Franz Exner: Unterschied zwischen den Versionen

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====Exners Hauptwerk: Kriminalbiologie in ihren Grundzügen====
====Exners Hauptwerk: Kriminalbiologie in ihren Grundzügen====
Exners Hauptwerk Kriminalbiologie in ihren Grundzügen erschien 1939 in erster Auflage. Es handelte sich Richard Wetzell und Karl Peters zufolge um das bedeutendste deutschsprachige kriminologische Lehrbuch seit Gustav Aschaffenburgs Das Verbrechen und seine Bekämpfung, das zuletzt 1923 in einer dritten Auflage erschienen war.[33] Die Kriminalbiologie fasste den damaligen Forschungsstand der Kriminologie zusammen und gliederte sich in die Teile „Anlage und Umwelt“, „Das Verbrechen im Leben der Volksgemeinschaft“, „Der Täter“, „Die Tat“ und „Angewandte Kriminalbiologie“. In einem einleitenden Kapitel bekräftigte Exner die bereits in früheren Veröffentlichungen (vgl. oben: Exners methodologischer und rechtsphilosophischer Ansatz) betonte wissenschaftliche Eigenständigkeit der Kriminologie gegenüber der Strafrechtswissenschaft. Auch räumte er ein bis heute bestehendes Kernproblem der Kriminologie ein: Die Schwierigkeiten, die sich für die an naturwissenschaftlichen Erkenntnisprinzipien angelehnte Disziplin der Kriminologie aus dem sich wandelnden Verbrechensbegriff (Exners Beispiel: Die Straflosigkeit bzw. Strafbarkeit der Homosexualität innerhalb verschiedener Rechtsordnungen) ergeben. Er erklärte die Schwierigkeiten jedoch für lösbar, da sich ein weitgehend beständiges Kernstrafrecht herausschälen lasse.[34]
Exners Hauptwerk Kriminalbiologie in ihren Grundzügen erschien 1939 in erster Auflage. Es handelte sich Richard Wetzell und Karl Peters zufolge um das bedeutendste deutschsprachige kriminologische Lehrbuch seit Gustav Aschaffenburgs ''"Das Verbrechen und seine Bekämpfung"'', das zuletzt 1923 in einer dritten Auflage erschienen war.[33] Die Kriminalbiologie fasste den damaligen Forschungsstand der Kriminologie zusammen und gliederte sich in die Teile „Anlage und Umwelt“, „Das Verbrechen im Leben der Volksgemeinschaft“, „Der Täter“, „Die Tat“ und „Angewandte Kriminalbiologie“. In einem einleitenden Kapitel bekräftigte Exner die bereits in früheren Veröffentlichungen (vgl. oben: Exners methodologischer und rechtsphilosophischer Ansatz) betonte wissenschaftliche Eigenständigkeit der Kriminologie gegenüber der Strafrechtswissenschaft. Auch räumte er ein bis heute bestehendes Kernproblem der Kriminologie ein: Die Schwierigkeiten, die sich für die an naturwissenschaftlichen Erkenntnisprinzipien angelehnte Disziplin der Kriminologie aus dem sich wandelnden Verbrechensbegriff (Exners Beispiel: Die Straflosigkeit bzw. Strafbarkeit der Homosexualität innerhalb verschiedener Rechtsordnungen) ergeben. Er erklärte die Schwierigkeiten jedoch für lösbar, da sich ein weitgehend beständiges Kernstrafrecht herausschälen lasse.[34]


Bereits der zeitgenössische Rezensent Hans Walter Gruhle – ein Psychiater – kritisierte den Titel des Werkes. Exner habe sich bei der Wahl des Titels Kriminalbiologie von im übrigen wissenschaftlich nicht begründeten Zeitströmungen leiten lassen.[35] Der Titel „Kriminalbiologie“, den Exner für sein Hauptwerk gewählt hatte, ist auch insofern irreführend, als Exner keineswegs Kriminalbiologie und Kriminalanthropologie gleichsetzte.[36] Er fasste den Begriff „Kriminalbiologie“ weit und verstand darunter die Gesamtheit kriminalsoziologischer, kriminalanthropologischer und kriminalpsychologischer Forschungen, mithin die Disziplin, die heute gemeinhin als Kriminologie bezeichnet wird.[37] Er bezeichnete das Problem, ob der Anlage oder der Umwelt kriminalätiologisch der Vorrang gebühre, als sehr komplex und legte sich diesbezüglich weder in der einen, noch in der anderen Richtung fest.[38]
Bereits der zeitgenössische Rezensent [[Hans Walter Gruhle]] – ein Psychiater – kritisierte den Titel des Werkes. Exner habe sich bei der Wahl des Titels Kriminalbiologie von im übrigen wissenschaftlich nicht begründeten Zeitströmungen leiten lassen.[35] Der Titel „Kriminalbiologie“, den Exner für sein Hauptwerk gewählt hatte, ist allerdings insofern irreführend, als Exner keineswegs Kriminalbiologie und Kriminalanthropologie gleichsetzte.[36] Er fasste den Begriff „Kriminalbiologie“ weit und verstand darunter die Gesamtheit kriminalsoziologischer, kriminalanthropologischer und kriminalpsychologischer Forschungen, mithin die Disziplin, die heute gemeinhin als Kriminologie bezeichnet wird.[37] Er bezeichnete das Problem, ob der Anlage oder der Umwelt kriminalätiologisch der Vorrang gebühre, als sehr komplex und legte sich diesbezüglich weder in der einen, noch in der anderen Richtung fest.[38]


Sämtliche Auflagen der Kriminalbiologie, auch die posthum veröffentlichte dritte Auflage, enthielten rassistische Passagen. In den ersten beiden Ausgaben der „Kriminalbiologie“ von 1939 und 1944 führte er die „Kriminalität der Juden“ mehrfach auf ihr „unveränderbares Wesen“ zurück. Diese Passagen werden selbst von dem ansonsten den seiner Ansicht nach moderaten Charakter des Werkes betonenden Historiker Richard Wetzell als offen antisemitisch interpretiert.[39] Auch sprach Exner – in allen Auflagen, auch der dritten von 1949 – von einer „Verwahrlosung der Zigeunerstämme“. Die Kriminalbiologie erschien 1949 unter dem Titel „Kriminologie“ in einer Fassung, die lediglich von den sich mit der „Kriminalität der Juden“ beschäftigenden Aussagen bereinigt war. Selbst in dieser Nachkriegsfassung bezog er sich noch explizit auf die rassistischen Forschungen Robert Ritters – dessen „erbgeschichtliche Untersuchungen“ den Nazis als Rechtfertigung dienten, Roma, Sinti und Jenische als „Zigeuner“ und „Zigeunermischlinge“ zu verfolgen und zu ermorden.[40] So bezeichnete Exner die Jenischen noch 1949 als „herumirrende Taugenichtse und Vagabunden“, die „in ihrer Asozialität selbst bei Blutsvermischung ihren ‚SCHLAG‘ nicht zu verleugnen“ wüssten.[41] Allerdings nahmen die rassistischen Passagen von ihrem Umfang her nur einen kleinen Teil des Werkes ein. Auch die Kapitel, die sich mit der kriminogenen Anlage des Täters beschäftigten, bezogen sich neben den obigen Abschnitten überwiegend auf individualgenetische Faktoren, bei denen das Konzept der „Rasse“ keine Rolle spielte.[42]
Sämtliche Auflagen der Kriminalbiologie, auch die posthum veröffentlichte dritte Auflage, enthielten rassistische Passagen. In den ersten beiden Ausgaben der „Kriminalbiologie“ von 1939 und 1944 führte er die „Kriminalität der Juden“ mehrfach auf ihr „unveränderbares Wesen“ zurück. Diese Passagen werden selbst von dem ansonsten den seiner Ansicht nach moderaten Charakter des Werkes betonenden Historiker Richard Wetzell als offen antisemitisch interpretiert.[39] Auch sprach Exner – in allen Auflagen, auch der dritten von 1949 – von einer „Verwahrlosung der Zigeunerstämme“. Die Kriminalbiologie erschien 1949 unter dem Titel „Kriminologie“ in einer Fassung, die lediglich von den sich mit der „Kriminalität der Juden“ beschäftigenden Aussagen bereinigt war. Selbst in dieser Nachkriegsfassung bezog er sich noch explizit auf die rassistischen Forschungen Robert Ritters – dessen „erbgeschichtliche Untersuchungen“ den Nazis als Rechtfertigung dienten, Roma, Sinti und Jenische als „Zigeuner“ und „Zigeunermischlinge“ zu verfolgen und zu ermorden.[40] So bezeichnete Exner die Jenischen noch 1949 als „herumirrende Taugenichtse und Vagabunden“, die „in ihrer Asozialität selbst bei Blutsvermischung ihren ‚SCHLAG‘ nicht zu verleugnen“ wüssten.[41] Allerdings nahmen die rassistischen Passagen von ihrem Umfang her nur einen kleinen Teil des Werkes ein. Auch die Kapitel, die sich mit der kriminogenen Anlage des Täters beschäftigten, bezogen sich neben den obigen Abschnitten überwiegend auf individualgenetische Faktoren, bei denen das Konzept der „Rasse“ keine Rolle spielte.[42]
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