Franz Exner: Unterschied zwischen den Versionen

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Liszt, Stooß, etwas Licht ins Dunkel
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[[Bild:Franz-exner.jpg|thumb|Franz Exner zur Zeit der Nürnberger Prozesse]]
[[Bild:Franz-exner.jpg|thumb|Franz Exner zur Zeit der Nürnberger Prozesse]]


'''Franz Exner''' (* 9. August 1881 in Wien; † 1. Oktober 1947 in München) war ein österreichisch-deutscher Kriminalwissenschaftler und [[Kriminologie|Kriminologe]]. Er zählte neben [[Edmund Mezger]], [[Hans von Hentig]] und [[Gustav Aschaffenburg]] während der Weimarer Republik und zur Zeit des Nationalsozialismus zu den prominentesten Vertretern seines Faches. Zur Zeit der Weimarer Republik erbrachte Exner Pionierleistungen im Bereich der deutschsprachigen [[Kriminalsoziologie]]. Umstritten sind hingegen bis heute das Ausmaß seiner Annäherungen an die NS-Ideologie und das Ausmaß seiner Verstrickungen innerhalb der [[Kriminalbiologie]] zur Zeit des Nationalsozialismus.
'''Franz Exner''' (* 9. August 1881 in Wien; † 1. Oktober 1947 in München) war ein österreichisch-deutscher [[Kriminologie|Kriminologe]] und [[Strafrecht]]ler. Er zählte neben [[Edmund Mezger]], [[Hans von Hentig]] und [[Gustav Aschaffenburg]] während der Weimarer Republik und zur Zeit des Nationalsozialismus zu den prominentesten Vertretern der deutschsprachigen Kriminologie. Zur Zeit der Weimarer Republik erbrachte Exner Pionierleistungen im Bereich der deutschsprachigen [[Kriminalsoziologie]]. Umstritten sind hingegen bis heute das Ausmaß seiner Annäherungen an die NS-Ideologie und das Ausmaß seiner Verstrickungen innerhalb der [[Kriminalbiologie]] zur Zeit des Nationalsozialismus.
   
   
==Leben==
==Leben==
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Nachdem er in seinen ersten vier Schuljahren privat unterrichtet worden war, besuchte Exner das „Schottengymnasium“ in Wien, das er im Jahre 1900 mit der Matura abschloss.[2]
Nachdem er in seinen ersten vier Schuljahren privat unterrichtet worden war, besuchte Exner das „Schottengymnasium“ in Wien, das er im Jahre 1900 mit der Matura abschloss.[2]


Nach einem freiwilligen Jahr beim österreich-ungarischen Militär studierte Exner in Wien, Heidelberg und am Kriminalistischen Seminar Franz von Liszts in Berlin Rechtswissenschaften. Er beendete sein Studium 1906 mit der Promotion. In den Jahren 1907–1910 arbeitete Exner wissenschaftlich in Berlin, wo er sich 1910 bei Franz von Liszt habilitierte, während er gleichzeitig als Anwärter auf das Richteramt in Wien praktische Erfahrungen sammelte.
Nach einem freiwilligen Jahr beim österreich-ungarischen Militär studierte Exner in Wien und Heidelberg Rechtswissenschaften. Er beendete sein Studium nach den drei damals üblichen Staatsexamina im Jahre 1906 mit der Promotion zum Dr. jur. Hieran schloß sich direkt Franz Exners Referendarzeit an, in der er als Anwärter auf das Richteramt in Wien erste praktische Erfahrungen sammeln konnte. Noch während des Referendariats ließ er sich von diesem für einen einjährigen Studienaufenthalt am Kriminalistischen Seminar des Strafrechtsreformers Franz von Liszt in Berlin beurlauben.


Exner wurde 1910 Privatdozent in Wien und hatte anschließend Professuren in [[Czernowitz]] (1912), Prag (1916), Tübingen (1919) und Leipzig (1921). Am 1. April 1933 folgte er einem Ruf auf eine Professur für [[Strafrecht]], [[Strafprozess]]recht und [[Kriminologie]] an die Ludwig-Maximilians-Universität München.  
Exner wurde 1910 Privatdozent in Wien und hatte anschließend Professuren in [[Czernowitz]] (1912), Prag (1916), Tübingen (1919) und Leipzig (1921). Am 1. April 1933 folgte er einem Ruf auf eine Professur für [[Strafrecht]], [[Strafprozess]]recht und [[Kriminologie]] an die Ludwig-Maximilians-Universität München.  
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==Werk==
==Werk==
===Überblick===
===Überblick===
Franz Exners kriminalwissenschaftliches System steht in der Tradition der sogenannten „modernen Strafrechtsschule“ des Strafrechtsreformers [[Franz von Liszt]][5], dessen Ideen Exner eigenständig fortbildete. Nachdem er sich bei diesem zunächst durch eine grundlegende strafrechtsdogmatisch–rechtsphilosophische Arbeit über „das Wesen der Fahrlässigkeit“ habilitiert hatte, widmete er sich in der Folgezeit hauptsächlich kriminalpolitischen und kriminologischen Themen.
Franz Exners kriminalwissenschaftliches System steht in der Tradition seiner beiden akademischen Strafrechtslehrer, der sogenannten „modernen Strafrechtsschule“ des Strafrechtsreformers [[Franz von Liszt]][5] und des schweizerischen Kriminalpolitikers und Strafrechtlers [[Carl Stooß]][5a], deren Ideen Exner eigenständig fortbildete. Nachdem er sich bei Carl Stooß in Wien zunächst durch eine grundlegende strafrechtsdogmatisch–rechtsphilosophische Arbeit über „das Wesen der Fahrlässigkeit“ habilitiert hatte, widmete er sich in der Folgezeit hauptsächlich kriminalpolitischen und kriminologischen Themen.


Exner setzte sich für eine Fortführung der von Franz von Liszt inspirierten [[Strafrechtsreform]] ein. Im Gegensatz zu Liszt, der eine „präventive Schutzstrafe“ – und somit ein einspuriges Kriminalstrafsystem – propagierte, schlug Exner jedoch eine Zweispurigkeit des Kriminaljustizsystems vor: Dem System der repressiven Strafen sei ein eigenständiges System von spezialpräventiven „Sicherungsmitteln“ gegenüberzustellen.[6] Insoweit war Exner ein Vordenker des heute geltenden Strafrechts, das auf eben dieser Unterscheidung zwischen „Strafen“ und „Maßnahmen“ (von Exner als „Sicherungsmittel“ bezeichnet) aufbaut.
Exner setzte sich für eine Fortführung der von Franz von Liszt inspirierten [[Strafrechtsreform]] ein. Im Gegensatz zu Liszt, der eine „präventive Schutzstrafe“ – und somit ein einspuriges Kriminalstrafsystem – propagierte, schlug Exner jedoch - hierbei an Ideen von Carl Stooß anknüpfend - eine Zweispurigkeit des Kriminaljustizsystems vor: Dem System der repressiven Strafen sei ein eigenständiges System von spezialpräventiven „Sicherungsmitteln“ gegenüberzustellen.[6] Insoweit war Exner ein Vordenker des heute geltenden Strafrechts, das auf eben dieser Unterscheidung zwischen „Strafen“ und „Maßnahmen“ (von Exner als „Sicherungsmittel“ bezeichnet) aufbaut.


Er betonte zumindest während der Weimarer Republik [[Kriminalitätstheorien|die Vorrangigkeit sozialer Ursachen für die Entstehung von Kriminalität]].[9] Später rückten die "Anlagefaktoren" wieder stärker in den Vordergrund, verdrängten Exners Annahme, die Kriminalität werde in vielerlei Hinsicht auch durch soziale Ursachen mitbewirkt, jedoch niemals vollständig.  
Er betonte zumindest während der Weimarer Republik [[Kriminalitätstheorien|die Vorrangigkeit sozialer Ursachen für die Entstehung von Kriminalität]].[9] Später rückten die "Anlagefaktoren" wieder stärker in den Vordergrund, verdrängten Exners Annahme, die Kriminalität werde in vielerlei Hinsicht auch durch soziale Ursachen mitbewirkt, jedoch niemals vollständig.  
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*4. ↑ vgl. Ina Pfennig: Kriminalbiologie im Nationalsozialismus – Das Beispiel Franz Exner. In: Hermann Nehlsen und Georg Bruhn (Hrsg.): Münchner rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus. Frankfurt a. M. u. a. 1996, S. 225–255, S. 251.
*4. ↑ vgl. Ina Pfennig: Kriminalbiologie im Nationalsozialismus – Das Beispiel Franz Exner. In: Hermann Nehlsen und Georg Bruhn (Hrsg.): Münchner rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus. Frankfurt a. M. u. a. 1996, S. 225–255, S. 251.
*5. ↑ bezüglich der Einordnung Exners als „Liszt-Schüler“ vgl. Monika Frommel; Präventionsmodelle in der deutschen Strafzweck-Diskussion – Beziehungen zwischen Rechtsphilosophie, Dogmatik, Rechtspolitik und Erfahrungswissenschaften. Berlin 1987, insbesondere S. 25–31 und S. 83.
*5. ↑ bezüglich der Einordnung Exners als „Liszt-Schüler“ vgl. Monika Frommel; Präventionsmodelle in der deutschen Strafzweck-Diskussion – Beziehungen zwischen Rechtsphilosophie, Dogmatik, Rechtspolitik und Erfahrungswissenschaften. Berlin 1987, insbesondere S. 25–31 und S. 83.
*5a. ↑ vgl. zu Carl Stooß: Peter Kaenel, ''Die kriminalpolitische Konzeption von Carl Stooß im Rahmen der geschichtlichen Entwicklung von Kriminalpolitik und Straftheorien'', Bern 1981.
*6. ↑ vgl. hierzu Franz Exner: Die Theorie der Sicherungsmittel. Berlin 1914.
*6. ↑ vgl. hierzu Franz Exner: Die Theorie der Sicherungsmittel. Berlin 1914.
*7. ↑ Hans Göppinger: Kriminologie, 3. Auflage. München, S. 24; Karl Peters: Franz Exner, 1881–1947. In: Ferdinand Elsener (Hrsg.): Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät. Tübingen 1977, S. 153–164, S. 163.
*7. ↑ Hans Göppinger: Kriminologie, 3. Auflage. München, S. 24; Karl Peters: Franz Exner, 1881–1947. In: Ferdinand Elsener (Hrsg.): Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät. Tübingen 1977, S. 153–164, S. 163.
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