Franz Exner: Unterschied zwischen den Versionen

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Exner betonte zumindest während der Weimarer Republik [[Kriminalitätstheorien|die Vorrangigkeit sozialer Ursachen für die Entstehung von Kriminalität]]. Später rückten die "Anlagefaktoren" wieder stärker in den Vordergrund, verdrängten Exners Annahme, die Kriminalität werde in vielerlei Hinsicht auch durch soziale Ursachen mitbewirkt, jedoch niemals vollständig.[9]  
Exner betonte zumindest während der Weimarer Republik [[Kriminalitätstheorien|die Vorrangigkeit sozialer Ursachen für die Entstehung von Kriminalität]]. Später rückten die "Anlagefaktoren" wieder stärker in den Vordergrund, verdrängten Exners Annahme, die Kriminalität werde in vielerlei Hinsicht auch durch soziale Ursachen mitbewirkt, jedoch niemals vollständig.[9]  


Als Kriminalsoziologe wurde Exner durch seine Abhandlung „Krieg und Kriminalität“ (1926) bekannt, die ihm – obschon von seiner Ausbildung her Jurist – den Ruf als „Deutschlands bedeutendster Kriminalsoziologe“ eintrug.[8] Diesen Ruf festigte er durch seinen im Jahre 1931 verfassten Artikel „Kriminalsoziologie“, der 1936 im zweiten Band des damals maßgeblichen Handwörterbuch der Kriminologie erschien.  
Als Kriminalsoziologe wurde Exner durch seine Abhandlung „Krieg und Kriminalität“ (1926) bekannt, die ihm – obschon von seiner Ausbildung her Jurist – den Ruf als „Deutschlands bedeutendster Kriminalsoziologe“ eintrug.[8] Diesen Ruf festigte er durch seinen um 1932/33 herum verfassten Artikel „Kriminalsoziologie“, der 1936 im zweiten Band des damals maßgeblichen Handwörterbuch der Kriminologie erschien.  


Exner fasste den Begriff der „Kriminalsoziologie“ − wie er ihn in seinem Aufsatz Kriminalsoziologie (1931) definierte – für die damalige Zeit überraschend weit.[10] Er stellte der „Kriminalsoziologie im engeren Sinne“ eine „Kriminalsoziologie im weiteren Sinne“ gegenüber:
Exner fasste den Begriff der „Kriminalsoziologie“ − wie er ihn in seinem Aufsatz Kriminalsoziologie (1931) definierte – für die damalige Zeit überraschend weit.[10] Er stellte der „Kriminalsoziologie im engeren Sinne“ eine „Kriminalsoziologie im weiteren Sinne“ gegenüber:


Bereits Exners Definition der „Kriminalsoziologie im engeren Sinne“ kann für die damalige Zeit als durchaus innovativ angesehen werden: Ihre Aufgabe sei es, das Verbrechen als eine gesellschaftliche Erscheinung zu beschreiben und in seiner  gesellschaflichen Bedingtheit zu erklären. [11] Diese Herangehensweise entsprach zwar dem Paradigma einer [[Ätiologie|ätiologischen]] (verursachungsgemäßen) Kriminologie. Vor Franz Exner hatte jedoch noch kein deutschsprachiger Kriminologe eine ähnliche, sich rein auf die gesellschaftlichen Ursachen der Kriminalität beziehende Definition der Kriminalsoziologie dargelegt. Franz von Liszt beispielsweise, der das Verbrechen ebenfalls bereits als eine "gesellschaftliche Erscheinung" bezeichnete, hatte unter Kriminalsoziologie noch eine Art Oberdisziplin unter Einschluß der Kriminalanthroplogie verstanden.  
Bereits Exners Definition der „Kriminalsoziologie im engeren Sinne“ kann für die damalige Zeit als durchaus innovativ angesehen werden: Er betrachtete die Kriminalsoziologie als eine wertfreie Tatsachenwissenschaft. Ihre Aufgabe sei es, das Verbrechen als eine gesellschaftliche Erscheinung zu beschreiben und in seiner  gesellschaflichen Bedingtheit zu erklären. [11] Diese Herangehensweise entsprach zwar dem Paradigma einer [[Ätiologie|ätiologischen]] (verursachungsgemäßen) Kriminologie. Vor Franz Exner hatte jedoch noch kein deutschsprachiger Kriminologe eine ähnliche, sich rein auf die gesellschaftlichen Ursachen der Kriminalität beziehende Definition der Kriminalsoziologie dargelegt. Franz von Liszt beispielsweise, der das Verbrechen ebenfalls bereits als eine "gesellschaftliche Erscheinung" bezeichnete, hatte unter Kriminalsoziologie noch eine Art Oberdisziplin unter Einschluß der Kriminalanthroplogie verstanden. Auch die Wertfreiheit der Diszilin war keineswegs unumstritten. So betrachtete es [[Wilhelm Sauer]] als die Aufgabe der KS, zu einer Ethisierung des Strafrechts beizutragen; sie sei eine "nicht für, sondern gegen den Verbrecher" eintretende, mithin ausdrücklich nicht wertfreie, Wissenschaft.


Endgültig über den von Franz von Liszt gezogenen Rahmen hinaus begab sich Exner sodann mit der „Kriminalsoziologie im weiteren Sinne“. Diese (Sub-)Disziplin sollte zusätzlich auch die gesellschaftlichen und staatlichen Bezüge des Phänomens Kriminalität untersuchen. Der „Soziologie der Verbrechensverfolgung“ fiel hierbei die Aufgabe einer empirischen Erforschung des Kriminaljustizsystems und der in ihm tätigen Personen (Richter, Staatsanwälte usw.) zu. Seine Studie über die "Strafzumessungspraxis der deutschen Gerichte" (1931) kann in diesem Zusammenhang auch als ein früher Beitrag zur kriminologischen [[Justizforschung]] angesehen werden. Darüber hinaus sollte eine „Soziologie der Verbrechensauffassung“ herausarbeiten, wie die „Gesellschaft“ das Verbrechen definiert und auf kriminelle Handlungen reagiert, um diese Betrachtungsweise der staatlichen Herangehensweise wissenschaftlich gegenüberstellen zu können.[12]
Endgültig über den von Franz von Liszt gezogenen Rahmen hinaus begab sich Exner sodann mit der „Kriminalsoziologie im weiteren Sinne“. Diese (Sub-)Disziplin sollte zusätzlich auch die gesellschaftlichen und staatlichen Bezüge des Phänomens Kriminalität untersuchen. Der „Soziologie der Verbrechensverfolgung“ fiel hierbei die Aufgabe einer empirischen Erforschung des Kriminaljustizsystems und der in ihm tätigen Personen (Richter, Staatsanwälte usw.) zu. Seine Studie über die "Strafzumessungspraxis der deutschen Gerichte" (1931) kann in diesem Zusammenhang auch als ein früher Beitrag zur kriminologischen [[Justizforschung]] angesehen werden. Darüber hinaus sollte eine „Soziologie der Verbrechensauffassung“ herausarbeiten, wie die „Gesellschaft“ das Verbrechen definiert und auf kriminelle Handlungen reagiert, um diese Betrachtungsweise der staatlichen Herangehensweise wissenschaftlich gegenüberstellen zu können.[12]
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