Franz Exner: Unterschied zwischen den Versionen

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==Werk==
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===Überblick===
===Überblick===
Franz Exners kriminalwissenschaftliches System steht in der Tradition seiner beiden akademischen Strafrechtslehrer, der „modernen“ bzw. „soziologischen Strafrechtsschule“ [[Franz von Liszt]][5] einerseits und des schweizerischen Kriminalpolitikers und Strafrechtlers [[Carl Stooß]][5a] andererseits, deren Ideen Exner eigenständig fortbildete. Nachdem er sich bei Carl Stooß in Wien im Jahre 1910 durch eine grundlegende strafrechtsdogmatisch–rechtsphilosophische Arbeit über „das Wesen der Fahrlässigkeit“ habilitiert hatte, widmete Exner sich in der Folgezeit hauptsächlich kriminalpolitischen und kriminologischen Themen.
Franz Exners kriminalwissenschaftliches System steht in der Tradition seiner beiden akademischen Strafrechtslehrer, der „modernen“ bzw. „soziologischen Strafrechtsschule“ [[Franz von Liszt]]s[5] einerseits und des schweizerischen Kriminalpolitikers und Strafrechtlers [[Carl Stooß]][5a] andererseits, deren Ideen Exner eigenständig fortbildete. Nachdem er sich bei Carl Stooß in Wien im Jahre 1910 durch eine grundlegende strafrechtsdogmatisch–rechtsphilosophische Arbeit über „das Wesen der Fahrlässigkeit“ habilitiert hatte, widmete Exner sich in der Folgezeit hauptsächlich kriminalpolitischen und kriminologischen Themen.


Exner setzte sich für eine Fortführung der von Franz von Liszt und Carl Stooß inspirierten Bemühungen um eine [[Strafrechtsreform]] ein. Im Gegensatz zu von Liszt, der eine „präventive Schutzstrafe“ – und somit ein einspuriges Kriminalstrafsystem – propagierte, schlug Exner jedoch - hierbei an Ideen von Carl Stooß anknüpfend - eine Zweispurigkeit des Kriminaljustizsystems vor: Dem System der repressiven, [[Generalprävention|generalpräventiv]] orientierten Strafen sei ein eigenständiges System von [[Spezialprävemtion|spezialpräventiven]] „Sicherungsmitteln“ gegenüberzustellen.[6] Insoweit war Exner ein Vordenker des heute geltenden Strafrechts, das auf eben dieser Unterscheidung zwischen „Strafen“ und „Maßnahmen“ (von Exner als „Sicherungsmittel“ bezeichnet) aufbaut.
Exner setzte sich für eine Fortführung der von Franz von Liszt und Carl Stooß inspirierten Bemühungen um eine [[Strafrechtsreform]] ein. Im Gegensatz zu von Liszt, der eine „präventive Schutzstrafe“ – und somit ein einspuriges Kriminalstrafsystem – propagierte, schlug Exner jedoch - hierbei an Ideen von Carl Stooß anknüpfend - eine Zweispurigkeit des Kriminaljustizsystems vor: Dem System der repressiven, [[Generalprävention|generalpräventiv]] orientierten Strafen sei ein eigenständiges System von [[Spezialprävemtion|spezialpräventiven]] „Sicherungsmitteln“ gegenüberzustellen.[6] Insoweit war Exner ein Vordenker des heute geltenden Strafrechts, das auf eben dieser Unterscheidung zwischen „Strafen“ und „Maßnahmen“ (von Exner als „Sicherungsmittel“ bezeichnet) aufbaut.


Als Kriminologe betrachtete Exner Kriminalität sowohl auf der Makroebene als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen (''„das Verbrechen im Leben des Gesellschaft“'', bzw. ab 1939: ''„im Leben der Volksgemeinschaft“'') als auch auf der Mikroebene als eine Persönlichkeitsäußerung des individuellen Täters.  Die jeweilige Tat betrachtete Exner sodann als ein auf komplexe Weise aus  ''Anlage''- und ''Umweltfaktoren'' resultierendes Produkt: Was aus der „Anlage“ eines Menschen werde, hänge einerseits von der ihn umgebenden „Umwelt“ ab, andererseits seien Art und Wirkungsweise der jeweiligen „Umwelt“ auch wiederum als von der „Anlage“ beeinflußt zu denken.[8a] Hierbei betonte Exner während der Weimarer Republik [[Kriminalitätstheorien|zunächst dezidiert die Vorrangigkeit sozialer Ursachen für die Entstehung von Kriminalität]].[9] Später rückten die "Anlagefaktoren" deutlich stärker in den Vordergrund, verdrängten Exners Annahme, die Kriminalität werde in vielerlei Hinsicht auch durch soziale Ursachen mitbewirkt, jedoch niemals vollständig.  
Als Kriminologe betrachtete Exner Kriminalität sowohl auf der Makroebene als gesamtgesellschaftliches Phänomen (''„das Verbrechen im Leben des Gesellschaft“'', bzw. ab 1939: ''„im Leben der Volksgemeinschaft“'') als auch auf der Mikroebene als Persönlichkeitsäußerung des individuellen Täters.  Die jeweilige Tat betrachtete Exner sodann als ein auf komplexe Weise aus  ''Anlage''- und ''Umweltfaktoren'' resultierendes Produkt: Was aus der „Anlage“ eines Menschen werde, hänge einerseits von der ihn umgebenden „Umwelt“ ab, andererseits seien Art und Wirkungsweise der jeweiligen „Umwelt“ auch wiederum als von der „Anlage“ beeinflußt zu denken.[8a] Hierbei betonte Exner während der Weimarer Republik [[Kriminalitätstheorien|zunächst dezidiert die Vorrangigkeit sozialer Ursachen für die Entstehung von Kriminalität]].[9] Später rückten die "Anlagefaktoren" deutlich stärker in den Vordergrund, verdrängten Exners Annahme, die Kriminalität werde in vielerlei Hinsicht auch durch soziale Ursachen mitbewirkt, jedoch niemals vollständig.  


Die deutschsprachige Kriminologie und Strafrechtswissenschaft rezipierte Exner bis in die siebziger Jahre hinein zunächst positiv. Neben seinen Abhandlungen und seinen internationalen Aktivitäten war es vor allem sein Lehrbuch (1. und 2. Auflage von 1939/1944: „Kriminalbiologie“; 3. Auflage 1949: „Kriminologie“), das ihm nach Ansicht vieler Fachkollegen eine herausgehobene Stellung innerhalb der deutschen Kriminologie sicherte.[7] Dies änderte sich, als die Kriminologie sich seit den achtziger Jahren verstärkt um eine Aufarbeitung ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit bemühte. Autoren wie Franz Streng und Ina Pfennig lasen Exners Texte nunmehr verstärkt unter dieser Prämisse. Hierbei "entdeckten" sie viel kriminalbiologisch-rassistisches Gedankengut und stellten Exner teilweise dem nunmehr als nationalsozialistisch-kriminologischen "Chefideologen" betitelten (Klaus Rehbein) Edmund Mezger zur Seite. Seit Richard Wetzells Würdigung vor allem der kriminal''soziologischen'' Beiträge Franz Exners ist teilweise erneut eine wohlwollendere - und auf wissenschaftsgeschichtlich innovative Bestandteile seines Schaffens hinweisende - Bewertung seines Werkes zu konstatieren.
Die deutschsprachige Kriminologie und Strafrechtswissenschaft rezipierte Exner bis in die siebziger Jahre hinein zunächst positiv. Neben seinen Abhandlungen und seinen internationalen Aktivitäten war es vor allem sein Lehrbuch (1. und 2. Auflage von 1939/1944: „Kriminalbiologie“; 3. Auflage 1949: „Kriminologie“), das ihm nach Ansicht vieler Fachkollegen eine herausgehobene Stellung innerhalb der deutschen Kriminologie sicherte.[7] Dies änderte sich, als die Kriminologie sich seit den achtziger Jahren verstärkt um eine Aufarbeitung ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit bemühte. Autoren wie Franz Streng und Ina Pfennig lasen Exners Texte nunmehr verstärkt unter dieser Prämisse. Hierbei "entdeckten" sie viel kriminalbiologisch-rassistisches Gedankengut und stellten Exner teilweise dem nunmehr als nationalsozialistisch-kriminologischen "Chefideologen" betitelten (Klaus Rehbein) Edmund Mezger zur Seite. Seit Richard Wetzells Würdigung vor allem der kriminal''soziologischen'' Beiträge Franz Exners ist teilweise erneut eine wohlwollendere - und auf wissenschaftsgeschichtlich innovative Bestandteile seines Schaffens hinweisende - Bewertung seines Werkes zu konstatieren.
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