischen Siedler in den besetzen Gebieten an der Universität Hamburg lehren zu lassen und die Hochschule umzubenennen. Dies war zu lesen im „Bekenner*innenschreiben“ einer anonymen Gruppe. Die Bekenner*innen hatten ein Gemälde aus der Ahnengalerie der Universität geklaut, um damit den Präsidenten zu erpressen. Der Brief steht bis heute auf der Plattform „Indymedia“, englische Übersetzung inklusive. Die Extremisten nutzen die Plattform gern, zum Beispiel um Bombendrohungen und Mordaufrufe zu verbreiten.
Ein anderer Wissenschaftler der Universität wurde zum Antisemiten gestempelt, weil er seine Studenten in der Vorlesung „Grundbegriffe und Theorien der Geschichte" Texte von Treitschke lesen ließ, welcher nach Ansicht der Anonymen aus einer „antisemitischen eurozentristischen Perspektive“ Propaganda gegen Juden verbreitet habe. Eine Beschwerde über den Professor wurde bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingereicht, eine „Pressemitteilung“ dazu auf die Seite des AStA gestellt.
Ein hoch anerkannter Geschichtsprofessor wurde Ende 2014 verdächtigt, er relativiere Hitler. Und ein Soziologie-Dozent las im Februar 2015 im offenen Brief „ein_er Zuhörer_in“ über sich, er fülle das Semester mit antisemistischen Betrachtungen. Das klang vergleichsweise harmlos, es ging dann auch viel um Geschlechter. „Du hältst nichts von Konzepten, mit unserer Sprache verschiedenste Gender zu berücksichtigen.“ Der Text erschien auf dem Blog, der jetzt M's Vorlesungen verfolgt. „M-watch“ ist eine neue Stufe der Kontrolle: jede Woche ein neuer Eintrag.
Die Blogger kommentieren frei gewählte Versatzstücke der Vorlesung, ihre Leitfrage ist „Rassismus, Antisemitismus, Sexismus?“. Die Vorlesung richtet sich an eingeschriebene Studenten, im Hörsaal finden maximal 400 Platz. Sie kennen die Zusammenhänge, in denen der Professor etwas sagt. Eine Vorlesung braucht zwei Stunden, ein Shitstorm zwei Sätze. Die namenlosen Blogger klauben zusammen, was sie gerade brauchen können. Münklers Angebot, mit ihnen auf einem Podium zu diskutieren, schlugen sie aus.
Eigentlich geht es um Macht
Alle Fälle haben gemeinsam, dass die Kritiker Inhalte simulieren. Angeblich geht es um etwas, das man an der Uni „Sprachhandeln“ nennt. Jemand wird Rassist genannt, weil er in historischen Texten das N-Wort („Neger“, nun steht es da) mitliest und nicht so tut, als stünde es gar nicht da. Oder Sexist, weil er nicht „Student*innen“ schreibt. Aber eigentlich geht es um Macht.
Die Professoren bekommen Gesinnungsnoten von Studenten oder jenen, die sich dafür ausgeben. Das soll die Machtverhältnisse erschüttern. Jetzt schreiben große Zeitungen nicht nur über den großen M, sondern auch über kleine Anonyme. „M-watch“ sammelt Zeitungsartikel über sich im Blog, eifrig wie ein General, der sich Orden um Orden an die Brust heftet.
Andere Professoren der Uni verfolgen den Fall M genau. Einer von ihnen ist MB, der wegen Treitschke ins Visier geriet. In seiner Vorlesung musste am Ende sogar die Polizei anrücken. Ein Student hatte sie gerufen, weil etwa 15 andere den Professor durch lautstarkes Schreien und Klatschen davon abhalten wollten, die letzte Sitzung vor der Klausur durchzuführen. Zuvor war es auf der Lernplattform der Uni schon monatelang hoch hergegangen, nun verlagerten sich die Gefechte in den Hörsaal. Und danach wieder zurück ins Internet.
Brinkmann sagt: „Durch die Aktionen im Netz werden die Angriffe zum Selbstläufer. Als Professor hat man keinen Einfluss mehr darauf.“ Die Universität setze das Ethos des Dialogs voraus. „Aber bestimmte Verhaltensweisen, die bisher sozial anerkannt waren, werden von diesen Studierenden außer Kraft gesetzt.“ Der Professor sieht Universitäten „da nicht gerade in einer Position der Stärke“. Er klingt vollkommen ratlos. Ein anderer Professor nennt die Uni „feige“
Ein Kollege ist in heller Wut. Nämlich jener, den die Anonymen einen „braunen Professor“ nennen und einen Hitler-Relativierer. Es ist der Historiker B. Zitate autorisieren ist ihm egal, will er nicht. B. hat keine Lust, vorsichtig zu sein und jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. „Genau das wollen die doch“, sagt er, gemeint sind die namenlosen Kritiker. Er will „laut und deutlich nein sagen“. Lauter und deutlicher als andere.
B ist, so sagt er, entsetzt über die Pressestelle und die Universitätsleitung, weil sie den Ball flach halten wollten. „Feige“ nennt er sie. „Die denken nur an sich.“ An den Ruf der Uni, an negative Schlagzeilen, nicht an die Lage der Professoren. Das habe er dem Präsidenten auch schon selbst gesagt. B hat erlebt, dass ihn jüdische Wissenschaftler aus Amerika anschrieben und fragten, was es mit den Sachen im Netz auf sich habe. Ihr deutscher Kollege, ein antisemitischer Hitler-Verharmloser? Als der Professor sich googelte, fand er die Texte der Leute, die ihn verfolgten, unter den ersten Treffern.
Die Professoren kommen am Telefon ungefragt auf ihre Studenten zu sprechen. Die seien also folgendermaßen: sehr angenehm, fleißig, fair, kritisch, engagiert. B betont noch: sehr höflich. Die Professoren sind sich einig, dass die Anonymen eine winzige Minderheit sind. Mit überproportionaler Publicity. Das ist ein typisches Hamburg-Phänomen. Und es ist dann auch kein Zufall, dass es Professoren einer Hamburger Hochschule sind, die derart angegriffen werden. An anderen Hochschulen passiert das kaum, und wenn doch, dann weniger krass. In Hamburg könnten die Gender-Studies-Lehrenden verantwortlich sein - andere vermuten, dass es die Trotzkisten-Jugend ist. Oder dass Leute beteiligt sind, die gar keine Studenten sind. Vielleicht „Altkader von extremistischen Parteien“, Leute über 50. Wer später anonym im Internet darüber schreibt, kann sich Student nennen oder Einhorn, überprüfen kann es niemand. Das ist ja das Schöne daran.
Aber ganz egal, wer es ist: Er kann hoffen, dass es in Deutschland so weitergeht wie in Amerika. Dort werden Professoren schon länger auf diese Art bedrängt. Vor ein paar Wochen erst beschrieb ein langer Artikel der „New York Times“ verschiedene Fälle: Gemeinsam war ihnen, dass anerkannte Wissenschaftler daran gehindert werden sollten, aufzutreten oder über Themen zu sprechen, bei denen Studenten ihnen die Kompetenz absprachen. Eine Studentengruppe am Hampshire College lud sogar eine Afrofunk-Band wieder aus, nachdem die im Internet dafür angegriffen worden war, dass zu viele Weiße in der Band spielten. Die Studenten sagten, sie fühlten sich „unsicher“ durch die hasserfüllte Netzdebatte, darum solle die Band nicht spielen.
Die Einschüchterung funktioniert, in Amerika und in Berlin. Sie ist eine alte Waffe, doch im Internet trifft sie so gefährlich wie nie.
== Weblinks und Literatur ==
*[http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/humboldt-universitaet-mobbing-trotzkistisch-13294937.html FAZ Mobbing Trotzkistisch]
*[http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25472 Tim Anderson, U of Syndey, 2018]
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